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Das Olympische Bildungsmagazin

Es bleibt alles in der FIFA-Familie (1): die Platinis

tl;dr: Der Sohn von UEFA-Präsident Michel Platini arbeitet für Katar. Platinis Schwiegersohn, der Musikproduzent Yohann Zveig, erhält Aufträge von der UEFA, der FIFA und vom DFB. Die Verbände finden das völlig in Ordnung. Allerdings gibt es einige Widersprüche in den Argumentationen. Die UEFA behauptet während meiner Recherche gar falsch, Zveig sei nicht mehr Platinis Schwiegersohn.

Diesen Beitrag habe ich für 11 Freunde gedichtet und für das Blog wie gewohnt erweitert.

* * *

In Sonntagsreden preisen Fußballfunktionäre stets die Werte der Familie. „Wir sind eine Familie“, pflegt FIFA-Präsident Joseph Blatter zu sagen. Von der „Fußballfamilie“ spricht auch UEFA-Präsident Michel Platini, der noch nicht entschieden hat, ob er im nächsten Jahr gegen Blatter für die Präsidentschaft im Weltverband FIFA kandidiert. Beim UEFA-Kongress in Almaty (Kasachstan) positionierte sich Platini vergangene Woche aber deutlich: Er sei der einzige, der Blatter schlagen könne.

Zum Phänotyp der Fußballfamilie zählt bekanntlich Nepotismus – Vetternwirtschaft. Die ungezählten Beispiele dafür füllen bereits Bücher und Gerichtsakten. Es sind viel mehr als nur die Havelanges, Texeiras und Warners, die noch immer etliche Ermittler – zum Beispiel im FBI – in Atem halten.

  • Joseph Blatter hat einen Neffen, Philippe, den er als seinen Sohn betrachtet und der in der Schweiz (in Zug) als CEO die Geschäfte des Sportmarketing-Konzerns Infront leitet. Infront makelt milliardenschwere Rechte – auch für die FIFA.
  • Michael Platini hat einen Sohn, Laurent, der in der Schweiz (in Genf) als Generalmanager des Sportartikelkonzerns Burrda Sport fungiert. Burrda ist ein Unternehmen aus dem Portfolio des Fonds Qatar Sports Investment (QSI), der unter anderem Paris St. Germain besitzt.

Über Katar, Platini Senior und Platini Junior wurde viel berichtet in den vergangenen drei Jahren, seit die WM 2022 unter skandalösen Umständen an das Emirat Katar ging. Platini hat als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees für Katar gestimmt.

  • Michel Platini hat auch einen Schwiegersohn. Platinis Tochter Marine, die sich als Schauspielerin versucht, ist mit dem Musikproduzenten Yohann Zveig verheiratet. Zveig führt in Paris die Firma Boburst Productions und war in den vergangenen Jahren als Schwiegersohn des UEFA-Präsidenten erstaunlich erfolgreich in der Fußballfamilie.

Im Oktober 2008 erhielt Yohann Zveig den Auftrag für die  Hymne der Europa League, die damals noch UEFA-Cup hieß. Seit dem ersten Finale der Europa League liefert Zveig die musikalischen Eröffnungs- und Schluss-Sequenzen für die jeweiligen Stadionshows – in Hamburg, Dublin, Bukarest, Amsterdam.

Platinis Schwiegersohn kam auch mit der FIFA ins Geschäft: Für den FIFA Ballon d’Or, die alljährlichen Auszeichnungsveranstaltungen der Weltfußballer im Opernhaus in Zürich, produziert Zveig seit 2010 ebenfalls die Töne.

Kürzlich reüssierte das Fußball-Musikwunder in Deutschland. Michel Platini war einer der Stargäste des DFB-Kongresses im Oktober 2013 in Nürnberg, als der DFB seine neue Hymne vorstellte. „Unser akustisches Erkennungsmerkmal“ dass „Tradition und Zukunft“ vereine, wie DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock dichtete. Komponist der DFB-Hymne: Yohann Zveig.

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, einer der engsten Verbündeten des UEFA-Chefs und FIFA-Exekutivmitglieds Platini, lässt über einen Sprecher mitteilen, er habe „definitiv nicht gewusst, dass es sich bei dem Komponisten Zveig um einen Schwiegersohn von Platini handelt“. Das erstaunt. Denn Niersbach und seine Hofberichterstatter erweckten doch stets den Eindruck, der DFB-Chef sei mit dem UEFA-Chef extrem dicke und könne ihn vielleicht sogar beerben; die beiden seien beste Freunde.

Jedenfalls blieb die wichtige Information, dass Zveig der Schwiegersohn von Platini ist, der Öffentlichkeit bislang verborgen. Sie war den Verantwortlichen in UEFA und FIFA allerdings bekannt, als sie ihre Entscheidungen für Zveig trafen. Niersbach will es nicht gewusst haben.

UEFA und DFB verweisen darauf, dass die Aufträge für die Hymnen korrekt ausgeschrieben worden seien. Über finanzielle Details geben sie keine Auskünfte. Während die UEFA keinerlei Probleme damit hat, mir die 15 Seiten umfassende Ausschreibung vom August 2008 zur Verfügung zu stellen, teilt der DFB knapp mit, derlei Dokumente seien „generell vertraulich“. Neben Zveig hatten sich beim DFB Jürgen Christ (mit Jochen Schild), Artur Kubizek und Matt Clifford beworben, letzterer war vo einem Vierteljahrhundert mal mit den Rolling Stones aufgetreten. Die Vergabe des Auftrags an Zveig sei „durch ein aus allen DFB-Bereichen besetztes Gremium“ erfolgt, schreibt der DFB.

Die UEFA erklärt, der damalige Generalsekretär David Taylor habe die Entscheidung für Platinis Schwiegersohn getroffen – auf Grundlage von Empfehlungen der TEAM Marketing AG, die das Verfahren mit elf Bewerbern abwickelte, sowie der Marken- und Marketingexperten aus der UEFA-Zentrale in Nyon. Yohann Zveig sei „ein berühmter Komponist“ argumentiert die UEFA.

Der Email-Austausch mit mehreren UEFA-Leuten über einige Tage war etwas umfangreicher. Witzig, dass sie mir selbst Fragen stellten, die ich gern beantwortet habe:

  • UEFA question: „By the way, we are wondering why you have decided to pursue this matter at this time, when six years have passed since the tender took place. We find it a little strange, especially taking into account that we have also received yesterday similar questions from two other journalists in France and the UK.“ 
  • Answer: I use to ask questions when I work on topics. I ask questions when topics and questions come to my attention. It is never a matter of time. It is always a matter of questions needed to be answered. For instance: I am still asking questions about topics and events 20 or 30 years ago, such as ISL bribery. And I will continue to do so.
  • UEFA question: „Perhaps it is a coincidence… or perhaps not. May we ask if there was a particular reason why you have chosen to chase this subject right now?“ 
  • Answer: Because a magazine has asked me to write a profile of the UEFA president. So, I did my homework.

Komisch allerdings, dass die UEFA-Leute stets den Eindruck vermittelten und das auch so schrieben, Zveig sei längst nicht mehr Schwiegersohn von Platini.

Das ist falsch.

Zveig mochte auf meine Anfragen die Sachverhalte zwar nicht kommentieren, jedoch hat er sich nach Veröffentlichung des Textes auf 11Freunde.de erneut bei mir gemeldet und zwei Korrekturen angemahnt. Eine Ungenauigkeit und ein Fehler basierten auf den irreführenden und falschen Auskünften der UEFA. Der wichtigste Punkt:

I’m not divorced. I don’t know where you found this false information but it’s totally not true.

Enno-Ilka Uhde aus Karlsruhe ist als Performance-Designer und Regisseur für etliche Sportverbände und Fußballvereine tätig (sein beachtliches Werkregister). Er arbeitet regelmäßig für die UEFA und den DFB, führte beispielsweise bei fünf Champions-League-Finals die Regie bei Eröffnungsfeiern und Siegerehrungen, er hat mit Yohann Zveig beim Europa-League-Finale 2010 kooperiert – und war 2013 in die Ausschreibung zur DFB-Hymne involviert. „Dass Zveig den Auftrag bekommen hat, war ein Zufallstreffer und beruhte rein auf seiner künstlerischen Leistung“, sagt Uhde.

Dass Platini sein Schwiegervater war, war eher negativ besetzt. Der junge Mann hat sehr darunter gelitten, weil er genau wusste, dass man darüber reden würde.“

Die eingereichten Melodien seien ohne Nennung der Namen von Musikern beurteilt worden. „Das war definitiv kein politisches Verfahren. Jede andere Darstellung wäre unzutreffend“, erklärt Uhde.

Die Vergabe von Aufträgen an Verwandte, gleich welcher Größenordnung, sollte nach den Regeln guter Unternehmensführung eigentlich auch im Fußballbusiness ausgeschlossen sein. Doch die Branche nimmt es mit den Reformen nicht so genau. Platini und seine UEFA gehören im Reich der FIFA nachweislich zu den Bremsern. Derzeit versucht Platini mit einigen anderen Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees – etwa Grondona und Villar Llona, deren Söhne natürlich auch im Fußballgeschäft profitieren – die Ermittlungsbefugnisse des Amerikaners Michael Garcia einzuschränken.

Garcia soll die Vergabe der WM 2022 an Katar aufklären.

Doch manche möchten die Informationen lieber in der Familie belassen.

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16 Gedanken zu „Es bleibt alles in der FIFA-Familie (1): die Platinis“

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  4. Warten auf Godot….

    Ist ja alles schön und gut – und lieber ein gutes Produkt anstelle eines eilig zusammengeflickten – aber, lieber jw, Kommunikation sollte schon sein!

    Langsam nervt es ehrlich gesagt schon, täglich hier im Blog suchen zu müssen, ob eine Verschiebung wieder eingepflegt wurde….

  5. SteK: Völlig richtig. Ich kann das Unerklärliche auch nicht erklären bzw nicht aus meiner Haut und bastle dann doch immer wieder Stunden an einem lumpigen Detail. Möchte mich aber nicht weiter öffentlich auf die Couch legen. Es wird Tag und Nacht gearbeitet, Kompromisse sind gemacht – und jetzt endlich fertig werden. Das ist das einzige, was mich im Moment interessiert. Kommuniziert wurde unabhängig von diesem Blog. Gehörst Du zu Unterstützern/Käufern?

  6. Ja, wie ich eben bemerkte allerdings unter einen anderen E-Mail-Adresse, deshalb jetzt mal die „richtige“ verwendet. Hatte ja auch die Mail erhalten und dann weiter gehofft, am Ende doch eine abschließende Mail (inkl. Buchlieferung) übersehen zu haben.

    Naja, vlt. klappts ja über die Osterfeiertage….

  7. NichtIdentifizierterNutzer

    Eine Frage zum Cover-Bild: Putin, den FDP-Mann und „die Scheichs“ erkenne ich. Sind das aber tatsächlich die ~alleinigen, hauptsächlichen Akteure? Das erscheint mir auf den zweiten Blick nicht komplett.

    Herr Weinreich, Sie sind doch erwiesenermaßen unbefangen und könnten vielleicht (damit hier auch mal wieder etwas passiert) auch noch weitere, andere Männer mit unbedeckten Brüstchen zeigen. Da wäre sicher so manches Körbchen in C-Größe dabei.

  8. Pingback: Katar 2022, FIFA-Korruption und die Sunday Times: eine neue Qualität • sport and politics

  9. Pingback: Q&A Sébastien und Jérôme Valcke • sport and politics

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  11. Pingback: Die Blogger-Woche

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