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Das Olympische Bildungsmagazin

Was vom Tage übrig bleibt (61): Bundes-Spitzensportförderung, Sportsoldaten, Staatssport, Doping/Bremer/BDR

Es wird mal wieder etwas umfangreicher. Einige Leser – aus dem Leistungssportbereich und aus der Verwaltung – haben sich doch sehr an den Service gewöhnt, hier regelmäßig Dokumente zur Sportförderung des Bundes zu finden – und fordern dies recht offensiv ein. Denn es ist ja weiterhin so, dass man diese Zahlen nicht einfach irgendwo abrufen kann. Komisch. Die Intransparenz im sportpolitischen Komplex habe ich oft genug kritisiert.

Wie hat es einer der Anrufer, sogar Präsident eines Sportverbandes, gerade so hübsch formuliert:

Wir haben in Deutschland ein System des Staatssports, in dem eine Ministerialbürokratie willkürlich über Sportförderung und Steuermittel entscheidet. Wer in diesem Kartell nicht drinsteckt, hat Pech gehabt.

Stimmt. Eike Emrich hat das einmal (siehe: Das Eigenleben der BMI-Sportabteilung) so ausgedrückt:

Wer gut bedient werden will, muss bereit sein, zu jeder geforderten Zeit, und sei es kurz vor wichtigen Sportereignissen, der gutachterlichen Behörde seine Aufwartung zu machen. In diesem sozialen Umfeld erweist sich stets, dass Intrigen, Ränke- und Machtspiele sowie der strategische Umgang mit Informationen nebst Partizipation an den richtigen Seilschaften Bestandteil der Erfolg verheißenden Handlungsmaxime der Akteure sind.

Also sind im Schnittfeld zwischen Politik und Sport durchaus höfische Einflüsse auf moderne Organisation erkennbar, was aufgrund der traditional-feudalen Momente sowohl im Sportsystem als auch im politischen Beamtenwesen nicht weiter verwundert. Darüber hinaus verlangt die sportliche Behörde von anderen Organisationen in allen nur denkbaren Punkten immer mehr Transparenz, um zugleich umgekehrt proportional zu diesen Ansprüchen die eigenen Kriterien der Entscheidungen teilweise intransparent zu gestalten.

via Korruption im Sport. Originalquelle: Emrich, E./Papathanassiou, V.: Zur Führungskultur in assoziativen Systemen – As­pekte machtzentrierter traditionaler Denk- und Handlungsmuster im Sportsystem. In: Sportwissenschaft, 3/2003, S. 239 ff.

Ich gebe zu, da hole ich wieder mal sehr weit aus. Aber das Leben ist nun mal kompliziert, Mann sollte es auch in diesem Diskussionsforum nicht einfacher machen, als es ist.

Vielleicht hat sich die Haltung des BMI unter dem neuen Sport-Abteilungsleiter Gerhard Böhm, ehemals Sportberater der Kanzlerin, ja grundlegend geändert, wer weiß. Ich habe mich kürzlich ganz angeregt mit Herrn Böhm unterhalten. Wer weiß, vielleicht gibt das BMI ja demnächst endlich mal die detaillierten Zahlen zur Spitzensportförderung bekannt? Besonders interessiert natürlich die Einzelförderung der Verbände, die sich unter dem Punkt „zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports“ versteckt. Vielleicht habe ich gerade einen Blackout, ich lasse mich überaus gern korrigieren – aber ist es nicht so, dass die Zuwendungen für die einzelnen Verbände nicht öffentlich sind, wie vieles andere auch, etwa die Zielvereinbarungen? Natürlich soll niemand wissen, was der andere bekommt. Obwohl es doch um Steuermittel geht.

Also, wenn jemand mitliest aus DOSB/BMI, immer her mit den Zahlen – Diskretion ist garantiert.

Andererseits, so lange Christoph Bergner parlamentarischer Staatssekretär bleibt, wird sich so schnell wohl nichts ändern. Habe mir sagen lassen, der CDU-Mann habe sich vergangene Woche im Sportausschuss zum wiederholten Male über meine Berichterstattung erregt bzw. darüber, dass Details zum so genannten Antidopingbericht 2009 vorab im Deutschlandfunk veröffentlicht worden sind. Ach, der Herr Bergner, wenn ich ihn um kurze Statements bitte, ist er eigentlich immer sehr nett. Man hört aber so Sachen, dass er schon mal in kleinen Kreisen überlegen soll, wie man gewissen Journalisten das Handwerk erschweren könnte. Ich bevorzuge allerdings das offene Visier.

Egal. Hier also einige halbwegs frische Dokumente.

Hier zunächst der 12. Sportbericht der Bundesregierung, falls den jemand übersehen hat (garantiert :), der gewissermaßen die politischen Rahmenbedingungen der Sportförderung in Deutschland festlegt (im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP steht natürlich auch etwas):

Nun zum eigentlichen Thema, dem Haushalt 2011. Die Zusammenstellung des BMI über Sportfördermittel des Bundes 2009, 2010, 2011. Bis auf marginale Abweichungen ging das so durch:

Aus dem Einzelplan 06, die Aufgliederung der Sportfördermittel des BMI 2011:

Das wirksame System der Sportsoldaten innerhalb des Staatssportssystems in der Olympia-Analyse (Vancouver 2010) des DOSB:

Und schließlich, ein Klassiker im sportpolitischen Journalismus und hier im Blog.

Zum Fall des (gerichtsfest) dopingbelasteten BDR-Sportdirektors Burckhard Bremer, der jüngst wieder andiskutiert wurde und der im Januar weiter im Sportausschuss verhandelt werden soll. Die Drucksache 17/3004, Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bündnisgrünen:

Weiterführend zum Fall Bremer:

Ich wünsche eine erhellende Lektüre.

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31 Gedanken zu „Was vom Tage übrig bleibt (61): Bundes-Spitzensportförderung, Sportsoldaten, Staatssport, Doping/Bremer/BDR“

  1. Die Mühlen mahlen sprichwörtlich langsam. Auch im Fall Brehmer. Gibt es denn überhaupt diesbezüglich eine zeitnahe Wortmeldung vom Präsidenten des Bundes Deutscher Radfahrer ?

  2. @ Herbert:

    Die letzte Äußerung des Präsidenten, an die ich mich erinnern kann, stammt aus dem April 2010:

    Die harten Zeiten, betont Rudolf Scharping, der erste Mann im deutschen Radsport, seien vorbei. „Wir hatten einen weit über die Verhältnisse gehenden Hype bis 2006, danach von 2007 bis 2009 zwei Jahre eine weit darüber hinausgehende Depression.“ Der BDR-Präsident spricht nun von einer „Normalisierung“ und davon, „dass der Radsport 2010 wieder ein festes Fundament unter die Füße bekommt“. Die Antidoping-Maßnahmen würden greifen.

    Komisch nur, daß auch im Jahre 2010 weitere Profirennen und -teams in Deutschland verschwunden sind. Da wir inzwischen aber schon nahe bei Null sind, dürfte die Talsohle in der Tat bald erreicht sein.

  3. @Ralf

    Der letzte erste Mann im deutschen Radsport glänzte stets nur durch politisches Taktieren, um der Krise im deutschen Radsport erfolgreich zu begegnen.
    Zum Glück fahren noch viele in allen Kategorien, denen ihr Präsident am A**** vorbei geht. Steht trotzdem die Frage, wieso sich so ein Verband so einen Oberradfahrer noch leistet. Geklüngel oder Verbandsträgheit ?

    Es wird so sein, dass 2011 das Team NetApp
    das hochklassigste deutsche Radsporteam sein wird.

  4. @ Ralf

    Der letzte erste Mann im deutschen Radsport hat seit Jahren immer nur geglaubt, durch politisches Taktieren der Krise erfolgreich zu begegnen.
    Zum Glück geht er vielen, vor allen den Fahrern der verschiedenen Kategorien nur noch am A**** vorbei.
    Allerdings ist es schon verwunderlich, dass so ein Verband noch nichts Besseres gefunden hat. Die letzte Palastrevolte ging ja auch total in die Hose.
    Da fragt man sich nur: Geklüngel oder die typische Verbandsträgheit ?

    Es sieht so aus, als ob 2011 das hochklassigste deutsche Radsportteam Team NetApp
    sein wird. Man hören, was Rudolf Scharping diesmal dazu zu sagen hat.

  5. Also, mein letzter Beitrag verschwand jetzt schon das 2. Mal im Nirvana. Wenn er trotzdem kommt, dann zweimal. Oder er kommt nimmermehr.

  6. Herbert, damit müssen Sie jetzt leben.

    Bin unterwegs und kann die Kommentare, die im Spam-Ordner landen nur unregelmäßig prüfen und freischalten. Einfach Geduld haben, wenn bei es bei Ihnen heißt: pending …

  7. @Jens

    Nothing is pending anymore. Der Beitrag ist jetzt zweimal da. Da konnte ich wenigstens mal prüfen, ob mein Gedächtnis noch funktioniert. Na, es geht gerade noch so. ;)

  8. Thomas Kistner für dradio.de: mp3-Datei:

    Kritik am Bremer-Gutachten
    Sendezeit: 14.01.2011 22:55
    Autor: Kistner, Thomas
    Programm: Deutschlandfunk
    Sendung: Sport
    Länge: 01:54 Minuten

  9. Thomas Kistner für dradio.de: BDR-Gutachten spricht Sportdirektor Bremer frei – Mögliche Befangenheit des Gutachters

    [Sylvia Schenk] wandte sich direkt an BDR, NADA und Sportausschussmitglieder, sie moniert „neue, entscheidende Fehler“ bezüglich ihrer Rechtsstreitigkeiten und bezweifelt, dass dem Gutachter ihre Schriftsätze überhaupt vollständig vorlägen. Der Gutachter insistiert trotzdem, seine Ausführungen seien korrekt – zwar nach Korrektur von Datums- und Namensirrtümern, die aber für die Argumentation unerheblich seien.

  10. sportspool.tv: Gutachterliche Stellungnahme

    Wenn man ein Gutachten bei dem Bruder eines Mitarbeiters in Auftrag gibt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn einen der Vorwurf der Befangenheit trifft. Doch was steht eigentlich in dem Gutachten, dass selbst den Sportausschuss des Bundestages zur Kritik treibt?! Im Sinne der Transparenz und des breiten öffentlichen Dialoges hat sportspool.tv das 30seitige Papierchen online gestellt. Möge sich jeder selbst ein Bild machen.

  11. Robert Kempe für den Deutschlandfunk: Sportausschuss des Bundestages rügt BDR-Gutachten im Fall Bremer – Präsident Scharping glänzt durch Abwesenheit

    Auch Frank Steffel, CDU, sparte nicht mit deutlicher Kritik:

    „Also ich bin über die gesamte Situation bestürzt und finde das Verhalten des BDR mindestens instinktlos, ich glaube für den Radsport schädlich und für die Politik außerordentlich schwierig.“
    […]
    Klaus Riegert, Obmann der CDU/CSU Fraktion, sagte, er würde sich mehr Sensibilität vom BDR im Anti-Doping-Kampf wünschen.

    „Und deshalb hätte ich es heute für richtig angesehen, wenn der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer hier gewesen wäre und dann auch sozusagen als politischer Kopf des Verbandes Rede und Antwort gestanden hätte.“

  12. Jessica Sturmberg für den Deutschlandfunk: mp3-Datei:

    Interview mit Dagmar Freitag, Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses
    Sendezeit: 22.01.2011 19:35
    Autor: Sturmberg, Jessica
    Programm: Deutschlandfunk
    Sendung: Sport
    Länge: 06:07 Minuten

  13. Pingback: Deutschland: Bremser im internationalen Antidopingkampf : jens weinreich

  14. Eigentlich eine blendende Gelegenheit, die (Radsport)Öffentlichkeit mal nach ihren Kandidaten als Leistungssportdirektor zu befragen.

    Ein Deutscher Amateurmeister mit Englischkenntnissen wird nicht schwer zu finden sein. Einer, der das Vertrauen der Vereine und Aktiven mitbringt, und von Straße und Bahn gleichermaßen etwas versteht, ist dagegen schon eher seltener.
    Wer erfolgreich im Profigeschäft ist, verdient sicher mehr als 89.000 EUR p.a. plus Prämien. Das grenzt die Auswahl weiter ein. Dazu kommt die Abschreckung durch die pausenlosen Quereleien im Bundessport, im Verband, mit der Politik und überhaupt der mediale Druck.

    Und im Gegensatz zum Präsidenten sind bei dem Job auch noch Ergebnisse gefragt. ;-)

    Ja, wer kann und will sich das angesichts dieser Prämissen antun ?

  15. Pingback: Sportförderung des Bundes im Olympiajahr 2012 und die Demokratie-Profis im Bundestags-Sportausschuss : jens weinreich

  16. Interessanter Beitrag von Daniel Drepper.
    Da wir fast alles durch die deutsche (Super)Brille betrachten, und auch dem sportlichem Nachbarn nicht vorurteilsfrei gern über die Schulter schauen, lassen wir unsere Strukturen lieber tümpeln als sie mit „geliehenen“ und kostenfreien Erfahrungen up zu daten. Da muss man gar nicht erst das Erhaltens- und Bewahrenswerte des DDR-Sportsystems bemühen. Es war eh nie gewollt und ist sowieso zu spät.

  17. Die Presse: Doping: Die schmutzigste Waschmaschine Österreichs

    Schaar kann sich an keinen Fall erinnern, in dem es zur Rückzahlung oder Einstellung von Förderungen kam oder auch nur der Versuch dazu unternommen wurde. Doch er bekomme diesbezügliche Initiativen nicht vollständig mit, schränkt er selber ein. Zuständig für derartige Maßnahmen ist das Sportministerium.

  18. Pingback: Erst die Zahlen, dann die Debatte? Sportförderung des Bundes für 2013 (und danach) : sport and politics

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