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Das Olympische Bildungsmagazin

Und es sprach Hassan Moustafa (2): „Wir sind ein sauberer Sport“

Die jüngste Wasserstandsmeldung aus dem Hyatt Regency Hotel Denver, wo der kleine olympische Kongress tanzt: So ganz chancenlos soll Hassan Moustafa gar nicht sein, wenn heute Nachmittag (ab 14 Uhr Ortszeit) in der Association of Summer Olympic International Federations (ASOIF) der Präsident gewählt wird. Amtsinhaber und Multifunktionär Denis Oswald (Schweiz) hat zumindest eine unruhige Nacht, weil im Hintergrund offenbar wieder Scheich Ahmed Al-Sabah die Fäden zieht.

(Unter Vorbehalt: Ich habe nicht nachprüfen können, ob der Scheich tatsächlich in seiner Hotel-Suite sitzt und Delegierte empfängt, wie auf den Fluren geraunt wird.)

Wir werden sehen. Am Ende aber gilt ohnehin: Es bleibt alles in der Familie. Da, wo es hingehört.

Mein Zeitungsbeitrag zur Wahl, bearbeitet und verlinkt:

***

Während im Handball eine Enthüllung die nächste jagt und sich ein Korruptions­sumpf offenbart, arbeitet der Handball-Präsident an seiner Karriere. Der skandalfeste Ägypter Hassan Moustafa, Chef des Weltverbandes IHF, will am Dienstag in Denver/Colorado Präsident der ASOIF werden, der Vereinigung olympischer Sommersportverbände. Beim Weltsportgipfel in Denver tagen in dieser Woche sämtliche Welt-Sportverbände und das IOC-Exekutivkomitee. Sollte Moustafa gegen den Amtsinhaber Denis Oswald (Schweiz) obsiegen, wäre dies ein wichtiger Schritt ins Internationale Olympische Komitee (IOC). Moustafa behauptet allerdings, er strebe keine IOC-Mitgliedschaft an und habe im Gegensatz zu anderen Verbandspräsidenten noch nicht bei IOC-Chef Jacques Rogge vorgesprochen.

Unmittelbar nach seiner Ankunft in Denver erklärt Moustafa, der Handball habe kein Korruptionsproblem. „Nein. Ich glaube nein.“ Handball hat auch kein Dopingproblem, sagt Moustafa:

Wir sind ein sauberer Sport.

Er kann die Aufregung um Schiedsrichterbestechungen, verschobene Spiele und das von der Weltantidopingagentur (Wada) als mangelhaft gerügte Doping­test­programm der IHF nicht verstehen.

Ich bin zufrieden damit, was ich für meinen Sport getan habe.

Zu seiner gewöhnungsbedürftigen Praxis, sich Spesen ohne Vorlage von Belegen erstatten zu lassen, sagt er: „Ich schwöre, manchmal bezahle ich mehr, als ich von der IHF bekomme.“ So ist er, der Präsident, der in der Branche Pharao genannt wird: Verwirrend argumentierend, wendig und schwer zu fassen.

Am Wochenende hatte seine Ankündigung Schlagzeilen gemacht, die IHF werde eine Untersuchungskommission zu den Korruptionsvorwürfen einrichten. In Denver sagt Moustafa, da sei etwas missverstanden worden. Für Gerd Butzeck, den Chef der Vereinigung der wichtigsten europäischen Handballvereine, hat er nur Spott übrig. Butzeck hatte Moustafa in einem Interview auf stern.de als „Kern des Problems“ ausgemacht: „Mit so einem Menschen an der Spitze dürfen wir uns nicht wundern, wenn im Handball jetzt ständig die Rede von Korruption und Bestechung ist.“

Moustafa sagt, er habe mit Butzeck, der ihn ständig um Gespräche bitte, nichts zu bereden. „Welche Probleme macht Hassan Moustafa“, fragt er rhetorisch. Dann zählt er seine vermeintlichen Verdienste auf und erklärt herablassend, wenn Butzeck ein Problem habe, solle er sich zunächst an den deutschen Verbands­präsidenten Ulrich Strombach wenden.

Der Ägypter vermittelt den Eindruck, nicht gestört werden zu wollen von all den hässlichen Meldungen. Seine Kandidatur für die ASOIF-Präsidentschaft machte er ausgerechnet an jenem Tag bekannt, als Jean Kaiser aus Luxemburg und der Isländer Gudmundur Ingvarsson erklärten, ihn auf dem IHF-Kongress im Juni in Kairo stürzen zu wollen. Die ASOIF habe ein Imageproblem, nicht der Handball, verkündet Moustafa.

Ich habe einen Plan! Ich habe ein Programm!

Die Kandidaturen von Kaiser und Ingvarsson bewiesen letztlich nur, „wie demo­kratisch“ es in der IHF zugehe. Seine Gegner werden diese Bemerkung gewiss nicht witzig finden.

Der seit neun Jahren amtierende ASOIF-Präsident Denis Oswald ist ein Hoch­karäter in der Branche. Er ist Präsident des Ruder-Weltverbandes, leitet die ASOIF seit neun Jahren und nimmt als ASOIF-Präsident auch einen Platz im IOC-Exe­kutiv­komitee ein. Der ASOIF-Posten war schon für Oswalds Vorgänger Primo Nebiolo der Schlüssel ins IOC. Dauerthema der ASOIF sind die Anteile an den olympischen Fernsehverträgen des IOC. Moustafa verspricht, sich für höhere Tranchen kleinerer Verbände einzusetzen, was durchaus ankommt unter den Kollegen.

Die jüngste Abrechnung von 2005 bis zum 31. Dezember 2008 ist gerade erfolgt. Das IOC verteilt 290 Millionen Dollar an 28 Verbände (Softball und Baseball waren 2008 in Peking vorerst zum letzten Mal olympisch). Die Verbände werden in vier Zahlungsklassen unterteilt:

  • In der Kategorie A sind allein die Leichtathleten und erhalten 28,5 Millionen.
  • Die Sportarten der Kategorie B (Basketball, Radsport, Fußball, Turnen, Schwimmen, Tennis, Volleyball) erhalten je 14 Millionen.
  • Zur Kategorie C, dotiert mit 9,4 Millionen, zählen Rudern, Reiten, Handball und Hockey.
  • Der Rest (Kategorie D) erhält je 7,9 Millionen Dollar.

Manche Verbände finanzieren sich zu 90 Prozent über diesen olympischen TV-Anteil und könnten ohne diese Tantiemen nicht überleben. Viele sind unzufrieden und halten das vom IOC vorgegebene Ranking für intransparent. Moustafa argumentiert, Handball gehöre in die Kategorie B und müsse also 4,5 Millionen Dollar mehr erhalten. Der Deutsche Klaus Schormann, Präsident der Modernen Fünfkämpfer, sieht das genauso: „Handball gehört dahin.“

In Finanzfragen ist sich jeder selbst der Nächste. Etliche Präsidenten ärgert die hohe Einstufung des von Oswald geführten Ruderverbandes. „In der Kategorie C, zusammen mit Rudern, haben wir nichts zu suchen“, sagt er. „So attraktiv ist Rudern nun auch wieder nicht“, sagt Schormann. Moustafa kommt durchaus zugute, dass die Szene im Umbruch begriffen ist: Im November 2008 haben allein vier Föderationen neue Präsidenten bekommen. Wie die Neuen sich verhalten, ist offen. Moustafa braucht nur 14 Stimmen.

Oswald wollte sich am späten Sonntagabend (Ortszeit) bei seiner Ankunft im Hyatt Regency Hotel in Denver nicht äußern. Kürzlich hatte er Moustafas IHF kritisiert und selbstverständlich betont, der Handballverband müsse seine Dopingregularien den Wada-Regeln anpassen. Moustafa behauptet, er habe Oswalds Kritik gar nicht gelesen. „Vielleicht hat das mit der ASOIF-Wahl zu tun. Es ist doch alles ein Spiel.“ Aber ein ernstes.

16 Gedanken zu „Und es sprach Hassan Moustafa (2): „Wir sind ein sauberer Sport““

  1. was man nicht alles so findet:

    Einen Königsweg für die Bekämpfung von Korruption und Doping im Sport gibt es nicht, erfolgversprechende Modelle könnten jedoch Vermeidungs-Strategien aufzeigen, die in den letzten Jahren im Wirtschaftsleben praktiziert wurden. Das ist ein Fazit der internationalen Expertentagung „Sports and Law“…

    das war vor ca. 2 Jahren, und was folgt:… eben
    http://www.dosb.de/de/service/sport-mehr/news/detail/news/internationaler_sportrechts_kongress_ueber_korruption_und_doping_in_berlin/9746/na/2007/juni/nb/2/cHash/6546a43680/

  2. wo bleibt eigentlich Interpol?

    Kriminalität
    Korruption, Geldwäsche und Betrug können in bestimmten Teilen des Sportssektors oft eine Realität sein. Angesichts des hohen Grads der Internationalisierung des Sektors ist die Wahrscheinlichkeit einer grenzüberschreitenden Dimension dieses Phänomens sehr groß.

    Korruption ist besonders schädlich für den Sport, da sie Sportverbände mit einem Glaubwürdigkeitsproblem konfrontiert. Der Sektor kann dieses Problem nicht allein bewältigen und muss enger mit staatlichen Akteuren, einschließlich Strafvollzugsbehörden, zusammenarbeiten. Korruptionsprobleme mit europäischer Dimension müssen auf europäischer Ebene bekämpft werden.

    Die EU-Mechanismen zur Bekämpfung der Geldwäsche müssen auf effiziente Weise im Sportsektor angewandt werden.

    http://ec.europa.eu/sport/white-paper/whitepaper8_de.htm#4_6

  3. Hassan, was war das das denn? Seit wann brauchen wir eine „geheime Wahl“?
    Jens, bitte um ganz schnelle weitere Aufklärung (also mehr als vor 7 Uhr im DLF).

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