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Das Olympische Bildungsmagazin

Petition des Dopingopferhilfe-Vereins an den Bundestag

Klaus Dieter Zöllig, Vorsitzender des Vereins Dopingopferhilfe (DOH), hat gestern Abend nachfolgende Einzelpetition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages übermittelt. Die Meldung darüber und über die angekündigten Protestaktionen der Dopingopfer im Umfeld der Leichtathletik-WM im August in Berlin gingen am Sonntag bereits durch die Medien.

Für mich ist diese Petition zunächst wichtiger als andere Aktionen, weil sie den Fokus endlich wieder auf die politisch Verantwortlichen der Anstellung von ehemaligen Dopern und dieser Entschuldungspauschale für Dopingtrainer (und Ärzte und Betreuer?) richtet: die Sportpolitiker im Bundesinnenministerium (BMI), im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und seinen Vorgängerorganisationen DSB und NOK sowie in den Fachverbänden. Auf jene also, die im fragwürdigen Zeitraum seit 1990 insgesamt Steuermittel in Höhe von mehreren Milliarden Euro in den Hochleistungssport gepumpt haben und damit auch zahlreiche dopingbelastete Trainer und Mediziner aus Ost und West (Freiburg u.a.) finanziert haben.

Die Petition richtet sich explizit gegen das für Sport verantwortliche BMI. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bereits erklärt, die umstrittenen Trainererklärungen akzeptieren zu wollen. Der DOH drängt darauf, dass nicht im Stile eines Duodez-Fürstentums zuwendungsrechtliche Verfehlungen folgenlos bleiben, sondern verlangt, dass bestehende Gesetze, Bestimmungen und Verordnungen eingehalten werden. Laut DOH dienen die Trainererklärungen auch dazu, die Verantwortung von Sportfunktionären und Politikern zu vertuschen.

Vor der Petition zunächst einige Beiträge aus dem Deutschlandfunk vom gestrigen Sonntag zum Nachhören:

Mein Bericht über die Petition mit O-Tönen von Klaus Zöllig und Andreas Krieger:

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Sebastian Krause im Gespräch mit Zehnkampf-Bundestrainer Rainer Pottel über seine Dopingvergangenheit:

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Sportgespräch von Herbert Fischer-Solms mit Ines Geipel, Ute Krieger-Krause, Andreas Krieger, Uwe Trömer und Klaus Zöllig:

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Und hier die komplette Petition als Dokumentation:

Über welche Entscheidung/welche Maßnahme/welchen Sachverhalt wollen Sie sich beschweren?

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), zwei aus Bundesmitteln geförderte Verbände, veröffentlichten am 6. April d. J. eine gemeinsame Pressemitteilung zu einer Erklärung von fünf aus dem DDR-Sportsystem übernommenen Bundestrainern zu ihrer Doping-Vergangenheit. Klaus Baarck, Gerhard Böttcher, Rainer Pottel, Maria Ritschel und Klaus Schneider bekennen darin pauschal ihre seit mehr als einem Jahrzehnt bekannte Beteiligung am kriminellen DDR-Staatsdoping. Der staatlich organisierte Doping-Missbrauch im DDR-Sport ist belegt durch vorliegende Akten über den DDR-Sport, zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten (darunter Promotionen und Dissertationen) sowie Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, durch Recherchen und Befragungen zweier von Deutschem Sportbund (DSB) und Nationalem Olympischen Komitee (NOK) Anfang der neunziger Jahre eingesetzter Kommissionen („Richthofen“- bzw. „Reiter“-Kommission), durch Ermittlungen der „Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs-und Vereinigungskriminalität der DDR“ (ZERV), durch Medienrecherchen sowie durch mehrere Gerichtsentscheidungen.

Die am DDR-Dopingsystem beteiligten Trainer entschuldigen sich, ebenfalls pauschal, bei den Opfern, den ihnen einst anvertrauten Athleten und Athletinnen, – „soweit die Sportler durch den Einsatz von Dopingmitteln gesundheitliche Schäden davon getragen haben sollten“.

Der DOSB hat daraufhin erklärt, „dass diejenigen Trainer, die diese Erklärung unterzeichnen, im Bereich des DLV als Trainer beschäftigt oder weiterbeschäftigt werden“. Obendrein werde auf Rückforderung der aus Bundesmitteln finanzierten Entsendungskosten zu den Olympischen Spielen in Peking verzichtet, die sich einige dieser Trainer mit der Unterzeichnung wahrheitswidriger „Ehrenerklärungen“ zu einer angeblich dopingfreien Vergangenheit erschlichen hatten. Nach diesem Muster sollen laut Mitteilung von DOSB und DLV weitere dopingverstrickte Trainer und sonstige Betreuer aus dem deutschen Spitzensport entlastet und zudem ihre berufliche Beschäftigung gesichert werden.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erklärte mit gleichem Datum 06. April 2009 in einer Pressemitteilung, „eine Weiterbeschäftigung der DLV-Trainer im Sport“ sei „in erster Linie eine Angelegenheit des Sportes selbst“. Er nehme die Befürwortung einer Weiterbeschäftigung „zur Kenntnis und sehe keine Veranlassung zu einer anderen Entscheidung“.

Sowohl DOSB und DLV als auch BMI haben die vorab in Erklärungen und Offenen Briefen vorgetragenen Einwände der vom Bundesverwaltungsamt gemäß Dopingopfer-Hilfegesetz (DOHG) anerkannten Doping-Geschädigten, Mitglieder des DOH e.V., ignoriert. Die Opfer haben sich gegen die seit Monaten geplante pauschale Entlastung von Dopingtätern gewandt und erklärt, dass sie „Geständnisse“ oder „Entschuldigungen“, die keinen Beitrag zur konkreten Aufklärung begangenen Unrecht im Einzelfall leisten, nicht akzeptieren.

Der deutsche Sport, seine Landessportbünde, Fachverbände und Olympiastützpunkte beschäftigen diese und Dutzende weitere Bundes-, Landes- und Stützpunkttrainer seit z.T. fast zwei Jahrzehnten trotz deren bekannter und dokumentierter Vergangenheit als Dopingtäter und/oder Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS). Wissentlich wurde und wird damit gegen die verbindlichen Antidoping-Klauseln in den Fördermittel-Zuwendungsbescheiden des BMI an DOSB, Sportfachverbände und Olympiastützpunkte sowie in einigen Fällen gegen Auflagen des BMI entsprechend dem Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) verstoßen.

Auch die vom BMI eingesetzte „Projektgruppe Sonderprüfung Doping“ stellte in ihrem Bericht vom 31. Juli 2007 fest, dass „in Dopingpraktiken verwickelte“ Trainer entgegen den zwischen BMI und Sport getroffenen Vereinbarungen „mittelbar von Bundeszuwendungen“ profitieren. Dieser Bericht hält auch fest, dass das Bundesverwaltungsamt „im Rahmen der Ãœberprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung der Fördermittel in der Vergangenheit (seit 1982) nie untersucht [hat], ob die im Bewilligungsbescheid erhobenen Anforderungen der Anti-Doping-Klausel eingehalten wurden“.

Diese Verstöße gegen die Bewilligungsbescheide, d.i. missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern, sollen nun mit dieser o.g. pauschalen Erklärung im Nachhinein als bereinigt gelten.

Was möchten Sie mit Ihrer Bitte/Beschwerde erreichen?

Der DOH e.V. verlangt:

  1. Rückwirkende Überprüfung von DOSB (sowie Vorgängerverbänden), Sportfachverbänden und Olympiastützpunkten seit 1991 bezüglich der Einhaltung von zuwendungsrechtlichen Vorschriften, der Förderrichtlinien und sonstiger Bestimmungen;
  2. Offenlegung der Ergebnisse der Untersuchungen von Verstößen im Hinblick auf die Beschäftigung Doping- und MfS-belasteter Trainer, Ärzte und Betreuer;
  3. Befassung folgender Ausschüsse des Deutschen Bundestages mit den Überprüfungsergebnissen sowie Entscheidung über die Rückzahlung von Bundesmitteln nach den maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrengesetzes: Sportausschuss, Haushaltsausschuss, Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe;
  4. Suspendierung der „Trainererklärung“ vom 6. April d. J. bzw. ein Moratorium bis zum Vorliegen der Ãœberprüfungsergebnisse;
  5. Hinwirken des Parlaments auf Einzelfallentscheidungen des deutschen Sports über die Weiterbeschäftigung belasteter Trainer, auf Begründung dieser Entscheidung für oder gegen Beschäftigung gegenüber dem Parlament und Einbeziehung der Doping-Geschädigten in die Bewertung der betreffenden Einzelfälle;
  6. Erwägung eines vom Bundestag zu initiierenden Forschungsprojektes zu den gesundheitlichen Langzeitschäden von Doping als Beitrag zur historischen Aufarbeitung und als Teil der angesichts aktueller Dopingfälle im deutschen Spitzensport notwendigen Präventionsarbeit

Gegen wen, insbesondere welche Behörde/Institution richtet sich Ihre Beschwerde?

Die Beschwerde richtet sich gegen das Bundesministerium des Innern. Mit der Pressemitteilung vom 6. April d. J. akzeptierte der Bundesinnenminister pauschal die genannten Verstöße von Sportfachverbänden und Olympiastützpunkten gegen zuwendungsrechtliche Vorschriften, mithin die rechtswidrige Verwendung von Steuermitteln, ohne Offenlegung und ohne Einbeziehung des Parlaments.

Muss nach Ihrer Vorstellung ein Gesetz/eine Vorschrift geändert/ergänzt werden? Wenn ja, welche(s)?

Verlangt wird die Einhaltung der entsprechenden bestehenden Gesetze bzw. Bestimmungen und Verordnungen.

Bitte geben Sie eine kurze Begründung für Ihre Bitte/Beschwerde:

Wie oben bereits angeführt, verweisen wir auf mutmaßlichen Anstellungsbetrug der Doping- und MfS-belasteten Trainer, die über Jahre hinweg ihre Vergangenheit geleugnet haben. Außerdem verweisen wir auf den fortgesetzten Rechtsbruch durch DOSB, Sportfachverbände und Olympiastützpunkte, die wissentlich und willentlich gegen zuwendungsrechtliche Vorschriften über die Gewährung und Verwendung von Bundesmitteln verstoßen haben.

Wir verweisen darüber hinaus auf das StUG, das auch nach Auslaufen der Regelüberprüfung mit der Siebten Novelle vom 21. Dezember 2006 nach § 21, Abs. 6 g) die „Ãœberprüfung von Trainern und verantwortliche Betreuern von Mitgliedern der deutschen Nationalmannschaften“ explizit ermöglicht. Diese Ausnahmeregelung wurde seinerzeit auf Betreiben des DOSB in das StUG aufgenommen, um, wie in einem Schreiben des DOSB an den federführenden Bundestagsausschuss für Kultur und Medien vom 27.Oktober 2006 formuliert wurde, den Anforderungen an „Glaub- und Vertrauenswürdigkeit“ sowie die „Vorbildwirkung“ von leitenden Mitarbeitern des Sports sowie von Trainern und Betreuern von deutschen Nationalmannschaften gerecht werden zu können. Weiter heißt es in diesem Schreiben, nach den Zuwendungsrichtlinien des BMI „werden die Spitzenverbände des Sports ausdrücklich verpflichtet, keine Personen zu beschäftigen, die früher für die Stasi tätig waren“. Im März d.J. wurde der Fall des einstigen Biathlon-Cheftrainers der DDR, Wilfried Bock, öffentlich, der seit 2002 am Olympiastützpunkt Chemnitz/Dresden bzw. am Biathlon-Stützpunkt Altenberg/Sachsen trotz bekannter Verpflichtung als Führungs-IM (Inoffizieller Mitarbeiter zur Führung anderer IM) beschäftigt ist und u.a. aus Bundesmitteln finanziert wurde. Bock betreut Athleten der Nationalmannschaft.

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