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Das Olympische Bildungsmagazin

Propagandamaschine: das IOC und Putin und die Einheit von Sport und Politik

Sport hat nichts mit Politik zu tun. Nicht in Russland. (Fotoquelle: President of Russia)

Sport hat nichts mit Politik zu tun. Nicht in Russland. (Fotoquelle: President of Russia)

Die Namen der beiden politisch Hauptverantwortlichen für das gigantische, kriminelle Dopingbetrugssystem des russischen Sports (inklusive des Betruges an vielen tausend Athleten aus aller Welt) tauchen insgesamt nur drei Mal im eher vorläufigen Untersuchungsbericht von Richard McLaren auf.

Wladimir Putin und Dmitri Medwedew.

Präsident und Ministerpräsident.

In jener Zeit, da das nun zusammengebrochene System ersonnen und in Auftrag gegeben wurde, war – Rollentausch – der eine Ministerpräsident und der andere Präsident. Macht es einen Unterschied?

Putin und Medwedew also. Jene Männer, die seit gestern Entlassungen „der Verantwortlichen“ versprechen und vornehmen und die Justiz beauftragen. Die jüngste „Meldung“ dazu: Medwedew sagt, Sportminister Witali Mutko werde im Amt bleiben.

Der Reihe nach.

2007 hatte Putin in Guatemala unter höchst dubiosen Umständen auf der IOC-Session die Winterspiele 2014 nach Sotschi geholt. Damals war Putin Präsident.

Im Jahr 2008, das wird im McLaren-Bericht erwähnt, machte Medwedew, nun russischer Präsident, auf Putins Geheiß, obwohl der formal nur Ministerpräsident war, dessen St. Petersburger Gefolgsmann Mutko zum Sportminister.

Im Frühjahr 2010, nach dem für Russland desaströsen Abschneiden bei den Winterspielen in Vancouver, wurde NOK-Präsident Leonid Tjagatschow (KGB-Agent IM Elbrus) entlassen. Medwedew und Putin setzten Alexander Schukow aus der Putin-Partei als NOK-Chef ein – Schukow ist seit 2013 auch IOC-Mitglied. Außerdem wurden fast die kompletten Verbandsführungen ersetzt, an die Spitze der Fachverbände gelangten fast durchweg Putin-treue Oligarchen und Politiker. Medwedew schwor die Knechte in der Sportführung, NOK und Verbände und Ministerium, auf die neue Linie ein. Wenn Sie den hier gesetzten Links folgen, gelangen Sie zu zahlreichen Reden, Dokumenten, Videos und können sich gern ein Bild davon machen.

Medwedew dekretierte den versammelten Sportführern zum Beispiel im März 2010 in Sotschi:

The level of medical, biological and scientific support for the teams plays a crucial part in this respect but we only began using this comprehensive approach in our team’s training last year, and we may as well not hide the fact that it is not yet implemented in full. The task therefore is to dramatically change this situation drawing on the most advanced international experience in this area.

Mission accomplished.

Vier Jahre später gab es Medaillen und Orden.

Foto: President of Russia

Foto: President of Russia

Diese Vorgänge im Jahr 2010 werden im McLaren-Report nicht erwähnt. Da McLaren keinen politischen Bericht geschrieben hat, ist das okay, diese Details sind aber wichtig für den Gesamtzusammenhang.

McLaren hält allerdings fest, dass Putin nach den Vancouver-Spielen per Dekret Juri Nagornich als Stellvertreter des Sportministers Mutko einsetzte. Jenen Nagornich, der die Dopingmaßnahmen koordinierte und nun von Medwedew suspendiert wurde. Nagornich war (und ist es bis heute) natürlich Mitglied des NOK (ROC) Exekutivkomitees.

Müßig zu erwähnen, dass sich Putin gestern wieder über die Vermischung von Sport und Politik beklagte?

Es ist sinnlos, jede Lüge, Finte und Blähung als vermeintliche Nachricht zu vermelden, die in diesen Stunden aus Moskau kommt (und das mit Hilfe einiger der teuersten PR-Agenturen und Wahrheitsfälschern des Planeten).

Worauf ich gerade in diesen Stunden, unmittelbar vor der Krisenberatung des IOC-Exekutivkomitees, hinaus will: Die lupenreine Propaganda, die Putin gerade (wieder) betreibt, deckt sich in weiten Teilen mit Äußerungen führender Funktionäre des olympischen Weltsports, die im Übrigen allesamt der Putin-Fraktion und damit auch dem amtierenden IOC-Präsidenten Thomas Bach nahe stehen. Das ist sehr höflich formuliert: „nahe stehen“.

Über fast alle dieser mitunter obskuren Figuren finden Sie hier im Blog viele Geschichten und Fakten. Eine unvollständige Liste, ich habe gestern und vorgestern in zwei Beiträgen deren Darstellungen teilweise ausführlich wiedergegeben:

  • Patrick Hickey (Irland), zu Privatgeschäften neigendes IOC-Exekutivmitglied als ANOC-Vertreter, EOC-Präsident, Freund der NOK-Präsidenten Alexander Lukaschenko und Ílham Alijew, mit dem er das korrupte Projekt der European Games durchboxte. Nun will Hickey die zweiten European Games 2019 in Russland austragen.
  • Julio César Maglione (Uruguay), Präsident des Schwimm-Weltverbandes FINA und der amerikanischen Olympiaorganisation PASO, bis 2015 IOC-Mitglied (ausgeschieden aus Altersgründen), der wegen diverser undurchsichtiger Doping-Deals mit den Russen selbst im Focus der Ermittlungen steht. Maglione ehrte Putin schon 2014 mit dem höchsten FINA-Orden, weil Putins Engagement im Sport „die Brüderlichkeit zwischen Nationen“ im „Geiste von Frieden und Freundschaft“ stärke. Maglione war vergangene Woche zu Krisensitzungen in Moskau.
  • Nenad Lalovic (Serbien), als Präsident des Ringer-Weltverbandes UWW (früher FILA) und Retter des olympischen Ringens (in einer historischen Aktion gemeinsam mit Abgesandten von Putin und Obama) extrem von den Russen gestützt. Seit 2015 ist Lalovic auch IOC-Mitglied und sitzt im Foundation Board der WADA. Seine Tochter, daraus macht Lalovic, der stets geradeaus agiert, überhaupt kein Geheimnis, ist in Belgrad als Gazprom-Managerin tätig.
  • Bruno Grandi (Italien), der greise Präsident des Turn-Weltverbandes FIG, traditionell eine russische Domäne. Grandi, nun 82, war bis vor zwei Jahren IOC-Mitglied.
  • René Fasel (Schweiz), als Ewig-Präsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF quasi ein Halbrusse. IOC-Mitglied und als Chef der Vereinigung der Wintersportverbände AOIWF Mitglied des IOC-Exekutivkomitees.
  • Marius Vizer (Österreich, eigentlich Rumänien, das ist auch eine interessante Geschichte), Präsident des Judo-Weltverbandes IJF und seit langem mit dem Judoka Putin befreundet, den er erst zum Ehrenpräsidenten des Europaverbandes und später, nachdem Putin bei Vizers Aufstieg zum Weltverbandschef geholfen hatte (initiiert wurde die Kampagne bei einem Meeting in? … Sotschi, natürlich), auch zum Ehrenpräsidenten der IJF. Bei der zwischenzeitlichen Wahl von Vizer zum Boss der Vereinigung aller Sportweltverbände (SportAccord) in Putins Heimatstadt St. Petersburg deichselten die russischen Gastgeber ebenfalls am Resultat.

Ich setzte die Aufzählung gewiss mal fort.

Nun möchte ich die beiden Stränge (Olympiabusiness; Russlands Sportpolitik, die man kaum noch als Soft Power bezeichnen kann) zusammen bringen und hoffe, Ihnen damit bei der Einschätzung der Lage einen Kompass geben zu können.

Ich denke, diese Elemente sind mindestens ebenso wichtig, bei der Entscheidungsfindung in diesen Stunden wahrscheinlich sogar wichtiger als die Fakten, die McLaren (und zuvor andere) zusammengetragen haben. Denn in der olympischen Parallelgesellschaft dominieren selten die Fakten, vielmehr olympische Ideologie gepaart in diesem Falle mit Putin’scher Propaganda.

Die Analyse vor der Beratung des IOC-Exekutivkomitees:

In der sogenannten olympischen Familie hat sich die Stimmung schon oft über Nacht gedreht. Die Regeln und Mechanismen in dieser Parallelgesellschaft bleiben mitunter unergründlich – sogar in diesem nerdigen Blog. Aber eine Erkenntnis darf als gesichert gelten: In Krisenzeiten schart sich das IOC-Völkchen um seinen Hirten. Dafür gibt es viele große Beispiele. Es geht immer darum, die „Bewegung“ zu retten. Die Entscheidungen werden (noch) irrationaler.

Und kaum jemand weiß die Klaviatur der olympischen Ideologie und Befindlichkeiten besser zu spielen als Thomas Bach, der ehemalige Industrielobbyist, der Strippenzieher, der FPD-Mann aus der Grauzone von Sport, Wirtschaft und Politik, der Freund von Wladimir Putin. Bach ist der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und damit der Oberhirte dieses bizarren Völkchens. Bach hat das in der DNA.

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des McLaren-Reports, unmittelbar vor der Telefonkonferenz der IOC-Führung heute Mittag, fragen sich all jene Familienmitglieder, die einen Olympia-Ausschluss des russischen NOK für die Sommerspiele im August in Rio de Janeiro befürworten, wie Thomas Bach das Ruder noch herumreißen will. Kann er das überhaupt oder wird er sich der Last der Fakten beugen? Fakt ist: Bach ist alles zuzutrauen. Dass er doch noch ein Schlupfloch für Russland oder wenigstens große Teile des geplanten Olympiateams findet, würde ihm eher entsprechen als dass er seine russischen Kameraden, die ihn entscheidend mit ins Amt gehievt haben, kollektiv bestraft.

Gut möglich, dass am Donnerstag der Welt-Sportgerichtshof CAS, als dessen Präsident ein anderer wichtiger Bach-Parteigänger fungiert, der australische IOC-Vizepräsident John Coates, zugunsten der Einsprüche russischer Leichtathleten entscheidet, die sich schon vor Wochen gegen ihre Olympiasperre durch den Weltverband IAAF gewehrt haben. Jener Coates übrigens, der einst in der Nacht vor der Wahl Sydneys zur Olympiastadt 2000 zwei afrikanische IOC-Mitglieder mit Geldzahlungen, nun ja, bestochen hat. Sydney gewann 45:43 gegen Peking.

Dieser CAS ist natürlich nicht wirklich unabhängig vom IOC, auch wenn es die olympische Propaganda besagt. Wer wüsste das besser als Bach, er war selbst lange Zeit CAS-Vorstand. Neben den vielen knallharten Forderungen aus der Sportwelt (etwa des WADA-Vorstandes), das russische NOK zu sperren und maximal – wie es die IAAF exerziert hat – einige wenige Russen nach Prüfung der Einzelfälle unter neutraler Flagge teilnehmen zu lassen, gibt es andere, teilweise krude Argumente.

Zum Beispiel die Vereinigung der olympischen Sommersportarten, ASOIF genannt. In einer ersten Stellungnahme hieß es, weil McLaren in 8 von 28 olympischen Sportarten kein systematisches Doping in Russland nachweisen konnte, könne man auch keine Kollektivsperre aussprechen. Absurd, wo doch die Kommandostränge belegt sind, die ins Sportministerium und letztlich in den Kreml führen. Dumm auch deshalb, weil McLaren ausdrücklich festhält, dass alles, was er mit seinem Team an Erkenntnissen zusammengetragen hat, vor allem die Zahlen, nur jeweils Mindestangaben sind: Mindestens 20 von 28 olympischen Sommersportverbänden, mindestens sechs von sieben olympischen Wintersportverbänden, mindestens tausende vernichtete Proben, mindestens 643 zerstörte positive Proben allein zwischen 2012 und 2015. Wenigstens ist nun eines der dümmlichen Argumente von Bach eindrucksvoll widerlegt: In zahlreichen bestellten Interviews hatte er zuletzt süffisant angemerkt, ein russischer Badmintonspieler könne doch nicht für Betrug in Sotschi verantwortlich gemacht werden.

Selten so gelacht.

Was Bach in all seinen Reden allerdings vernachlässigt, ist eigentlich seine allererste Pflicht als Präsident eines milliardenschweren globalen Unternehmens: Der Betrug bei den Dopingproben der Winterspiele 2014 in Sotschi beschädigt das Kerngeschäft des IOC-Konzerns.

In der Wirtschaft, als CEO eines Multinationals, wäre Bach wahrscheinlich schon abgesetzt worden.

Der Betrug ist gigantisch. Der McLaren-Bericht präsentiert atemraubende Fakten, obwohl der Untersuchungszeitraum zu knapp bemessen war, obwohl den Ermittlern die meisten Datensätze nicht vorlagen, Zugang erschwert wurde und es natürlich grundsätzlich beinahe unmöglich ist, ein in einem totalitären Staat vom Geheimdienst gedecktes Betrugssystem aufzudecken.

Eine gewaltige Krise wie diese hat die Familie selten erlebt. Hinzu kommen weitere spektakuläre Korruptionsfälle, auch in Rio, sowie Kriminalfälle in Weltverbänden, nicht nur in der FIFA und in der IAAF, mit knallharten Ermittlungen von Justizorganen auf allen Kontinenten. Russland ist nicht irgendwer. Russland ist, dafür hat Wladimir Putin seit 2001 gesorgt, als er zum ersten Mal eine IOC-Vollversammlung in Moskau beherbergt hat, die mächtigste Sportnation dieser Dekade. Thomas Bach hat Putins Korruptionsspiele in Sotschi vor zwei Jahren als großartigen Erfolg und als „Spiele der Athleten“ gelobt. Natürlich konnte man es schon damals besser wissen, aber Bach kuschelt halt stets mit Putin und fühlt sich in dessen Nähe pudelwohl.

Putins Sport-Armada aus Berufspolitikern und Oligarchen, die über zahlreiche olympische Sportweltverbände gebieten, hat auch zahlreiche IOC-Mitglieder unter Kontrolle. Dies wurde unmittelbar vor der Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes von Richard McLaren eindrucksvoll belegt, als Bachs Prätorianer, die allesamt in russischer Abhängigkeit stehen, all jene Dopingaufklärer und gewählten Athletenvertreter wie Beckie Scott aus Kanada und Claudia Bokel aus Deutschland attackierten, die sich für einschneidende Maßnahmen aussprachen. Und genau deshalb werden die Aufklärer unruhiger schlafen als die Bewahrer des Status Quo.

Nimmt das russische NOK doch an den Rio-Spielen teil? Es bleibt ein minimales Restrisiko.

Auftritt Vladimir Putin

Die Erklärung des Kreml vom Montag, 18. Juli 2016:

Statement in response to the report by the World Anti-Doping Agency

President of Russia Vladimir Putin: Recent events and the tense atmosphere that has formed around international sport and the Olympic movement involuntarily recall the situation in the early 1980s. Back then, many Western countries, citing the deployment of Soviet troops in Afghanistan, boycotted the Moscow Olympics. Four years later, the Soviet Union retaliated by boycotting the Los Angeles Olympics, using the pretext of an allegedly insufficient level of security for the Soviet team. The result was that many Soviet and American athletes and athletes from other countries were caught up in this campaign of reciprocal boycotts and lost the chance to add their names to world sporting history. Their years of long and hard effort and training were in vain. In short, people had their dreams broken and became hostages of political confrontation. The Olympic movement found itself in a serious crisis and faced divisions within. Later, some of the political figures of that era on both sides admitted that this had been a mistake.

Ach ja, die Boykotte 1980 und 1984. Dass es andere Boykotte gab, viele sogar, wird natürlich nicht erwähnt, denn es geht nur darum, eine Verschwörung der Amerikaner gegen die Russen zu insinuieren. Bei älteren IOC-Mitgliedern wirkt das noch, keine Frage. Es wirkt auch bei Bach, denn der bundesdeutsche Boykott, der ihn 1980 an der zweiten Olympiateilnahme hinderte und gegen den er gekämpft hat, prägte sein späteres sportpolitisches Wirken. Allerdings, und darin besteht der Propaganda-Ansatz: Diese Boykottdiskussion hat nichts aber auch gar nichts mit den tausend belegten Sachverhalten zum russischen Staatsdopingsystem zu tun.

Today, we see a dangerous return to this policy of letting politics interfere with sport. Yes, this intervention takes different forms today, but the essence remains the same; to make sport an instrument for geopolitical pressure and use it to form a negative image of countries and peoples. The Olympic movement, which is a tremendous force for uniting humanity, once again could find itself on the brink of division.

Putin trifft den olympischen Ton. Das kann er so gut wie Bach. Unity, humanity, peace – aus seinem Munde ein Hohn. Während der Winterspiele 2014 wurde die Annektion der Krim vorangetrieben – um nur das zu nennen. Der größte Witz ist natürlich, dass er für die Trennung von Sport und Politik plädiert. Er hat ja sogar schon mal eine UN-Resolution dazu ins Spiel gebracht. Herrje.

Today, so-called ‘doping scandals’ are the method used, attempts to apply sanctions for detected cases of doping to all athletes, including those who are ‘clean’, supposedly to protect their interests. But unlike in the 1980s, athletes undergo very strict and comprehensive anti-doping tests during competition and during the entire training process. Over the last 6 months, all Russian athletes have undergone anti-doping tests on WADA’s recommendations, with the tests overseen by the UK Anti-Doping Agency and other anti-doping laboratories abroad.

„So called scandals“, saubere Athleten, die sich Kontrollen unterziehen. All das ist in diversen Untersuchungsberichten und zahlreichen medialen Enthüllungen ad absurdum geführt. Das Gegenteil ist belegt.

The accusations against Russia’s athletes are based on information given by one single person, an individual with a notorious reputation. Criminal charges were opened against him in 2012 for violating anti-doping laws, but there was not enough evidence against him at that moment and the case was dropped. On June 17 this year, following his allegations of involvement in using banned substances and information from Russian athletes concerning extortion, a criminal case was reopened against him in connection with the new circumstances that had come to light. One of his close relatives, who used to work under his direction, has already been convicted in Russia for illegal trade in anabolic steroids. The question arises as to how much trust we can place in arguments based solely on the allegations of people of this kind, and how much weight can such allegations have.

Klar, Rodschenkow ist ein Verbrecher und Staatsfeind Nummer eins. Klar, die Whistleblower sind Verräter. McLaren hat sich zur Glaubwürdigkeit von Rodschenkow klar geäußert. Putin erzählt Falsches, wenn er behauptet, die „Anschuldigungen“ basieren nur auf Aussagen einer Person.

The US Anti-Doping Agency (USADA) and several anti-doping agencies in other countries, without waiting for the official publication of the World Anti-Doping Agency’s commission, have hastened to demand that the entire Russian team be banned from taking part in the Rio de Janeiro Olympics.

Ehrlich gesagt, es gibt eigentlich gar keine US-amerikanische Sportpolitik. Und die Olympiabewerbung 2024 mit Los Angeles können die Amerikaner jetzt auch vergessen, nachdem erst das DOJ die FIFA auseinander nimmt und nun Putin in der USADA den Hauptverschwörer ausmacht. Noch einmal: pure Propaganda.

What is behind this haste? Is it an attempt to create the needed media atmosphere and apply pressure? We have the impression that the USADA experts had access to what is an unpublished report at the very least, and have set its tone and even its content themselves. If this is the case, one country’s national organisation is again trying to dictate its will to the entire world sports community.

Propaganda. Es soll nur eine falsche Fährte gelegt werden. Auch diese Argumentation wird aber von führenden IOC-Funktionären gierig aufgenommen. Dazu habe ich in den vorherigen beiden Blogbeiträgen zahlreiche Stellungnahmen und Fakten zusammengetragen.

The officials named in the commission’s report as directly involved will be temporarily removed from their posts until a full investigation is complete. But to be able to make a final decision on these officials’ responsibility, we ask the WADA commission to provide fuller and more objective fact-based information so that Russia’s law enforcement and investigative agencies can use it in their investigation. We can guarantee that their work will be seen through to its conclusion and that all subsequent measures will be taken in full to prevent violation of Russian law and ensure that our country fulfils its international obligations.

Darauf bin ich ganz oben bereits eingegangen: Putin (& Medwedew) ernennen Sportfunktionäre und setzen Bürokraten und Kumpane und Oligarchen im Sportsystem an die entscheidenden Positionen, viele von denen machen als Soldaten ihren Job. Und wenn was auffliegt, werden ein paar Soldaten gefeuert und notfalls in den Knast gesteckt. Wer so endet, hat Glück, denn zwei aus dem Dopingprogramm sind in den vergangenen Monaten ja auch überraschend, nun ja, verstorben.

We have always taken the clear position that there is no place for doping in sport. It endangers athletes’ health and lives and discredits fair sporting competition. We are consistent in eliminating this scourge, improve our national laws in this area, and cooperate openly with the relevant international organisations and the International Olympic Committee. We are unfailing in meeting our obligations.

Ohne Worte.

Russia is well aware of the Olympic movement’s immense significance and constructive force, and shares in full the Olympic movement’s values of mutual respect, solidarity, fairness, and the spirit of friendship and cooperation.

s.o.

This is the only way to preserve the Olympic family’s unity and ensure international sport’s development in the interest of bringing peoples and cultures closer together. Russia is open to cooperation on achieving these noble goals.

Es geht um die EINHEIT. Das wirkt, so dumm es klingt. Thomas Bach ist ein Einheitspräsident, wie sein großes Vorbild Samaranch. Was hinter diesem Begriff der „Einheit“ steht, welches Weltbild, welche Ideologie, habe ich schon oft gründlich zu beschreiben versucht.

Olympic Power Index - Russland weltweit klar vorn

In meinem IOC-Ebook „Macht, Moneten, Marionetten“, zu einem Sonderpreis erhältlich hier im Shop, habe ich mich 2014 auf 575 Seiten mit tausenden Dokumenten, Statistiken und Grafiken auch an der Erstellung eines Olympic Power Index versucht.

Die Nummer eins weltweit in dieser Mischung aus Austragung von Mega-Events, Positionierung in olympischen Führungsgremien, Sponsoring der Weltverbände und als Gastgeber von wichtigen Tagungen und Wahlkongressen – es ist natürlich Russland.

Zur Leseprobe: „Liebesgrüße aus Moskau“.

Vladimir Putin und Russlands Sportpolitik

Vorerst abschließend einige wichtige Passagen – beispielsweise aus diesem Kapitel aus „Macht. Moneten, Marionetten“ -, in denen ich versuche, wichtige Stationen der vergangenen sechzehn olympischen Jahre, die einher gehen mit Putins Herrschaft in Russland und seinem Aufstieg zum mächtigsten Player des Weltsport zu skizzieren.

  • Was beispielsweise oft vergessen wird: Gegen Ende der Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City, nachdem die Blutdoper Larissa Lasutina, Olga Danilowa (und Johann Mühlegg, der für Spanien startete) nach den ersten WADA-Zielkontrollen überhaupt enttarnt worden sind, wollte das russische Team die Spiele boykottieren. Auch Putin hat daheim mächtig gewettert, das IOC beleidigt aber schließlich eingelenkt.
  • In der jüngeren Geschichte des IOC spielen Putin, die Sowjetunion, deren Zusammenbruch Putin als die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet, und Russland eine zentrale Rolle. Die Beziehung der Samaranch-Jünger zu Russland ist geradezu mystisch verklärt. Im Säulensaal des Hauses der Gewerkschaften, wo einst Lenin und Stalin aufgebahrt waren, an denen das Volk vorbei defilierte, wurde Juan Antonio Samaranch 1980 zum IOC-Präsidenten gewählt. KP-Chef Leonid Breschnew und Russlands Sportbosse wie Marat Gramow waren Samaranch Zeit ihres Lebens dankbar, dass er für Moskau gegen einen Boykott gekämpft und sich für die Teilnahme Spaniens eingesetzt hatte. In diesem Säulensaal übergab Samaranch 21 Jahre später die Macht an Rogge auf einer Session, die unter Putins Aufsicht stand. Dort haben Thomas Bach und Scheich Ahmad Al-Sabah offenbar ihre Abmachung für die Machtübernahme nach Rogge geschmiedet – so erzählt es der Scheich.
  • Putins erste Berührung mit dem großen olympischen Sport waren 1994 die Goodwill Games in St. Petersburg. Jene Spiele, die einst Ted Turner mit der sowjetischen Staats- und Parteiführung begründete, um nach den Boykotten 1980 und 1984 gegenzusteuern. Die Goodwill Games waren Putins Projekt als Stellvertreter des Bürgermeisters Anatoli Sobtschak. Ted Turner hat seinen ersten Kontakt zu Putin oft beschrieben. Putin hatte Turner und die damalige Jane Fonda (Turner) 1993 bei einer Inspektionsreise vom Flughafen abgeholt. Es war jener Tag, an dem Putins damalige Frau Ludmilla einen lebensgefährlichen Autounfall hatte. Putin verrichtete dennoch Dienst nach Vorschrift und begleitete die Turners. Irgendwann erzählte er von dem Unglück und Turner sagte, er solle mal von seiner Pflicht lassen und unbedingt ins Krankenhaus fahren, um sich um seine Frau kümmern, er komme schon allein zurecht. Putin hat ihn Jahre später daran erinnert und gesagt, er werde ihm diese Geste nie vergessen. Die Goodwill Games waren der Auftakt zu einem größeren Projekt. Putin leitete danach die Olympiabewerbung von St. Petersburg für die Sommerspiele 2004 ein. Die Finanzen beider Events und Projekte bleiben bis heute sagenumwoben.
  • Auch die Rolle des russischen Geheimdienstes (Putin begann als KGB-Agent und leitete Ende der 1990er Jahre zeitweilig den Geheimdienst), des heutigen FSB, der in die Sotschi-Verschwörung zentral verstrickt war, in der olympischen Bewegung stellt zahlreiche Kernfragen. Eine These lautet: Es existiert Herrschaftswissen, dass die Russen jederzeit gegen zahlreiche hohe Sportfunktionäre ausspielen könnten. Das sind nicht nur alte Geschichten – sie reichen bis in diese Tage. Nicht nur Putin ist KGB-Mann, zahlreiche russische Top-Funktionäre sind Geheimdienst-Angestellte und Nomenklaturkader.
  • Zuletzt machte das Thema im Herbst 2009 Schlagzeilen, als der Historiker Juri Felschtinski gemeinsam mit dem ehemaligen KGB-Offizier Wladimir Popow im Buch „Der KGB spielt Schach“ behaupteten, Samaranch sei selbst KGB-Agent gewesen. Der KGB habe 1980 in Moskau geholfen, die IOC-Stimmen für seine Wahl zu organisieren. Samaranch gewann 44:21 gegen den Schweizer Marc Hodler. Der KGB habe sich Samaranchs Mitarbeit erpresst, nachdem man den Botschafter beim Schmuggel mit Antiquitäten, Schmuck und Gemälden erwischt habe. Samaranch sei als sowjetischer Sport-General geführt worden, behauptete Popow, der sich 1996 nach Kanada abgesetzt hatte. Für das IOC war das alles nur Spekulation. Samaranchs Vorgänger Lord Killanin hat mal gesagt: „Ich war der festen Überzeugung, dass der Posten eines IOC-Präsidenten nicht käuflich sein sollte. Es gibt eine wachsende Tendenz, und viele Gerüchte, sich Posten durch Gunstbezeugungen zu erschleichen.“ Wir wissen, dass der KGB damals mit der Stasi eine Kooperation zur Ausspähung von Sportverbänden, Adidas und ISL geschlossen hat. Wir wissen nicht, was die KGB-Akten dazu hergeben. Wir wissen nicht, ob sich Putin in seiner Zeit als FSB-Chef oder später je dafür interessiert hat. Ich will das nicht überbewerten, aber ein Schlüssel zum Verständnis der besonderen Beziehung und des besonderen Einflusses von Wladimir Putin im IOC-Business könnte durchaus in Archiven schlummern. Zur IOC-Abstimmung über die Winterspiele 2014 wollte Samaranch, damals angeblich schwer krank, im Juli 2017 erst nicht nach Guatemala kommen. Dann tauchte er plötzlich doch auf, herbei geflogen von den Russen, die Angst hatten um Sotschi, betreut von Witali Smirnow. Samaranch war neben Putin, der vor dem IOC in die Bütt ging, Sotschis größter Trumpf.

Neu: Olympia-Pass buchen! Recherche finanzieren.

Dieser Beitrag, der gestrige Live-Blog und der vorherige Text mit Exklusivmaterial sind bereits Teil meiner vorolympischen Berichterstattung. Einige Beiträge und Supplements werden nun wieder hinter einer bescheidenen Paywall verschwinden.

Ich werde vom 1. bis 21. August, in hoffentlich alter Frische und bester Tradition, in diesem Theater nahe an 24/7 aus Rio de Janeiro bloggen – wie zu vielen anderen Großereignissen und während vieler anderer Reisen.

Ich finde, das ist gerade die richtige, schwer durchschaubare Krisen-Atmosphäre für so ein Projekt.

An Ideen und Lust mangelt es nicht, ich bin in einem magischen olympischen Dreieck zwischen IOC-Hotel, Deutschem Haus und Olympiapark in Barra da Tijuca einquartiert, werde dort viel Rad fahren, die Olympia-Bosse beobachten und freue mich sogar auf das traditionelle Live-Blog von der Eröffnungsfeier im João-Havelange-Stadion und den Kollegen G neben mir. Ob die Kraft reicht, muss der olympische Geist entscheiden.

Sagen Sie es gern weiter.

5 Gedanken zu „Propagandamaschine: das IOC und Putin und die Einheit von Sport und Politik“

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