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Das Olympische Bildungsmagazin

Grüße von der Russenmafia: Alimsan Tochtachunow

Angestachelt von der Frage, ob das Uefa-Pokalspiel Zenit gegen Bayern verschoben worden sein könnte, habe ich mich ein wenig umgesehen. Und da sind mir diese Fotos aufgefallen, die sicher überhaupt nicht in einem Zusammenhang stehen zu den Meldungen dieser Tage, die aber verwirren. Vier Fußballfreunde: Joseph Blatter, der tadellose Fifa-Präsident; Wjatscheslaw Koloskow, Exekutivmitglied des Fußball-Weltverbandes Fifa; und Alimsan Tochtachunow, ein – tut mir echt leid, das so formulieren zu müssen – mutmaßlicher Schwerverbrecher. Ebenfalls zugegen: Michel Platini, Fifa-Exekutivler und seit 2007 Präsident der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Ein Screenshot der Fotos der Zeitung Kommersant:

kommersant-screenshot

Ich weiß nicht, ob Joseph Blatter genau wusste, mit wem er da das Glas erhob. Ich werde ihn mal fragen. Es muss ein spaßiger Abend gewesen sein, im Januar 2005 im China Club an der Uliza Krasina 21 in Moskau. Der China Club wirbt übrigens so:

The restaurant, decorated in Truggelmann style instantly became a symbol of classic luxury. And a place with a high concentration of enormous wealth and unlimited power. Deals worth millions were concluded there and destinies were ruled. The restaurant’s story would suffice for a novel, historical or culinary.

Blatter, Platini und Koloskow sind als Fifa-Funktionäre gewissermaßen Stammgäste in diesem Blog. Alimsan Tochtachunow, ehemals Kicker bei Pachtakor Taschkent und heute Präsident der Russian Soccer Foundation, habe ich bislang noch nicht erwähnt, obwohl er doch, nun ja, zu meinen Lieblingsmafiosi zählt. Er sieht gut erholt aus auf den Fotos der russischen Zeitung Kommersant. Auf dem Fahndungsfoto von Interpol, das ist eine jener blöden Behörden, mit denen Fußballfunktionäre nichts zu tun haben möchten, ist er nicht so gut getroffen. Aber das liegt vielleicht in der Natur der Sache:

interpol-steckbrief

Das FBI brachte Alik, wie Tochtachunow von seinen Freunden genannt wird, mit zahlreichen Verbechen in Verbindung – und mit strammen Syndikaten der Russenmafia. Nur ein kleiner Ausschnitt von mehreren Seiten Fahndungsmaterial:

fbi-quote1-alik

Inzwischen ist Wjatscheslaw Iwankow – Japontschik, der „kleine Japaner“ – wieder ein freier Mann. Sofern sich seine Spuren verfolgen lassen, lebt er jetzt in der Karibik, auf den Cayman Islands. Alik Tochtachunow, auch Taiwantschik genannt (der kleine Taiwanese), konnte seine Auslieferung an die USA erfolgreich verhindern. Er lebt jetzt im legendären Peredelkino und bleibt dem Fußballgeschäft treu verbunden, über zahlreiche Freunde und Bekannte wie Fifa-Mann Koloskow, Kakha Kaladze (AC Mailand) oder Schamil Tarpischtschew, seinen Schul- und Fußballkumpel. Tarpischtschew war in den neunziger Jahren Tennislehrer von Boris Jelzin und stieg damals gleich zum Sportminister auf, IOC-Mitglied wurde er ebenfalls. Er war mit verantwortlich, dass einige Milliarden Dollar aus dem Nationalen Sportfond spurlos verschwanden. Egal, er blieb im IOC und berät heute Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow. Weltweit wurde Tarpischtschew als Kapitän der russischen Tennisteams (Davis Cup und Fed Cup) bekannt, der öfter mal Schwierigkeiten mit einem US-Visum bekommt. Ãœber Schamil Tarpischtschew, der im Januar 2005 ebenfalls im China Club war, habe ich mir schon die Finger wund geschrieben. Doch zurück zum kleinen Taiwanesen.

Tochtachunow lebte in den neunziger Jahren einige Zeit in Köln, Paris und Tel Aviv und stieg in Windeseile zum Multimillionär auf. Gerade seine Zeit in Deutschland wurde vom Mafia-Rechercheur Jürgen Roth in mehreren Büchern ausführlich beschrieben. Tochtachunows erstklassige Verbindungen zu russischen Sportstars wie dem Eishockeyspieler Pawel Bure, den Tennisspielern Jewgeni Kafelnikow, Andrej Medwedew und Marat Safin oder der Eistänzerin Marina Anissina sind bestens belegt. Im Jahr 2002 wurde Alik, der bis dahin nur Insidern bekannt war, wie es sich für einen Mann seines Schlages gehört, durch das Skategate von Salt Lake City zum Weltstar. In einer spektakulären Aktion gegen die Mafia (Aktion Spinnennetz) wurde er im Sommer 2002 in Italien festgesetzt, doch nach einigen Monaten kam er frei und flüchtete nach Moskau. Die Amerikaner hätten ihn gern gehabt und, wenn ich richtig gezählt habe, für etwa 25 Jahre ins Gefängnis gesteckt.

John Barr und William Weinbaum vom amerikanischen Sportsender ESPN besuchten Alik im Frühjahr 2008 in Moskau. Auf der ESPN-Webseite ist zwar kein Video des Beitrags mehr verfügbar, doch die Geschichte fasst das Skategate noch einmal gut zusammen: Wanted man: ‚Little Taiwanese‘ and his big role in an Olympics scandal. Als ergänzende Lektüre hier die Anklageschrift aus New York inklusive einiger Passagen aus den Telefonprotokollen (pdf, 500 kb). Tochtachunow sagt natürlich:

That all that’s being written about me is completely untrue.

Das soll’s erstmal gewesen sein. Ãœber Alik Taiwantschik Tochtachunow und seine Netzwerke im Sport ist noch viel mehr zu sagen. Vielleicht interessiert das ja auch Blatter und Platini, die ihn im Moskauer China Club trafen. Fifa-Sepp bekämpft ja, wie wir wissen, einmalig konsequent Korruption und andere Verbrechen. Und Platini will, wenn man dem Uefa-Sprecher glauben darf, ganz genau hinschauen, ob da irgendwas war bei Zenit-Spielen mit der Mafia. Ich meine, Blatter und Platini könnten sich ja mal bei den richtigen Leuten in Russland erkundigen.

Nachtrag: Wenn ich es mir recht überlege, könnte ich nochmal das Marlon-Brando Blatter-Zitat vom Mittwoch bringen. Scheint zu passen:

Wenn wir Probleme haben in der Familie, dann lösen wir die Probleme in der Familie und gehen nicht zu einer fremden Familie. Alles, was im Fußball passiert, und alle Schwierigkeiten, die im Fußball sind, sollen innerhalb der fußballerischen Gerichtsbarkeit oder Rechtsprechung gelöst werden und nicht vor ordentliche Gerichte gebracht werden. Das ist nicht mehr unsere Familie.

21 Gedanken zu „Grüße von der Russenmafia: Alimsan Tochtachunow“

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