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Das Olympische Bildungsmagazin

Die Heilige Fußballfamilie: Bin Hammams Anfängerfehler

Hier sitzen die Ritter der Tafelrunde. Wer einen Platz im Fifa-Exekutivkomitee erstreiten kann, bestimmt über die Geschicke des Weltfußballs mit. Nur wer dem Exekutivkomitee angehört, hat eine Chance, irgendwann – in diesem oder im nächsten Jahrtausend – den Großen Vorsitzenden Joseph Blatter zu beerben. Nur darum geht es im feurigen und schmutzigen Kampf, der derzeit im größten und bevölkerungsreichsten Kontinent tobt.

FIFA-ExKo Sitzungssaal

Sitzungssaal des Fifa-Exekutivkomitees im Fifa-Hauptquartier in Zürich

Dies ist die bizarre Geschichte eines der bislang mächtigsten Fußballfunktionäre der Welt. Eines Mannes, der Stammgast ist hier im Blog, und der als Kronprinz des Fifa-Präsidenten galt. Der Blatter bei zwei von Korruptionsvorwürfen überschatteten Wahlen – 1998 und 2002 – in Afrika und Asien mit Petro-Dollars Stimmen beschaffte. Der für Blatter Drecksarbeit verrichtete, bis heute das berüchtigte Fifa-Entwicklungshilfeprogramm („Goal“) leitet, das Insider auch als Stimmenbeschaffungsprogramm betrachten. Der seine Schuldigkeit getan hat, zu gefährlich wurde und deshalb fallen gelassen wird von Blatter: Mohamed Bin Hammam aus Katar.

Bin Hammam gehört seit 1996 dem Fifa-Exekutivkomitee an, ist seit 2002 Präsident der Asian Football Confederation (AFC). Hübsch sein Profile auf der AFC-Webseite:

Quiet and unassuming, Mohamed bin Hammam is a man who lives by the maxim that actions speak louder than words. As his CV clearly shows, he is indeed a man of action who has helped to lay the foundation for the growth of football in Qatar by emphasizing on the development of the game at different age levels. His visionary efforts has led to Qatar consistently claiming the honours in Asian football and also qualifying for FIFA’s under-17 and under-20 tournaments.

Mohamed bin Hammam has pledged to ensure that all AFC member associations will be given every opportunity to progress. He has also pledged to build strong bonds of friendship and unity within the Asian football family under his leadership. His qualities of leadership have now propelled him to the highest position within Asian football. „It is my desire to see Asian football excel on the international stage. Despite the size of the Continent and the difficulty we have in developing football, Asia has made much headway over the past decade. I believe that it will not take us very long to make an even bigger impact on world football,“ he says.

Doch kommenden Freitag, an seinem 60. Geburtstag, wenn in Kuala Lumpur der AFC-Kongress tagt, könnte die steile Karriere Bin Hammams beendet sein. Ganz plötzlich. Denn Bin Hammam hat einen Anfängerfehler gemacht. Vor einigen Monaten sprach er aus, was er dachte. Im Herbst 2008 forderte er öffentlich, die Fifa-Präsidentschaft auf drei Amtszeiten zu begrenzen.

„I want to see a term limit for the presidents of all of the confederations, FIFA included.“

„The more you stay, the longer you are in power – whether you like it not and no matter who you are – the less evolution there can be.“

„Some of the statutes have been inherited, so if the international governing body will insist on a limitation related to the presidencies of the national associations and FIFA, I think that will be a great help.“

„Sepp Blatter actually proposed that some years back, and it was rejected by the executive committee.“

Bin Hammam erklärte später, er habe den Namen Blatter im Interview nicht genannt. Doch er kam da nicht mehr raus: Es war ein Affront gegen Blatter, der 2011 zum vierten Mal und 2015 womöglich zum fünften Mal antreten wird – obwohl er 1998 während der ersten Kandidatur versprochen hatte, Fifa-Chefs sollten nur acht Jahre regieren. Der Hinweis auf dieses Versprechen Blatters wurde an der Zürcher Tafelrunde als besondere Gemeinheit aufgefasst.

Bin Hammam, der sonst so Coole, war ungeduldig geworden. Dabei hatte er doch einst so treffend ein Grundgesetz dieser Parallelgesellschaft formuliert: „Es macht keinen Sinn, gegen Blatter anzutreten. Er ist unantastbar“, sagte Bin Hammam. „Niemand kann gegen ihn gewinnen.“ Dumm nur, dass er vergaß, sich daran zu halten.

Kaum hatte Bin Hammam seine Forderung erhoben, geriet er selbst in Bedrängnis: Wenige Wochen später bewarb sich überraschend Scheich Salman Al-Khalifa aus Bahrain um seinen Platz im Fifa-Exekutivkomitee, über den der AFC-Kongress am Freitag entscheidet. Der Scheich will gar nicht AFC-Boss werden, er will nur Bin Hammam in der Fifa stürzen – und er wird von etlichen Blatter-Vertrauten unterstützt, etwa dem langjährigen AFC-Generalsekretär und heimlichen Herrscher Peter Vellapan, wie ich bereits beschrieben habe.

Bin Hammam sagt:

The future is Asia.

Scheich Salman sagt:

Asia for change!

Diesen Zweikampf auf eine vermeintliche Auseinandersetzung von Gut (Salman) gegen Böse (Bin Hammam) zu reduzieren, greift sportpolitisch zu kurz und erzählt nur die halbe Geschichte.

Bin Hammam ist nicht mehr und nicht weniger ein Fußball-Rambo als Blatter oder Scheich Salman. Bin Hammam ist eher nicht in einem Atemzug zu nennen mit Figuren wie Scheich Al-Sabah (Kuweit), der im IOC und zahlreichen Weltverbänden (Handball, Korruption!) sein Unwesen treibt und mit seinem Olympic Council of Asia (OCA) auch in der AFC-Auseinandersetzung munter mitmischt.

Ich habe das mal so gesehen, inzwischen glaube ich, manches weiß ich: Es gibt etliche Abstufungen in den Untaten, in Charakterfragen, Macht, Einfluss, Reichtum und Persönlichkeitsprofil. Man täte Bin Hammam Unrecht, ihn mit Al-Sabah auf eine Stufe zu stellen.

Interessant auch dieser Aspekt: Scheich Salman gehört als Cousin des Königs zur herrschenden Kaste Bahrains. Bin Hammam ist der einzige arabische Spitzenfunktionär im olympischen Weltsport, der nicht aus einem Königshaus oder Herrschaftsfamilie stammt. Wenn man das überhaupt so sagen darf, gehört Bin Hammam eher dem bürgerlichen Lager an. Er ist kein Blaublut. Allerdings gut befreundet mit dem Emir von Katar, er erhält schneller Audienzen als mancher Minister, versichert mir ein Informant.

MBH, Scheich Salman und Sepp Sonnenkönig halten gemeinsam einen FIFA-Wimpel

Ein Bild aus friedlicheren Tagen, aufgenommen im Februar 2008, als Blatter Katar und Bahrain besuchte und sich mit Bin Hammam (l.) und Scheich Salman (M.) zum Freundschaftsfoto stellte – und Sepp selbstverständlich einen Orden kassierte / © Screenshot fifa.com

Die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern zweier steinreicher Zwergstaaten ist keinesfalls ein exotisches Phänomen. Der Zweikampf hat Auswirkungen auf die künftige Führung in der Fifa: Wenn Bin Hammam scheitert, bliebe Uefa-Präsident Michel Platini der einzige Kandidat auf die Blatter-Nachfolge.

Der AFC hat vier von 24 Sitzen im Fifa-Vorstand. Einen nimmt Chung Mong-Joon ein, Politiker und Manager aus Südkorea, ein Sohn des Hyundai-Gründers. Hyundai zählt zu den Fifa-Sponsoren. Chung und Bin Hammam werden, sorry, als Todfeinde beschrieben. Zumindest ist sicher: Sie hassen sich. Chungs Platz in der Fifa war bislang unangetastet, aber Bin Hammam will diesen Platz automatisch dem AFC-Präsidenten zuschreiben. Drei weitere asiatische Vorstandsposten werden in Ost-, Zentral- und in Westasien vergeben – im Westen traditionell unter den Arabern, die längst zu den wichtigsten Finanziers des Weltfußballs gehören.

Es geht um Macht und Milliarden, Bestechung und Lügen. Die Vorwürfe von Stimmenkauf und Amtsmissbrauch, die von beiden Lagern täglich erhoben werden, lassen sich kaum zählen. Wie gesagt, auch Scheich Al-Sabah mischt munter mit – gegen Bin Hammam.

Das Duell sorgt für diplomatische Verwicklungen auf höchster Ebene. Schließlich bewerben sich zeitgleich fünf AFC-Verbände um die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022: Australien, Katar, Japan, Südkorea und Indonesien.

Scheich Salman sagte über Bin Hammam:

Dieser Mann ist ein Diktator und ein großes Risiko. Er muss weg.

Bin Hammam sagte über Scheich Salman und Chung:

Wer sich mir in den Weg stellt, dem schlage ich Kopf, Hände und Beine ab.

Was er dann flink als arabische Redewendung abtat. Das sagt man halt so.

Fein geht es also nicht zu, die jüngste Reuters-Meldung lautet: „Bitter Asian power battle reaches pivotal climax“. Beide Seiten zeigten ihre Gegner bei der Fifa-Ethikkommission an. Bei jenem Witz-Gremium, dessen Vorsitzender Sebastian Coe gerade von Blatter beurlaubt wurde, da er sich als Organisationschef der Olympischen Sommerspiele 2012 in London ausgelastet sieht.

Am Sonntag forderten nun 24 der 46 AFC-Verbände die Fifa auf, die Wahlen in Kuala Lumpur zu überwachen. Bin Hammam hatte zuvor fünf Verbände – Kuwait(!), Laos, Ost-Timor, Afghanistan und die Mongolei – suspendieren lassen. Die Fifa hob das Urteil auf. Bin Hammam will das wiederum nicht akzeptieren. Die Lage ändert sich stündlich.

[Nachtrag, 14.01 Uhr: Gerade erhalte ich eine Email aus Kuala Lumpur, allerdings von einem PR-Bediensteten der Bin-Hammam-Gegner. Peter Vellapan, AFC-Generalsekretär von 1978-2007, zündelt weiter und skizziert das Szenario der Spaltung des AFC:

The five countries barred from voting could immediately resign and if a number of other countries follow suit, disgusted by Hammam’s dictatorial style of leadership, we may have a major AFC split. Among the consequences, FIFA could suspend recognition of the AFC and call on the Asian associations to convene an extraordinary meeting to elect a new confederation.

/Nachtrag]

Freie Wahlen, Transparenz, Überwachung – mit dem Aufpasser Fifa? Absurd wurde es, als ausgerechnet Blatter die Kombattanten per Kommuniqué zum Fairplay ermahnte. Putzig auch dies: Peter Hargitay, Blatters in Ungnade gefallener langjähriger PR-Berater, arbeitet nun für Bin Hammam.

Am Freitag entscheidet sich die Zukunft von Bin Hammam als Fußball-Funktionär: Kann es ganz nach oben gehen, irgendwann? Oder ist seine Karriere beendet? Denn wenn er gegen Scheich Salman verliert, wird er als AFC-Präsident zurücktreten, hat er gesagt.

So schnell kann es gehen. Eben noch war er gemeinsam mit Jack Warner Blatters wichtigster Helfer. Nun ist er eine Gefahr. Er wird nicht mehr gebraucht. Er, der den Emir dazu brachte, Blatters Wahlkämpfe zu sponsern. Doch im Kampf um die Macht kennt Sepp Blatter, Beschwörer der Heiligen Familienbande, keine Dankbarkeit, keine Freunde und nicht einmal Verwandte. Das hätte Bin Hammam eigentlich wissen müssen.

Denn jeder im Inner Circle der Fifa kennt doch die Geschichte, wie Blatter Anfang der 1980er Jahre Fifa-Generalsekretär wurde: Er half dabei, einen gewissen Helmut Käser mit schmutzigen Tricks aus dem Amt zu drängen, um dessen Posten zu besetzen. Käser hat alles aufgeschrieben, seine Notizen sind gut erhalten. Ich denke, ich werde demnächst mal einige Passagen veröffentlichen. Jedenfalls, der gute Herr Käser hat den Schock der hinterhältigen Attacke Zeit seines Lebens nie überwunden.

Denn Helmut Käser war: Blatters Schwiegervater.

6 Gedanken zu „Die Heilige Fußballfamilie: Bin Hammams Anfängerfehler“

  1. Schöner Text mit einer schönen Pointe. Ich warte gespannt auf die Fortsetzungsgeschichte (Episode II bzw. V: „Das Imperium schlägt zurück“) und auf die Erzählungen des Herrn Käser („Die dunkle Bedrohung“?).

    (Ich bitte die Star Wars-Referenz zu entschuldigen, aber dieser Konferenzraum….)

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