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Das Olympische Bildungsmagazin

live-Blog zu 1.000 Einzelfällen: der McLaren-Report (II) zum russischen Staatsdoping #Sotschi2014

Der Boss der Bosse, Mutko, Kozak, IOC-Mitglied Schukow mit Russlands Medaillengewinnern der Sotschi-Spiele. (Foto: President of Russia)

Der Boss der Bosse, Mutko, Kozak, IOC-Mitglied Schukow mit Russlands Medaillengewinnern der Sotschi-Spiele. (Foto: President of Russia)

Moin, moin. So gut es geht werde ich die Vorstellung des zweiten McLaren-Berichts (hier das live-Blog zum ersten Bericht) zum russischen Staatsdoping (Schwerpunkt: Sotschi 2014) in wenigen Minuten in London und später einige Inhalte, Analysen und Reaktionen bis abends live bloggen. Heute erscheinen aktuelle Notizen mal ausnahmsweise oben.

17.36 Uhr: Kleiner Arbeitsnachweis, SpOn, stark gekürzt:

14.15 Uhr: Und hier ist die Webseite zum Schmökern mit 1.166 Dokumenten. Viel Vergnügen!

13.22 Uhr: Pressekonferenz beendet. Melde mich später.

13.00 Uhr: Die Frage nach der Fußball-WM 2018 (und anderen Events) kommt natürlich. Kann Russland da noch Gastgeber sein? McLaren kommentiert das nicht. Er hat schon eine Meinung, aber die behält er für sich.

12.56 Uhr: Rebecca Ruiz (New York Times) fragt nach den mehr als 1.000 Sportlern. McLaren: Die Zahl ist größer als bisher bekannt. Viele Namen kennen wir. Bericht geht an die WADA, daraus müssen die Verbände und das IOC Schlussfolgerungen ziehen. Er weicht logischerweise oft aus. Sein Job war, Fakten zu finden und zu erhärten. Alles andere ist der Job der Verbände und Institutionen.

12.55 Uhr: David Walsh (Sunday Times) fragt, ob Mutko nicht davon gewusst haben konnte (jetzt sind die Fragen zu verstehen). McLaren ausweichend: Sein Stellvertreter war dafür verantwortlich. Walsh will den Vergleich zum DDR-Doping hören. McLaren: Einen Vergleich anzustellen, war nicht meine Aufgabe.

12.50 Uhr: Q&A Session. Die Fragen sind im Conference Call nicht zu verstehen. Nur die Antworten. Lese jetzt das Dokument und mache hier kurz Pause. Lest es bitte auch.

12.47 Uhr: Unmöglich zu sagen, wie lange und wie umfangreich dieses System operierte. Nochmal, er kann nur über die Zeit zwischen 2011 und 2015 reden.

12.44 Uhr: Endlich, da ist das Papier, 151 Seiten:

12.42 Uhr: Er bestätigt:

  • 15 russische Medaillengewinner gedopt/Proben ausgetauscht. Darunter zwei doppelte Olympiasieger. (Welche sind das? Schaut doch mal bitte nach.)
  • 6 paralympische Medaillengewinner (21 Medaillen, richtig verstanden.

12.39 Uhr: Höre fasziniert zu und versuche zu verstehen. Sensationen nicht dabei, ist auch nicht wichtig. Viel wichtiger: McLaren & Co können jetzt alles viel besser beschreiben und belegen als noch vor einigen Wochen im Sommer.

12.37 Uhr: War nicht letztens schon von Wodka oder Whisky die Rede? Nun auch …

12.35 Uhr: (Reihenfolge der Einträge öfter mal vertauscht. Sorry.) Die Journalisten in London haben bereits den Bericht und zitieren daraus. Online steht das Papier noch nicht. Habe vorhin schon notiert: McLaren hat eine Webseite einrichten lassen, wo mehr Belege zu finden sind.

12.15 Uhr: Conference Call läuft. Einleitung von Catherine Doyle.

Nun Richard McLaren.

Nicht nur den ersten Bericht bestätigt, sondern mit vielen Fakten, Namen, Beispielen konkretisiert.

Nie da gewesenes Niveau des Betrugs.

Institutionelle Verschwörung.“

  1. Institutional conspirancy across summer and winter sport including FSB and sports ministry. Athletes did not act individually.
  2. Systematic and centralized cover-up. London 2012, Kazan Universiade 2013, IAAF Moskau 2013, Sotschi 2014.
  3. Swapping of Russian samples did not stop at the closing of the Sochi Olympics. Weiter gemacht.
  4. Key findings of the first report remain unchanged.

Mindestens von 2011 bis 2015.

Mehr als 1.000 russische Sportler. 600 Sommersportler, 95 Wintersportler. (Mag sein, dass ich in der Schnelle einige Zahlen nicht sauber mitbekomme. Wird korrigiert.) Die Frage taucht auf, ob der Rest (ca 300) paralympische Athleten sind.

Although the picture is clear it is not complete.“

Haben nach wie vor nur minimalen Zugang und minimale Informationen, obgleich sehr umfangreich.

Dazu eine neue Webseite aufgesetzt, um der Welt die Belege zu präsentieren.

Experten für drei verschiedene forensische Analysen. (DNA etc)

Mehr als 500 positive Fälle der Russen wurden negativ im WADA-System eingegeben. Unglaubliche Zahlen zu vernichteten positiven Proben wurden ja im ersten Bericht schon aufgeschlüsselt. Das wird ebenfalls konkretisiert.

The Russian Olympic team corrupted the London Games.“

Aber das konnte nicht ewig unentdeckt bleiben. Auch diese Olympischen Spiele haben die Schwächen des Testsystems und der Prozeduren belegt.

12.26 Uhr: Überschrift geändert in „mehr als 1.000 Einzelfälle“.

12.24 Uhr: Jetzt beginnt er nochmal von vorn. NYT und Rodschenkow im Mai 2016. Er skizziert kurz die Geschichte ab 2011.

11.51 Uhr: Zum live-Blog des Guardian.

Windelweich die Stellungnahme der neuen IOC-Athletensprecherin Angela Ruggiero, unterscheidet sich schon enorm von den letzten Statements und Briefen (Mai nach den Rodschenkow-Veröffentlichungen) von Beckie Scott und Claudia Bokel.

11.33 Uhr: Der gestrenge Thomas Bach will lebenslange Sperren für russische Doper? Wie albern. Wer nimmt ihm derlei Finten noch ab? Es finden sich genügend Journalisten, die den Nonsens in die Welt hinaus posaunen.

Ich erinnere mich bei solchen Äußerungen immer an die erste Welt-Anti-Doping-Konferenz im Februar 1999 in Lausanne, die zur Gründung der WADA führte. Damals fightete Bach wie ein Berserker gegen eine Sperre von 2 Jahren. Zwei. Weil die angeblich gegen Menschen- und Bürgerechte und Arbeitsrechte verstoßen würde – irgendwelche Rechte vergessen. Das „kritische Olympialexikon“ zitiert aus dem Buch „Der olympische Sumpf„, in dem wir die Geschichte und Bachs Manipulationsversuche mit einem angeblichen Gutachten (immer wieder gern versucht) aufzeigten:

Als der frühere Bundesinnenminister Otto Schily sich ebenfalls für schärfere Maßnahmen beim Thema Doping aussprach, sandte Bach am 17. Februar 1999 über seine Kanzlei ein „streng vertrauliches“ Fax an Zeitungsredaktionen mit der Stellungnahme des Karlsruher Verfassungsrichters Udo Steiner, der angeblich die von Schily verfochtene Zweijahresfrist für juristisch nicht korrekt erachtete. Am 18. Februar 1999 war die Meldung in ganz Deutschland zu lesen. An diesem Vormittag rief Bach bei Steiner an und erklärte, dass es da wohl ein Missverständnis in der Presse gegeben habe. Steiners Text stammte nämlich bereits aus dem Jahr 1991 und war laut Steiner im Jahr 1999 überholt .“

Meine Vorab-Analyse auf Spiegel Online:

Wenn der kanadische Sonderermittler Richard McLaren am Freitag in London seinen zweiten Untersuchungsbericht vorstellt, muss Sportgeschichte umgeschrieben werden. Der Rechts-Professor McLaren ermittelt im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Er gehörte bereits der ersten WADA-Kommission an, die vor einem Jahr einen spektakulären Bericht über das staatlich orchestrierte Doping in Russland veröffentlichte. Er recherchierte weiter, unterstützt von Kriminalisten, und legte im Juli 2016 den ersten sogenannten McLaren-Bericht vor, auf dessen Grundlage etwas mehr als ein Drittel des avisierten russischen Olympiateams für die Sommerspiele in Rio de Janeiro gesperrt wurde.

Die WADA hatte die Suspendierung des russischen NOK und damit der gesamten Olympiamannschaft gefordert, doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter seinem Präsidenten Thomas Bach solidarisierte sich mit den Russen. Das IOC co-finanzierte mit einer halben Million Dollar die weitere Arbeit der McLaren-Kommission: Im neuen Bericht, der weltweit mit großer Spannung erwartet wird, konzentriert sich McLaren auf den staatlich organisierten Betrug bei den Winterspielen 2014 in Sotschi. Dort wurden gemäß Aussagen des Kronzeugen Grigori Rodschenkow, ehemals Leiter des sogenannten Antidopinglabors in Moskau und eben in Sotschi, unter Mitwirkung des Inlandsgeheimdienstes und des Sportministeriums die Proben gedopter russischer Sportler ausgetauscht. Mindestens russische 15 Medaillengewinner der Sotschi-Spiele sollen gedopt gewesen sein. McLaren hat Proben unter notarieller Aufsicht und mit forensischen Mitteln öffnen lassen.

Das IOC-Exekutivkomitee hat in dieser Woche vorsorglich die weichen Maßnahmen gegen Russland verlängert, die Ende Juli erlassen wurden. Damals sollten die olympischen Sommersportverbände binnen weniger Tage über die Zulassung russischer Sportler für Rio befinden – die Entscheidung fällte auf dieser Grundlage eine dreiköpfige Kommission, die mit zwei Bach-Parteigängern besetzt war, die kurz darauf zu IOC-Vizepräsidenten ernannt wurden: Juan Antonio Samaranch junior (Spanien) und Uğur Erdener (Türkei). Als damalige Bach-Kritikerin gehörte Claudia Bokel zu dieser Kommission. Bokel musste sich inzwischen turnusgemäß als Athletensprecherin aus dem IOC und dem IOC-Exekutivkomitee verabschieden. Statt Bokel wurden unter anderem Wladimir Putins Lieblingssportlerin Jelena Isinbajewa und das bekennende Bach-Fangirl Britta Heidemann IOC-Mitglied. Isinbajewa hat in den vergangenen Monaten vehement die WADA und Richard McLaren kritisiert. Nun ist sie zur Oberaufseherin der ebenfalls suspendierten russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA ernannt worden.

Analog zu den Abläufen im Sommer hat das IOC-Exekutivkomitee jetzt die sieben olympischen Winter-Fachverbände aufgefordert, auf Grundlage des McLaren-Berichts weitere Ermittlungen und gegebenenfalls disziplinarische Maßnahmen einzuleiten. Der Schweizer Gian Franco Kasper, Präsident des Ski-Weltverbandes FIS und der Vereinigung der Wintersportverbände (AIOWF), hat zuletzt mehrfach öffentlich über weitere alarmierende Erkenntnisse und zahlreiche neue Dopingfälle im McLaren-Bericht orakelt. Der Biathlon-Weltverband IBU hat kürzlich dennoch seine Weltmeisterschaft 2021 an die russische Stadt Tjumen vergeben. Die WADA hat der IBU inzwischen ein Ultimatum bis Januar gestellt, um die Umstände dieser Entscheidung zu klären. Im Februar 2017 finden auf der Olympiabahn in Sotschi die Weltmeisterschaften im Bob und Skeleton statt. Der dafür verantwortliche Weltverband IBSF wird vom Italiener Ivo Ferriani geführt und macht keine Anstalten, die WM zu verlegen. Der russische Staatskonzern Gazprom zählt zu den Hauptsponsoren der IBSF. Im Juni 2016 hatte der vom Deutschen Josef Fendt geführte Rodel-Weltverband FIL die WM 2020 ebenfalls an Sotschi vergeben. Fendt sieht derzeit ebenfalls keinen Grund, die Entscheidung rückgängig zu machen. Sein Hauptargument: Bislang seien keine russischen Rodler des Dopings überführt.

Die Russen machen auf breiter Front Stimmung gegen McLaren und die WADA. Putins Sprecher Dmitri Peskow hat den betroffenen Sportlern die Unterstützung des Kreml zugesagt. Witali Tschurkin, Russlands Gesandter bei den Vereinten Nationen, fordert die UN auf, Maßnahmen gegen die angebliche Ungleichbehandlung von Sportlern zu ergreifen. Putin hat unlängst behauptet, Russland habe das effektivste Anti-Doping-Programm der Welt. Und Alt-Kader Witali Smirnow, ehemals IOC-Mitglied und Cheforganisator der Sommerspiele 1980 in Moskau, hat als Chef einer internen russischen Kommission dem IOC berichtet, es habe in Russland nie Staatsdoping gegeben. McLaren wird das Gegenteil belegen. Ab Freitag werden die Rufe weltweit wieder lauter, das russische NOK von den Winterspielen 2018 in PyeongChang (Südkorea) auszuschließen. Sportpolitisch mahlen die Mühlen allerdings langsam. IOC-Präsident Bach hat vorsorglich zwei weitere Kommissionen eingerichtet, die teilweise parallel zu McLaren arbeiteten und nun auf der Grundlage des Berichtes agieren sollen: Der ehemalige Schweizer Bundesrat Samuel Schmid, gern für IOC-Aufgaben eingesetzt, leitet eine Kommission, die sich mit der Frage des Staatsdoping beschäftigt. Das Schweizer IOC-Mitglied Denis Oswald agiert als Chef einer Disziplinarkommission zum Russland-Doping. Oswald hat vor Jahren auch eine angebliche IOC-Ermittlungsgruppe zum Telekom-Doping geleitet und routiniert einschlafen lassen. Welche politischen Fliehkräfte bereits wirken, lässt auch die Benennung von Samuel Schmid erahnen, denn der Franzose Guy Canivet trat gerade als Chef dieser Kommission zurück, angeblich aus privaten Gründen. In sportpolitischen Kreisen heißt es indes, dies könne mit der laufenden Olympiabewerbung von Paris für die Sommerspiele 2024 zusammen hängen. Mit den Russen will es sich niemand verscherzen.

Die Oberhoheit für das Dopingkontrollprogramm bei den Winterspielen 2014 in Sotschi hatte im Übrigen das IOC, nicht die WADA – wie auch bei den Sommerspielen 2008 in Peking und 2012 in London, zu denen noch immer die Disziplinarverfahren zu Dopern laufen, die bei den Nachtests dieses Jahres enttarnt wurden. Von den knapp 10.000 Proben aus Peking und London hat das IOC allerdings nur 1.525 ausgewählte Proben analysieren lassen. Das IOC kontrolliert sich in einem intransparenten Verfahren quasi selbst. Dabei wäre es dringend angebracht gewesen, von einer unabhängigen Institution sämtliche eingefrorene Proben untersuchen zu lassen.

Bislang wurden mehr als 100 positive Fälle bekannt, weitere folgen. Ein Drittel aller gedopten Athleten sind Russen, 80 Prozent aller Doper kommen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. IOC-Medizindirektor Richard Budgett kündigte am Mittwoch weitere positive Fälle aus London an. In diesem Jahr wurden bisher rund 50 Medaillen aberkannt und neu vergeben. Diese Zahl wird sich mit Vorlage des McLaren-Reports in Kürze erhöhen. Nun geht es um Sotschi.

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