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Das Olympische Bildungsmagazin

live aus Rio (2), IOC watching: Bachs olympischer Einheitsparteitag

BARRA DA TIJUCA. Moin, moin. Ich melde mich heute ab etwa 9 Uhr von der 129. Vollversammlung des IOC im Convention Center des Windsor Oceanico. Schaun mer mal, wie das IOC, wie die IOC Propaganda diese historische Krise der Bewegung weiter umdeutet, nicht bemerkt oder mindestens gewaltig relativiert. Über den IOC-Präsidenten Thomas Bach und seine Versuche, Realitäten zu zwingen, machen sich im Grunde sogar schon die Insiderdienste der Bewegung lustig.

Was steht an auf der IOC-Session?

Als erstes hat es mir heute auf meiner Twitter-Timeline eine Bemerkung eines Sportfunktionärs aus der zweiten Reihe gespült: Ingo Weiss, seit Jahrhunderten Chef der Deutschen Sportjugend (DSJ), Mitglied des DOSB-Präsidiums, Schatzmeister des Basketball-Weltverbandes FIBA und Präsident des Deutschen Basketball-Bundes (DBB), bemerkt also nichts von Problemen des olympischen Sports?

Ich glaube nicht, dass wir in einer Krise des Weltsports sind. Viele wollen den Sport in eine Krise reden. Beispielsweise im Fußball: Man hört nichts mehr davon. Ich sehe den Sport sehr gut aufgestellt. Es wird sehr schnell das Negative, mehr als das Positive, berichtet. Krisen werden oft herbeigeredet.

… sagt Weiss im Interview mit den Westfälischen Nachrichten. Er ist schon ein echter Scherzkeks, der Ingo. Dachte immer, er sei Münsteraner und wenigstens gut geerdet. So kann man sich täuschen. Das wird noch lustig dieser Tage, wenn andere DOSB-Granden wie der tollpatschige Präsident Alfons Hörmann ihre Wortgirlanden winden, die so absurd konstruiert sein werden, dass sie selbst kaum folgen können.

Apropos, hier ist nochmal der Entwurf eines grandiosen DOSB-Konzeptes für das kommende Jahrzehnt, das sogenannte Strategiepapier „DOSB 2020“, das ich vergangene Woche ausführlich vorgestellt habe und über das nun die Kollegen des SID berichten. Schauen Sie ruhig mal rein …

… so viel geballte Weisheit von Hörmann, Vesper, Weiss & Co. wird Ihnen die Luft nehmen:

08.10 Uhr: Bis gleich aus dem Windsor Oceanico. Ich werde im Laufe des Tages einen größeren Text über die Finanzen des IOC, der Bewegung und Rio 2016 mit zahlreichen Statistiken hinter die Paywall stellen. Dafür gibt es den Rio-Pass, den Jahrespass oder ein Tagesticket.

Bis dahin versuche ich ein sehr irdisches Problem zu lösen und – meinen Koffer zu öffnen. Irgendein Witzbold hat unterwegs das Zahlenschloss mit einem Code verschlossen, der mir unbekannt ist. Mein Gastgeber hier in Rio hat mir schon mal seinen Werkzeugkasten hingestellt, mal sehen, ob ich das Ding zerstören muss. Fürchte auch, dass mich der Inhalt des Koffers überrascht, denn warum sollte jemand einfach nur am Schloss basteln, wenn er nicht im Koffer nachgeschaut und eventuell einen Teil meiner Technik geklaut hat? Fragen über Fragen. Auch darüber demächst mehr in diesem Theater.

08.35 Uhr: Operation gelungen. Zehn Minuten mit der Säge, schon war das Schloss geknackt und das Köfferchen ist weiter verwendbar. Inhalt weitgehend unversehrt, mal schauen, jetzt ist anderes wichtiger.

10.32 Uhr: Es geht schon eine Weile um die letzten Wochen, das staatliche Russendoping und die Entscheidungen des IOC-Exekutivkomitees. Etliche Redner, zuletzt Guy Drut (Frankreich) und Prinz Albert haben von einer außerordentlichen IOC-Session gesprochen. Die Einheit der Bewegung ist das große Thema.

Nun Angela Ruggiero, die neue Chefin der Athletenkommission, die Claudia Bokel ablöst und turnusmäßig in das IOC-Exekutivkomitee aufrückt. Inhaltlich nichts weiter, Bokel hatte zuvor schon Stellung bezogen. Während ihrer Rede stand ich noch im Stau.

Denis Oswald (Schweiz), der von Bach gerade zu einem neuen Doping-Kommissionschef ernannt wurde und an der Aufarbeitung des Russen-Dopings mitwirken soll. Oswald, langjähriger Präsident des Ruder-Weltverbandes, kommt mit juristischen Erwägungen.

Camiel Eurlings (Niederlande), ehemaliger KLM-Boss, lobt zunächst mal Bach. Hinter ihm sitzt übrigens Witali Smirnow, wunderbar, Chef der neuen Putin’schen Antidoping-Kommission. Fällt mir noch relativ schwer, in den dominierenden Zustimmungen die feinen Untertöne zu filtern. Muss mich erst wieder an die Sprache und an die Bedingungen gewöhnen.

Scheich Ahmad hat inhaltlich wie immer eigentlich nichts beizutragen, er pflichtet nur Bach bei, spricht von „Leadership“, der Einheit der Bewegung und davon, dem Druck der Medien standzuhalten. Der Scheich hat keine Hemmungen, über olympische Ideale und Fairplay und derlei Hokuspokus zu fabulieren. 1.000 Fragen habe man an die WADA, zum Ablauf der Ereignisse – und ist natürlich traurig darüber, dass viele saubere russische Sportler nicht in Rio dabei sein dürfen.

10.53 Uhr: Nochmal, leider fehlt mir ein Stückchen vom Film, aber das hole ich auf.

Yang Yang aus China gerade, ebenfalls Athletenvertreterin, turnusgemäß noch bis 2018 in PyeongChang Mitglied. Gleich Larry Probst III (USA), der USOC-Präsident, der an den sogenannten Olympic Summits von Bach teilnehmen darf. Interessant sein Move: Erinnert daran, dass es ein weltweites und nicht nur ein russisches Dopingproblem gibt. Nun ja, nichts Neues, aber aus seinem Mund eine kleine Botschaft an das Völkchen, das doch in Teilen eine Verschwörung der Amerikaner wittert, zumal die USADA in der Kritik an Russland eine gewisse Führungsrolle eingenommen hat, befördert durch amerikanische Medien.

Piere-Oliver Beckers (Belgien) spricht im Joseph-Blatter-Stil darüber, dass das Schiff jetzt erstmal in den sicheren Hafen gesteuert wird, von einem erfahrenen, coolen Steuermann/Kapitän. All that jazz.

Wir haben kürzlich 10 Millionen Dollar für die Dopingbekämpfung bereit gestellt. Ich denke, wir sollten da noch eine Null dranhängen.

Das ist mal ein Wort.

Nun Nenad Lalovic (Serbien, Präsident der UWW). Mit schwerer Schulterverletzung übrigens. Was ist denn da passiert? Haben ihn die Russen aufs Kreuz gelegt?

Einige Passagen aus Bachs Ausführungen zuvor:

Justice has to be independent from politics.

Whoever responds to a violation of the law with another violation of the law is destroying justice.

McLaren Report „very serious, in particular with regards to a system of doping allegedly orchestrated by the Russian Ministry of Sport.

If proven true, such a contemptuous system of doping is an unprecedented attack on the integrity of sport and on the Olympic Games.

The Russian side has not been heard yet.“

Habe mich da mal bei Insidethegames bedient. Interessant war dort gerade ein Beitrag von Nick Butler, der auf Bachs Move abhebt, die WADA hauptverantwortlich zu machen für die gigantische Misere. Einerseits stimmt das ja, andererseits ist es Propaganda, weil WADA-Führung und IOC bzw IOC-Führung in Teilen ja identisch sind.

The IOC is not responsible for the timing of the McLaren report,” the German said at his press conference (Sonntag in Rio/JW). “The IOC is not responsible for the fact that different information which was offered to WADA already a couple of years ago was not followed up.

„The IOC is not responsible for the accreditation or supervision of anti-doping laboratories. So therefore the IOC cannot be made responsible either for the timing or the reasons of these incidents we have to face now and which we are addressing and have to address now just a couple of days before the Olympic Games.“

There is an element of truth to this, and WADA certainly did make mistakes in following up on Russian doping allegations. But this slow response was partly due to the IOCs reluctance to encourage any criticism of Sochi 2014. Take their alleged pressure on the WADA Independent Observers to conclude positively, for instance.

And, in the last two years, WADA have certainly bucked-up their ideas. They have conducted thorough and destructive investigations into the allegations and, arguably unlike the IOC, have prioritised finding the truth over worrying about the fallout.

Insidethegames, sonst hart auf Linie und wirtschaftlich zahlreichen Verbänden und Institutionen der olympischen Familie verbunden, überraschte zuletzt regelmäßig mit scharfen Analysen.

Die WADA hatte nach Bachs Pressekonferenz am Sonntag am gestrigen Montag erklärt:

WADA Statement clarifies timing of McLaren Investigation Report and states facts related to investigations into Russian matters

José Perurena (Spanien, Präsident des Kanu-Weltverbandes ICF) geht auf die Fälle der Russen ein, die im McLaren-Report genannt sind. In der Schnelle konnte ich das nicht korrekt aufnehmen.

Nun Bach nochmal. Erst warten auf „the full facts“ im erweiterten McLaren-Bericht und seiner neuen Kommission. Also lange nach Rio. Dann analysieren, Maßnahmen ergreifen etc pp. Er hat nichts gegen eine außerordentliche Session, sagt er, und wie er es sagt, klingt es, als möge er die Idee nicht. Denn: Das ist ja nicht unser Ding. WADA müsse das tun, WADA sei schließlich der „independent leader“ des Antidoping-Systems.

Routinierte, vollbürokratische Abhandlung von Bach. „United and determined“ in the fight against doping.

Do you support the decision(s) of the IOC Executive Board and the declaration of the Olympic Summit?

(Im Grunde sind das seit Mitte Juni drei Beschlüsse/Erklärungen des Exko gewesen, sind oben allesamt verlinkt, wer nachlesen möchte.)

Bach lässt per Handzeichen abstimmen. Zählt eine Gegenstimme – habe nicht gesehen, wer es war. Große Unruhe hier unter den Journalisten, die in einem separaten Raum auf einer anderen Etage den Spaß an TV-Bildschirmen verfolgen.

Damit hat er auch seinen Olympic Summit institutionalisiert. Aber das ist momentan natürlich nicht der wichtigste Sachverhalt.

Die einzige Gegenstimme kam von Adam Pengilly, Athletenvertreter, der sich zuletzt in zahlreichen Medien sehr kritisch geäußert hatte.

12.44 Uhr: Roll call. 85 von momentan 90 Mitgliedern anwesend. Einer suspendiert: Moon Dae Sung (Korea). 5 entschuldigt: Danka Bartekova (Slowakei), Lee Kun Hee (Samsung), Nat Indrapana (Thailand), Mounir Sabet (Ägypten), Schwager von Mubarak, auch so ein Pflegefall, der längst ausgeschlossen gehört.

13.34 Uhr: Absurdes Theater gerade in der oberen Etage, wo die IOC-Mitglieder zum Mittagessen eilten. Die Medien-Hundertschaft durfte für eine Viertelstunde hoch und den Weg der Herrschaften säumen. Die meisten sind vorbei geeilt, wie etwa der Scheich und einige Russen. Smirnow hatte zuvor schon einige Fragen auf Russisch beantwortet, wohl auch oder allein von/bei Hajo Seppelt, obwohl er vorzüglich Englisch spricht. Schukow hat danach nur mit russischen Reportern geredet, zwei von denen sind bei TASS und sehen verdächtig sportlich aus. Tarpischtschew und Popow sind wortlos verschwunden. Pound wurde belagert wie keiner sonst und hat lange geredet – wie immer. Selbst Pengilly, von dem die einzige Gegenstimme kam, mochte nicht Stellung beziehen. Mehr dazu später.

15.46 Uhr: Langer Bericht von Christophe de Kepper, Generaldirektor des IOC, zur Implementierung der sogenannten Agenda 2020. Auf Marketing- und Finanzberichte gehe ich gesondert ein.

Die Agenda 2020 ist sein Kindlein, also bedankt sich Bach für den „wirklich beeindruckenden Bericht“.

16.12 Uhr: Alexander Schukow muss nicht nochmal antreten. Sein Bericht der Koordinierungskommission für Peking 2022 wird nur zu den Akten genommen. Schukow immer schön aus der Schusslinie nehmen.

Eigentlich sollte Uğur Erdener noch über die Olympischen Jugendspiele reden. Doch der sitzt, so Bach, offenbar gemeinsam mit Claudia Bokel und Juan Antonio Samaranch jr. und entscheidet über die Zulassung der russischen Athleten.

16.15 Uhr: Olympic Channel, ein 500-Millionen-Projekt. Der Channel wird am 21. August gelauncht, dem Schlusstag der Spiele. 91 Personen arbeiten bereits für die verschiedenen Firmen – wer sich bewerben möchte, hier gibt es Stellenausschreibungen. Der Grieche Yiannis Exarchos und IOC-Marketingdirektor Timo Lumme erstatten Bericht.

Exarchos spricht viel über ein „Portfolio of Content“, dazu gehören viele nette Filme, was die Spiele Rio bringen und was Rio mit den Spielen der Welt präsentiert. Natürlich ist Exarchos kein Journalist, aber darum geht es ja nicht, sondern ein Marketingmann, er hat sein Produkt zu verkaufen. Sollte sich der Channel am Ende nur darin erschöpfen, wäre das ein bisschen wenig. Anderseits: Indien, China, andere Teile Asiens und die arabischen Länder (auch wieder Asien) – das sind die Märkte, wo ohnehin bis vorerst 2022 fast alle Mega-Events stattfinden. „Carry the brand“, „carry the inspiration“, sagt Exarchos.

Russland 2018, Katar 2022 (Fußball), PyeongChang 2018 (Winterspiele), Tokio 2020 (Sommerspiele), Peking 2022 (Winterspiele), eventuell die Fußball-WM 2026 in China.

Worum es konzeptionell beim Channel geht, habe ich vor einem Jahr auf der Session aus Kuala Lumpur (zum Beispiel in diesem Beitrag über den Auftritt von Martin Sorrell) und schon im IOC-Ebook „Macht, Moneten, Marionetten“ skizziert.

Lumme spricht viel über die TV-Partner des IOC, die gewiss alles unternehmen, um den Ansatz zu promoten, er spricht auch über „branded blogs“, dieser hier ist damit gewiss nicht gemeint.

The heart of the olympic world is with us.

Please share it on social media. Please retweet. Please propagate!

The can be the biggest social media eco-system in the world.“

Lumme noch fokussierter als Exarchos, der mehr die technische Seite vertritt, auf: brand, money, TOP-Partners. Klar. Das Flüchtings-Team, das heute morgen mit Tamtam vorgestellt wurde, ist zentraler Bestandteil dieser Propaganda, macht Exarchos deutlich.

Slides von Exarchos und Lumme, Reihenfolge egal, nur um einen Eindruck zu vermitteln zur Herangehensweise:

This is about relation of the youth of the world with the athletes. August 21st is really the start of a journey.“

Virtual Reality-Produktionen schon in Rio: Eröffnungsfeier und täglich ein Wettbewerb. Großer Test. 16 TV-Partner dabei. Soll jeweils einen Tag später online gehen.

17.32 Uhr: Zum Abschluss des ersten Tages noch einmal Craig Reedie mit dem Bericht der WADA. Liebe Leute, auch wenn schon tausend Mal gesagt: Schon diese Konstellation, dass der Noch-IOC-Vizepräsident Reedie als Präsident der WADA vor der IOC-Session einen Bericht über die WADA-Tätigkeit abgibt, straft Bachs heute erneut fabulierten Bemerkungen von der totalen Unabhängigkeit der WADA Lügen.

Reedie sagt, die WADA sei erst seit August 2015 juristisch in der Lage gewesen, umfassende eigene Ermittlungen anzustellen. Unterstreicht erneut die historische Schwere der Vergehen und der Ermittlungsergebnisse in den verschiedenen Berichten (Pound I und II, MacLaren).

Während der Diskussion heute Morgen habe er den Eindruck gemacht, dass Antidoping-System sei komplett zerstört. Dem will er widersprechen, sagt deshalb, nur Teile des Systems seien kaputt und müssten neu aufgebaut werden.

Spricht dann über eine nötige neue Kultur in Russland und lobt gleichzeitig die vom KGB-Mann Witali Smirnow auf Putins Geheiß geleitete angebliche Anti-Dopingkommission in Russland.

Da passt, logischer Weise, weiterhin vieles nicht.

Erwähnt kurz die Finanzen – Details stehen bereits oben in den Slides, die ich mit anbiete. 450.000 von Regierungen für WADA-Ermittlungen. Natürlich lächerlich. Am Morgen hatte Beckers vorgeschlagen, das IOC solle 100 Millionen bereitstellen.

Prinzessin Anne spricht einen wichtigen Aspekt an. Sie sagt, dass sich alles auf die Sportler und die Bestrafung der Doper konzentriert. Wen aus dem Antidoping-Umfeld (Labore, s. Sotschi 2014 etc) aber kontrolliert und bestraft man wie?

Der Nordkoreaner Chung nennt Richard McLaren „unseren Sherlock Holmes“, das ist aber nicht positiv gemeint.

18.10 Uhr: Die Süddeutsche Zeitung druckt am Mittwoch ein Interview von Thomas Kistner mit Richard Pound. Vorab auf SZ.de dazu einige Details.

Der langjährige Vizepräsident und heutige Alterspräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Richard Pound, hat IOC-Präsident Thomas Bach diskrete Absprachen im Umgang mit der russischen Staatsdoping-Affäre vorgeworfen.

Es sehe so aus, „als sei alles schon vor der Exekutivsitzung aufgestellt worden“, sagte Pound (…) Die Sitzung „fing Sonntagmorgen gegen 10 Uhr an und endete gegen 13 Uhr. Und wenig später wurden bereits sehr präzise, juristisch saubere 13 Seiten dazu vorgelegt“, wundert sich Pound. War das entsprechende Dossier längst vorbereitet? Dazu Pound vieldeutig: „Wäre eine Möglichkeit.“

Die Versuche des IOC-Präsidenten Bach, das Votum gegen einen Total-Ausschluss Russlands zu begründen, überzeugen den 74-jährigen Pound nicht: „Je mehr das IOC die Entscheidung zu erklären versucht, die es da getroffen hat, umso konfuser wird alles.“

Über den Stepanowa-Ausschluss war Pound geschockt.

18.13 Uhr: Bach hat den ersten Tag der Session beendet. Am Mittwoch wird es länger gehen. Am Mittwoch werde ich sehr wahrscheinlich zuerst von der Auftakt-Pressekonferenz des DOSB und erst danach weiter vom IOC berichten. Heute Abend geht es hier sporadisch weiter, bin gewiss bis weit nach Mitternacht im Hauptpressezentrum (MPC) aktiv.

18.27 Uhr: Kurze PK mit Craig Reedie. Er verweist auf die IOC-Erklärung, die ich ganz übersehen habe, flink komplett reinkopiert:

IOC SESSION REAFFIRMS RESPONSE TO RUSSIA DOPING CASE

IN OPENING REMARKS TO THE IOC SESSION TODAY, IOC PRESIDENT THOMAS BACH CALLED ON RUSSIA TO “LIVE UP TO ITS COMMITMENT OF A COMPLETE AND COMPREHENSIVE RESTRUCTURING OF ITS ANTI-DOPING SYSTEM” BUT REJECTED CALLS FOR A TOTAL BAN ON RUSSIAN ATHLETES.

“This blanket ban of the Russian Olympic Committee has been called by some the ‘nuclear option,’ and the innocent athletes would have to be considered as ‘collateral damage,’” he said. “Leaving aside that such a comparison is completely out of any proportion when it comes to the rules of sport, let us just for a moment consider the consequences of a ‘nuclear option.’ The result is death and devastation. This is not what the Olympic Movement stands for.”

The IOC President continued, “The Olympic Movement stands for life and the construction of a better future. This vision of a better future for and through sport is what needs to guide us. This vision includes a more robust and efficient worldwide anti-doping system.”

Responding to a report citing evidence of state-sanctioned doping in Russia, the IOC Executive Board unanimously agreed on 24 July to establish strict screening criteria for Russian athletes seeking to compete at the Olympic Games Rio 2016. The policy eliminated the presumption of innocence and instead requires Russian athletes to prove that they have not violated anti-doping rules.

President Bach said the outcome forces Russian athletes to “bear the collective responsibility for the alleged failures of the government,” but gives them an opportunity to demonstrate their individual innocence.

“With this respect for individual justice, we also send a positive message to clean athletes in Russia: you can be successful outside such a system. If you are clean, you are respected and rewarded. You can follow and you must follow your Olympic dream as a clean athlete,” he said.

The IOC President urged IOC members to unite behind an effort to further strengthen efforts to protect clean athletes.

“Engagement, not isolation, is the key, to build a functioning and more robust world-anti doping system. If we all contribute in this spirit then this painful situation can become a moment of catharsis in the fight against doping,” he said.

The IOC Session overwhelmingly expressed its support for the IOC Executive Board’s decision on 24 July concerning the participation of Russian athletes in the Olympic Games Rio 2016 by a show of hands, with just one member signaling opposition. The same vote also reaffirmed the principles behind the Declaration that resulted from the Olympic Summit on 21 June.

Fragen an Reedie.

Jemand (habe es nicht mitbekommen) Bachs argentinischer IOC-Gefolgsmann Gerardo Werthein hatte auf der Session gesagt, WADA sei zuletzt mehr an Schlagzeilen interessiert gewesen. Reedie: Habe mit ihm während der Mittagspause gesprochen – wir bleiben Freunde.

Wiederholt, was er vorhin ausführte, was teilweise auch in den Slides steht: 2010 war die WADA damit überfordert, mit den Informationen von Witali Stepanow umzugehen. Juristisch saubere Ermittlungen habe man erst seit Sommer 2015 führen können.

Ben Rumsby, Daily Telegraph, sagt, das IOC habe die WADA unter den Bus gestoßen. Fühle mich nicht so, sagt Reedie, sondern nur als derjenige, der für die Aufarbeitung zuständig ist. Wie viel Geld die WADA wirklich braucht? Er nennt keine Zahl. Das derzeitige Finanzierungsmodell ist schwer zu ändern, sagt er. Von Beginn an 50:50 zwischen Regierungen und IOC, wobei die Regierungen immer im Rückstand sind (ein Fakt).

Ihm werden weiter verschiedene Kritiken aus der Session vorgehalten. Kann das nicht alles wiedergeben. Manches retourniert er souverän, etwa eine Anmerkung von Austin Sealy (Barbados): „Er hat mich Sir Phillip genannt, hat offenbar jemanden anders gemeint, kann mich auch nicht an das erwähnte Meeting erinnern.“

Nahezu jeder Satz dokumentiert die Grabenkämpfe im IOC, in der olympischen Familie. Selten so erlebt. Vielleicht noch nie – beginne darüber nachzudenken.

Reedie spricht seinerseits über „lack of understanding what WADA is“ – im IOC.

Für seinen größten Frust sorge die schiere Dimension des Betruges in Russland. Der Druck auf die WADA, auf die Fachverbände und das IOC sei extrem groß. Politische Verwicklungen kommen aus anderer Richtung, nicht von der WADA.

WADA-Empfehlungen wurden auf der Session als Nuklearbombe bezeichnet. Reedie weicht aus. Welcher Teil des Antidoping-Systems sei zerstört/kaputt? Reedie nennt die Labore und deren Kontrolle. „Sogar als die Pound-Kommission in Moskau war, hat die Verbindung zwischen dem russischen Sportministerium und dem Labor noch funktioniert.“

Jetzt bitte mal eine einfache Frage, scherzt Reedie.

Die kommt aber nicht.

20.30 Uhr: Gut, wenn man Notizen im eigenen Blog mit Uhrzeiten versieht. Warum? Vom IOC-Hotel bis jetzt, da ich im Hauptpressezentrum weiter arbeite, habe ich mehr als 90 Minuten gebraucht. Einfach so. Ohne Olympia-Stau, sondern nur im normalen Dickicht an einem Dienstagabend. Darauf muss ich mich schleunigst einstellen. Am besten wäre natürlich: gar nicht erst bewegen, vom Bett aus arbeiten, mit TV und Internet. Ist aber nicht wirklich eine Option.

Es gibt hier kein Leitsystem, es gibt kaum Hinweisschilder, keine Schulung für Taxifahrer, gar nichts. Das wird noch sehr lustig. Oder tragisch, denn ganz ehrlich, ich habe schon viele Stahlrohrtribünen und Fußgängerbrücken gesehen, auf die ich mich nicht begeben werde, da brauchte es nicht die Warnungen meiner brasilianischen Freunde. Ist ja auch kein Witz, dass eines der olympischen Vorzeigeprojekte, der Radweg an der Küste entlang, vor einigen Wochen an einer Stelle einstürzte und Menschen in den Tod riss. Das ist keine Panikmache, sondern die Wahrheit.

Morgen mehr in diesem Theater.

8 Gedanken zu „live aus Rio (2), IOC watching: Bachs olympischer Einheitsparteitag“

  1. Der „größere Text über die Finanzen des IOC, der Bewegung und Rio 2016“ ist noch nicht online oder finde ich den nur nicht? So oder so vielen Dankl für die fundierte Berichterstattung!

  2. Muss noch geschrieben werden. Wird die letzte Ankündigung derart gewesen sein, ich sollte das lassen, zumal: habe mich auch noch nicht daran gewöhnt, dass Deutschland fünf Stunden weiter ist und das, was ich gegen Mitternacht hier eventuell schreibe, daheim erst am nächsten Morgen konsumiert wird. Den Beitrag wird es aber geben, in den nächsten Stunden geht anderes vor. Momentan stehe ich seit einer halben Stunde mit dem Taxi im Stau. Katastrophe, jeder weiß das, und dabei ist noch kein Olympiaverkehr. Auch das will besser eingeplant werden. Nur: im Taxi oder Bus lassen sich Notizen machen, Mails schreiben oder derlei Kommentare – aber kein vernünftiger Beitrag mit vielen Statistiken wie der, den ich vorhabe.

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