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Das Olympische Bildungsmagazin

Der Fall Pechstein: Inszenierung mit Parteigutachten

Claudia Pechsteins Manager Ralf Grengel (Foto: Eberhard Thonfeld/Camera4) weist mich hier auf irgendetwas hin. Ich meine, es ist jene Passage, als er sagt, dass „selbstverständlich jeder, der hier arbeitet, Geld bekommt“. Ich hatte, nachdem ich wie alle anderen Journalisten auf der so genannten Pressekonferenz, die über weite Teile eher eine propagandistisch angehauchte PR-Nummer war, nach knapp anderthalb Stunden Wartezeit, als endlich Fragen erlaubt waren, mich danach erkundigt, ob denn der Moderator der Veranstaltung (Thomas Reckermann) und die beiden anwesenden Sachverständigen (Holger Kiesewetter und Rolf Kruse) entlohnt würden. Wer arbeitet, soll auch etwas bekommen, sagte Grengel. (btw: Das hört ein Blogger gern) Anwalt Simon Bergmann fügte an: „Herr Weinreich, ein Parteigutachten ist ein Parteigutachten, es wurde von der Partei beauftragt, deshalb heißt es so.“ Danke, das hatte ich gar nicht bestritten. Ich wollte es nur nochmal hören.

Korrektur, 21.09 Uhr: Offenbar habe ich in der Hektik etwas überhört. Denn einen ersten aktuellen Text habe ich am Nachmittag fabriziert, es ist ja das Los des/der Journalisten, schnell drauflos schreiben zu müssen. Zu diesem Beitrag erreichte mich um 20.04 Uhr ein Schriftsatz von Bergmann im Auftrag von Claudia Pechstein, in dem es heißt: „Der von Ihnen angesprochene Gutachter Rolf Kruse wurde für die Erstellung seines Gutachtens nicht bezahlt.“ Ich werde aufgefordert, diese Behauptung zu unterlassen.

Ich finde übrigens, und das meine ich gar nicht ironisch, Claudia Pechstein guckt auf diesem Foto wie unschuldig.

Nun versuche ich, die Ereignisse/Erlebnisse sacken zu lassen. Klar ist für mich, was ich spätestens seit gestern kommentiere: Geladene Journalisten wurden hier Teil einer Inszenierung, die vor allem darauf angelegt war, die Argumente der Verteidigung (die heute zum Ankläger wurde) eine knappe Stunde lang live im Fernsehen vorzubringen. Das ist keine große Kunst, dazu gehört nur Chuzpe und ein wenig Professionalität. Beides ist im Pechstein-Lager zweifellos vorhanden.

Während ich es also noch sacken lasse und hier peu à peu versuche, Gedanken eintrudeln zu lassen, stelle ich zunächst die Hauptargumente der Pechsteins zur Diskussion. Diese auf drei Seiten gepressten „ergänzenden Informationen“ der Anwälte. Wie aber schon im gestrigen Beitrag, in dem ich mich zu einigen Argumenten der Verteidigung geäußert habe, weise ich auch heute darauf hin:

Die Lektüre des Beitrags “Die Blutkontrollen von Claudia Pechstein” ist unverzichtbar, will man sich auf die folgenden Bemerkungen einlassen. Meiner Kenntnis nach, ich lasse mich gern korrigieren, findet sich die Aufstellung der Kontrollergebnisse überhaupt nur in diesem Blog. Unverzichtbar ist auch die Lektüre des Beschlusses der ISU vom 1. Juli.

Sollte ich mit diesen wiederholten Hinweisen jemanden nerven, tut es mir leid; allein: Ich kann und will es nicht ändern. Denn um die einzelnen Stränge und Argumentationslinien, um all die Behauptungen, Finten, Fakten, Vermutungen, Erklärungsversuche u.v.a.m. einigermaßen adäquat nachvollziehen (oder wenigstens erahnen zu können) ist diese Lektüre unverzichtbar.

To be continued. Dachte ich. Mal sehen, ob ich dazu nach der Anwaltspost noch Lust habe.

192 Gedanken zu „Der Fall Pechstein: Inszenierung mit Parteigutachten“

  1. Also, ich finde, sie guckt wie: „Ach so, das ist der Typ, der noch nicht lange im Geschäft ist. Klar, dass der so naiv fragt.“

    Die zwei wichtigsten „neuen“ Argumente – die Strich-Codes und Kreischa ./. Lausanne – sind erledigt, kaum dass sie vorgetragen wurden. Bleibt eins: Eine Athletin, die vor kurzem sinngemäß meinte, sie sei krank oder gedopt, ist nun glücklich, dass sie nicht krank ist.

  2. Das stimmt so nicht, der Herr Zabel hat sich durchaus die oder andere Träne rausgedrückt, als er über seinen Sohn sprach.

  3. Jens: Das ist ja mal eine Deutung der Welt aus dem Hause Pechstein. Die Journalisten, die die Arbeit der Dopingkontrolleure für plausibel halten, sind naiv. Die Journalisten, die sich schützend um die Sportler scharen und ihre Soundbites verbraten, sind…ja, was denn eigentlich? Klug? Sachverständig? Gut informiert?

    Nach der Logik der Pechstein-Fraktion im Umgang mit Indizien und anderen Tatbeständen wäre der ganze Text übrigens nichts wert. Er enthält einen Formfehler der Sonderklasse. Es wurde nicht mal dein Name richtig geschrieben.

  4. @ nocheinjurist: Sie haben mich zum Lachen gebracht. Ausgerechnet Sie, kaum geht im Osten die Sonne auf, äußern sich als erster dazu. Quatsch, nicht „ausgerechnet“, sondern: Sie, na logisch. Und die Antwort auf Ihre rhetorische Frage kennen Sie doch, Sie alter Jurist. Was ist heutzutage schon umsonst? War unter Juristen jemals etwas umsonst?

    Juristen, das wollte ich Ihnen heute morgen schon schreiben, weil Sie ja gern die Arbeit von Journalisten bekritteln, die aus Ihrer Sicht – kurz gesagt – vom Leid anderer Menschen profitieren, sind doch eigentlich auch nicht viel besser. Oder?

  5. lieber herr weinreich,

    pechsteins pr strategie ist sehr gut. sie meussen dicke bretter bohren um sie zu demaskieren. ihre frage mit der entlohnung geht da genau in die richtige richtung stichwort: gefaelligkeitsgutachen.
    wenn frau pechstein sie auf ihrer internetpraesenz erwaehnt ist dies doch eine gewisse adelung.
    eine kleine erbesenzaehlerei muss noch sein:
    leider ist vieles was die anwaelte machen umsonst/vergebens aber leider nicht gratis siehe: falscher zwanziger.

  6. Verstehe ich das richtig: Für einen Satz, den man auf einer PK mißverstanden hat – u.U. auch weil sich die Veranstlter unklar ausdrückten – gibt es eine Abmahnung mit Kostennote vom Anwalt für den Journalisten?

    Das bedeutet für mich das Ende der Pressefreiheit. Denn ich sehe da ein Szenario: Einer schreibt die Wahrheit. Aber der Gegenseite passt das nicht, sie schickt einfach mal eine Unterlassungserklärung. Irgendwann knickt man schließlich ein, kein Freiberufler hat die Nerven und die Kohle sowas jedes Mal, auch wenn man nachweisen kann die Wahrheit gesagt zu haben, juristisch auszufechten.

  7. @ Marc: Präzise betrachtet ließe sich sagen: Für ein Wort, das man eventuell missverstanden hat. Die Situation: Journalist wartet rund 80 Minuten auf die Möglichkeit, auf einer Pressekonferenz seine Fragen loszuwerden. Nutzt sofort die Chance zu einem kleinen Fragenkomplex. Vier Menschen antworten auf sauber formulierte Fragen (u.a. zur Bezahlung), teilweise allerdings parallel. Journalist versucht, allen auch während der Antwort einen höflichen Blick zu schenken, alles zu notieren – und bekommt möglichwer Weise nicht mit, dass ein fünfter Mensch etwas sagt, was dem Eindruck, den er aus den Äußerungen zweier anderer Menschen gewann, widerspricht. Danach: Produktion in der üblichen Hektik, guten Gewissens, denn Journalist war ja der, der die Fragen gestellt hat. So kann man sich täuschen.

    Konkreter gehts nicht. Ich denke, Du verstehst. Dass Journalist in dieser Auseinandersetzung nicht freundlich auf etwas hingewiesen, sondern dass gleich die finanzielle Keule geschwungen wird, muss Journalist schlucken. Er ist ja, auf seine Art, auch nicht wirklich zimperlich. Klar ist, dass Journalist seine, sagen wir: Geschäftspartner, sofort informiert und, ohne dass ihm der Sachverhalt bis ins Letzte klar ist, vorsorglich den Bericht ändern lässt. Mal sehen, wie es weiter geht.

  8. die widerliche impertinenz, mit der pechstein ihre argumentationslinie fährt, weckt doch irgendwie sofort erinnerungen an den niedergang des jan u.. nachdem die geschichte mit der ominösen blutkrankheit wohl auch ihren anwälten zu obskur zu sein schien und die wahrheit doping von anfang an kein thema war, konzentriert man sich jetzt voll und ganz auf formalien.

    ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, wie diese vielzahl von extremwerten (da läuft mir als mediziner beim lesen ein kalter schauer über den rücken!) allein durch eichfehler, mögliche einzelne etikettierungsabweichungen etc. zu fall zu bringen seil soll?!

    mich würde interessieren – stimmt denn eigentlich die behauptung von pechstein’s verteidigung, dass sämtliche proben in nicht-WADA-akkreditierten labors untersucht wurden? ist dies eine unabdingbare voraussetzung für eine gerichtliche anerkennung??

    in jedem falle möchte ich jens weinreich an dieser stelle mal ein dankeschön aussprechen.
    ihre arbeit gilt für mich als ein schönes beispiel für investigativen journalismus. weiter so!

  9. Theoretisch wäre es doch möglich, dass bei der CAS-Verhandlung im Herbst ‚rauskommt, dass sie wahrscheinlich gedopt hat, aber die Sperre wegen der Formfehler aufgehoben wird? Das allerdings wäre ein Schlag ins Gesicht der Dopingbekämpfer. Vielleicht wird ja auch schon Ende nächster Woche aus den gleichen Gründen das Trainingsverbot aufgehoben – so als kleiner Vorgeschmack.

  10. Na, das scheinen ja ziemlich menschenverachtende Zustände zu sein auf so einer Pressekonferenz. Wenn man einmal gleichzeitig von MEHREREN Menschen besprochen wird, dann sind Fehler ja praktisch unausweichlich. Natürlich reicht das Transfervermögen nicht soweit, auch Anderen, z.B. Laborangestellten, solche elenden, drittweltartigen Arbeitsbedingungen zuzugestehen, denn dann könnte man ja nicht mehr draufhauen, Fehler als „Fehler“ mit Augenzwinkern – wir wissen ja alle Bescheid über die Dopingkuschelgemeinde – kennzeichnen, oder allgemeine Verschwörungen wittern.

    Was ich eigentlich sagen will: Was macht Sie angesichts Ihres vermeintlichen Fehlers so sicher, dass Pechstein nicht Opfer von Laboren ist, die ebenso vermeintlich schludrig wie Sie operieren?

  11. Bin ich einfach nur zu doof, ist der Artikel in der FR bereits geändert worden oder fiel dort der Name Kruse im Zusammenhang mit „Bezahlung“ erst gar nicht?

    Bitte weiter „Lust haben“, übrigens. Wär ja noch schöner, wenn man die Kommunikationsherrschaft Leuten überlassen müsste, die glauben, zum Kommunizieren genüge eine Seite.

  12. @ Ralf Kohler: Scheint auch nicht die gesamte Pk zu sein, sondern nur die erste Stunde, die im Fernsehen übertragen wurde.

    http://mediencenter.n24.de/index.php?deepLink=screen/startScreen/video/600446

    Das ist insofern unverständlich, da der Rest der Pk online weiterhin übertragen wurde. Und das ist insofern skurril, da eine Pressekonferenz gezeigt wird, bei der die Presse nicht zu Wort kommt.

    Vielleicht fasst sich N24 noch ein Herz und stellt die gesamte Pk ins Netz.

    Zwei Fragen an den Hausherrn:

    Hat es eigentlich mit der Expertenrolle noch geklappt oder war Prof. Schänzer im Studio der Ersatz?

    War Evi Simeoni diejenige, die nach Namen und Tätigkeit des Moderators sowie der Klärung des Begriffs Barcode (nur Balken? nur Zahlen?) gefragt hat?

  13. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, den ISU-Beschluss durchzulesen und ihn mit den Argument der Anwälte zu vergleichen. Sorry, es wird länger.

    Wenn ich das richtig verstehe, stehen im Beschluss der ISU die Entgegnungen zu einer Reihe der Argumente schon drin. Ein paar (nicht alle) Punkte:

    Zu 1. „Die Verwertung der Daten [..] ist unzulässig, weil es [..] keine Rechtsgrundlage hierfür im ISU-Anti-Doping-Regelwerk gibt.“

    Wenn ich das richtig sehe wird das u.a. in den Punkten 22. und 25. behandelt. Ich bin kein Jurist und blicke daher durch die Argumente nicht selber durch.

    Zu 2. „Bei sämtlichen Blutproben [..] wurden die maßgeblichen WADA-Standards [..] nicht eingehalten.“

    Da steht u.a. in 20. und 23. was dazu. Es wird argumentiert, dass der Test durch eine Testmaschine durchgeführt wurde und es dazu nicht nötig sei, dies in einem WADA-akkreditierten Labor zu tun, selbst nach WADA-Standards. So eine Testmaschine scheint übrigens so auszusehen:
    http://diagnostics.siemens.com/webapp/wcs/stores/servlet/ProductDisplay~q_catalogId~e_-111~a_catTree~e_100001,1015820~a_langId~e_-111~a_productId~e_172953~a_storeId~e_10001.htm

    Zu 4., Schwankungen der Messwerte.

    Punkt 29. erklärt interessanterweise die unterschiedlichen Angaben der Messwerte von Hamar damit, dass die „Computerdaten“ den Mittelwert von 4 Testläufen enthielten, während die Anklage nur die Werte der ersten zwei Testläufe widerspiegele.

    Das finde ich interessant, dass die Werte von anscheinend der gleichen Probe so relativ stark schwanken. (Was dann wohl bedeutet, dass abweichende Werte trotzdem gültig sind, solange sie „hoch genug“ sind.)

    Zum letzten Punkt: „Die [..] Verkennung der Beweislastverteilung hat dazu geführt, dass die ISU es unterlassen hat, weitergehende medizinische Untersuchungen zum Ursachenzusammenhang der Retikulozytenwerte anzustellen [..].“

    Da steht in u.a. in 33.,36. und 37., was hier im Blog auch schon klar gesagt wurde: Da der einzige Weg, eine Blutkrankheit nachzuweisen, über eine Untersuchung der Athletin führe, die die ISU nicht erzwingen könne, wurde ihr angeboten, so eine Untersuchung vornehmen zu lassen. Das wollte sie nicht. Da also die einzige plausible Möglichkeit, die Dopingvorwürfe zu widerlegen, nämlich durch Nachweis einer Blutkrankheit, verschlossen sei, könne man dies nicht als Entlastung heranziehen.

    Ist jetzt eigentlich noch von einer Blutkrankheit von Claudia Pechstein die Rede? Damals im Sportstudio sagt sie meiner Erinnerung nach: „Es könnte ja auch sein, dass ich schwer krank bin.“ Hat sie sich inzwischen dahingehend untersuchen lassen?

    Wenn ich das richtig verstehe, will sie sich also sechs Wochen lang testen lassen lassen, um zu zeigen, dass die Werte normal sind. (Stimmt das eigentlich, ich finde in den neueren Artikeln keine Bemerkung mehr dazu.) Wenn ich das richtig verstehe, ist das aber keine Untersuchung, die eine Blutkrankheit erkennen soll, oder? Wenn ja, das könnte man das ja sagen. (Und für medizinische notwendige Untersuchungen wird sie doch versichert sein.) Das Motto ist also „Wir weisen nach, dass die Symptome einer Krankheit da sind, aber ob die Krankheit da ist, ist uns egal“?

    Das da oben ist alles nur so wie ich das verstehe, ich bin ja kein Jurist.

    Nettes Foto übrigens.

  14. @ jw: Ich hatte es befuerchtet, aber das Gegenteil gehofft. (Glauben Sie es mir oder nicht.) Auch als gelerntem Juristen entgeht mir nicht, dass mit Verweis auf Persoenlichkeitsrechte und/oder Beweisprobleme (wie will man den Inhalt von Vier-Augen-Gespraechen beweisen oder eben jetzt den Inhalt der PK?), verbunden mit dem Anwaltszwang beim Landgericht, viele Dinge faktisch unter der Decke gehalten werden koennen, die in einem Rechtsstaat bekannt werden sollten. Da ich eher an der Wahrheit als am Persoenlichkeitsrecht interessiert bin, geht mi alles, was das zu verhindern sucht, ziemlich gegen den Strich.

    Zur zweiten Frage: Ob Juristen viel besser sind, ist eine Frage des Einzelfalles. Auch wenn Juristen profitieren, mir war es eigentlich recht, wenn sich Leute nicht in Problemlagen bringen. Also bspw. Dinge, die in Vertraege reinsollen, reinschreiben. Und auch mal, bevor es Probleme gibt, Juristen fragen und auf sie hoeren und nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen. Aber gut, da wird das Geschaeft dann mit der Hilflosigkeit gemacht, das ist vielleicht auch nicht viel besser. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass es auch Anwaelte gibt, die fuer einige Sachen letzlich nichts nehmen, weil sie ihren Beruf anders verstehen als ihre Kollegen.

    Da sich die Deutschen weitgehend von der Subsistenzwirtschaft verabschiedet haben, macht uebrigens fast jeder (in meinem Bekanntenkreis) Geschaefte mit dem Leben der anderen. Mit anderer Leute Leid, Unvermoegen, Aengsten, Sehnsuechten. Ob er Getraenke verkauft, Kirchenmusik spielt, Buecher verlegt, journalistisch oder juristisch taetig ist. (Keine Angst, das wird hier keine Sozialromantik.) Die Rollen zu beleuchten, die so eingenommen werden, ist doch nicht uninteressant. Fast bin ich geneigt, das irgendwie als Mitmachsystem zu verstehen ;-)

    Falls das jetzt wieder in ne Spendenaktion muende, diesmal waere ich dabei. Die Seite und sein Betreiber sind zu wichtig, um auf diese Art ausgeknockt zu werden.

  15. Ich wage mal eine Prognose, wie die ganze Geschichte weitergeht: zunächst einmal wird es nichts mit der Olympiateilnahme, u.a. auch weil die Mühlen langsam mahlen. Es wird reichlich juristische Auseinandersetzungen geben, in deren Verlauf die Sperre irgendwann aufgehoben wird. Frau Pechstein wird sich freuen, aber dabei übersehen, dass sie sich in derselben Situation wiederfindet wie Jan Ullrich: ihr „Freispruch“ wird nämlich auf formaler Basis erfolgen und nicht etwa ein Freispruch erster Klasse sein. Das hilft ihr, weil sie dann weiter ihren Sport betreiben kann (so Alter und Gesundheit es zulassen) und möglicherweise auch, weil dann das Disziplinarverfahren zu ihren Gunsten ausgeht. Ihr Bild in der Öffentlichkeit wird jedoch massiv beschädigt sein. Dem Eisschnellauf wird es in der Folge so ergehen, wie dem Radsport – es sei denn, die ISU hat mit weiteren „Säuberungen“ mehr Erfolg und die Öffentlichkeit fasst wieder Vertrauen in sauberen Wintersport.

    Meiner Meinung nach wäre es klüger gewesen den Kuhhandel anzunehmen, so es ihn denn gegeben hat. Ich sage es mal so: wer mit dem Kopf durch die Wand will, schafft das zuweilen, aber die Wand ist einfach härter – und das hinterlässt Spuren.

  16. Frau Pechstein hat doch jetzt Zeit und könnte eigentlich bei Ihrer geliebten Kollegin Anni Friesinger die Brautjungfer machen….unschuldig gucken kann sie ja schonmal.

  17. @ Ulf: Das war blöd. Muss nicht sein, so ein Kommentar.

    @ nocheinjurist: Nein. Keine Spenden. Nicht dafür.

    @ Christoph: Ich habe danach n24 ein Interview gegeben. Ob und was sie davon je gezeigt haben, weiß ich nicht. Evi Simeoni war nicht in Berlin. Ich kenne die Kollegin nicht, die diese Frage gestellt hat.

    @ Linus: Ist natürlich sofort geändert worden. Jemand macht mich auf eine Unkorrektheit aufmerksam. Ich prüfe das, ärgere mich über den Fehler – und korrigiere bzw. informiere die Kollegen und bitte um Korrektur.

    @ mju: Gut, dass Du Dir die Mühe gemacht hast. Ich sage ja, es lohnt sich, und man erkennt, dass fast alle Probleme längst diskutiert wurden, in einem über Monate währenden Verfahren. Um nichts anderes habe ich mehrfach gebeten: Bitte vergleicht die Argumente beider Seiten. Es ist keinesfalls so, glaube ich zumindest, dass auf Seiten der ISU/WADA/NADA nur Vollidioten arbeiten, wie manche uns gern weißmachen wollen. Von einer mysteriösen Blutkrankheit ist, wenn ich das recht verstanden habe, nun gar nicht mehr die Rede. Auch interessant.

    (Ãœbrigens hatte ich die Siemens-Maschine vor zwei Tagen verlinkt.)

  18. Oft übertragen ja bei solch einer Gelegenheit mehrere Sender. Hat mich etwas überrascht, dass diesmal nur der ausgewiesene Sportkanal N 24 dabei war.

    PK ist aber, glaube ich, von N 24 nicht als live und exklusiv im Vorfeld beworben worden.

    Mir stellen sich folgende Fragen:

    Gab es ein Abkommen zwischen N 24 und der Pechstein-Seite (wg. exklusiver Übertragung). Hat der Sender womöglich sogar Geld bezahlt?

    War die Ausblendung nach dem offiziellen Teil Bestandteil des Abkommens? Gut, dagegen spricht, dass immerhin online weiterübertragen wurde.

    Andererseits erscheint es mir merkwürdig, sich zum rehulären Programm zu verabschieden, da aber nahtlos mit Prof. Schänzer weiterzumachen. Er hätte auch später befragt werden können.

    Umgekehrt sind erfahrungsgemäß die Journalisten-Fragen bei PK`s oft schlecht zu verstehen (vielleicht ist das ein Ausblende-Argument). Abgesehen davon gibt es bei durchschnittlichen PK`s nur wenige Journalisten, die fragen.

  19. Ah ja? Und was, wie lange?

    Vorab habe ich aber auch nur Hinweise gelesen „live auf N 24“, hat n-tv vorher nicht getrommelt?

    Hat jemand das live auf N-TV gesehen?

    Ganz nebenbei: Der Live-Stream bei N 24 ist sehr schnell. Während bei anderen TV- und Radiosendern bei Internetübertragung Verzögerungen bis zu einer Minute auftreten, war bei N 24 gegenüber der Satellitenübertragung nur eine minimale Verzögerung auszumachen. Selbst DVB-T liefert fünf Sekunden Verzögerung.

    Live ist halt live, deswegen halte ich das für eine wichtige Information.

    Gab es eigentlich einen N 24-Journalisten vor Ort, der aufgetreten ist?

    Ãœbrigens: Dieser Thomas Reckermann erinnerte mich an Thomas Leifs Fernsehauftritte.

    Immerhin haben sie versucht, die Inszenierung nicht zu auffällig werden zu lassen. Z. B. hat Reckermann schon mal den Eindruck erweckt, irgendwas einzubringen, was die anderen drei „vergessen“ hatten. Herrlich, wie dann Grengel die Vorlage aufgreift: „Stimmt …“

    Hübsch auch, dass sich Grengel auf die (lancierte) DPA-Meldung vom Vortag beruft …

    Rechtsanwalt Simon Bergmann war immerhin einigermaßen souverän, da könnte man schon mal meinen, dass er bedeutende Dinge erzählt, was die eigenen Ohren letztlich aber nicht bestätigen.

    Passagenweise hörte sich das zumindest von der subjektiven Sicht her plausibel an. Zum Beispiel, dass man sich zu dem Zeitpunkt nicht auf die 45-Tage-Untersuchung eingelassen hat. Von der Sache her wäre es natürlich sinnvoll gewesen so etwas längst gemacht zu haben oder eben komplett drauf zu verzichten.

    Insgesamt hat mich das Ganze überhaupt nicht überzeugen können (erwartungsgemäß).

  20. Wenn ich das richtig verstehe, bleibt als Fazit der ganzen Aktion doch, dass es Frau Pechstein und Kollegen trotz des ganzen PR-Aufwandes nicht gelungen ist, diese Blutwerte mit irgendetwas anderem als „formellen Fehlern“ zu erklären. Und ob in dieser Richtung tatsächlich seitens der ISU, der beteiligten Labore oder der NADA Fehler gemacht worden sind, wird sich ja wohl klären lassen.
    Die Jungs aus Kreischa haben dem ja schon widersprochen.

    Und der Gedanke, dass Frau Pechstein, die seit mehr als 15 Jahren Profisportlerin ist, eine bis dato unbekannte Blutkrankheit hat, die bei keiner der vielen medizinischen Tests und Kontrollen in dieser langen Zeit aufgefallen sein soll, ist so absurd, da ist es kein Wunder, dass das gestern kein Thema mehr war.

    Ich hoffe, die ISU knickt nicht ein. Sonst können die dieser Methode des Doping-Nachweises direkt auf Wiedersehen sagen.

  21. @B.Schuss: die formalen Fehler erklären die Blutwerte nicht. Sie sind höchstens geeignet, die Erklärung durch Doping zu diskreditieren und damit deren Verwendung als Indizien zu verhindern. Und kein anderes Ziel (d.h. „Freispruch“ aus formalen Gründen) scheint das CP-Lager zu verfolgen.

  22. @B.Schuss: stimme vollkommen zu
    Eine Anmerkung für die wohl nicht mehr zur Disposition stehende Quarantäne:
    Innerhalb dieser 6 Wochen müsste unbedingt ein Wettkampf eingebaut werden, sonst schnellen die Werte doch nicht in die Höhe… und der schöne Versuch ist wertlos. (Ironie, ok?)

  23. @ Jens

    Dann hatte ich es doch richtig in Erinnerung, dass da vorher noch mehr stand (was aber von der FR mit keinem Wort erwähnt wurde). Ich meine mich aber erinnern zu können, dass da gar nichts Explizites über die mögliche Bezahlung des Herrn Kruse stand, lediglich etwas über den (ebenfalls auf SPON skizzierten) Hintergrund des Herrn Kiesewetter, oder täuscht mich das? Diese Passage taucht aber nun auch nicht mehr auf…

  24. Schön auch die Anrede, welche Frau Pechstein über ihren Homepage-Eintrag setzt:

    „Liebe Fans, liebe Eisschnelllauffreunde, liebe Dopinggegner,“

    Könnte man eine Menge reininterpretieren, aber ich lasse das mal, Frau Pechsteins Anwälte lesen hier wahrscheinlich mit (oder lassen lesen), und dann gibt es direkt wieder bzw. noch mehr Ärger für den Hausherrn. Muß ja nicht sein.

    Eisschnelllauffreunde – schreibt man das nach neuer Rechtschreibung so? Nach alter wären’s nur zwei „l“. Egal.

    Und eine Kontrollinstanz für Journalisten, die am besten noch durch irgendwelche geheimen „Sperrlisten“ „unbedarfte“ (oder „naive“??) Internet-Surfer vor „unerwünschter“ Lektüre „schützt“ – ja, davon träumt bestimmt so mancher, der was zu verbergen hat. Nachts. Feucht.

  25. Ich kann mich erinnern, dass der Manager von CP zuerst gesagt hat, dass der Herr Kruse nicht bezahlt wurde, der Herr Kiesewetter eine „Aufwandsentschädigung“ erhalten hätte.
    Das nächste Mal können wir hier ja mitbloggen, oder es wird jemand abbestellt, der den Stream mitschneidet.
    Jens, Du hast Frau Pechstein ja auch noch gefragt, ob sie „noch“ mit 3 Namen zusammenarbeitet, woraufhin sie sagte, dass sie die nicht kennen würde. Wer war das denn, und welchen Hintergrund hat das?
    In den Tagesthemen hats gestern mal wieder geSeppelt.

  26. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (40): der Kampf um die Deutungshoheit : jens weinreich

  27. @ helmboy: Schauen Sie, sogar Sie dürfen hier ungestraft munter kommentieren. Auch wenn ich mir angesichts der persönlichen Angriffe doch eher einen Klarnamen wünschte, statt nur: helmboy. Aber was soll’s, das geht schon in Ordnung, ich schalte auch so etwas frei.

    Es lässt sich, mein lieber helmboy, relativ leicht nachvollziehen, wer in diesem Fall Verschwörungstheorien strickt und wer nicht.

    Ich jedenfalls habe nie behauptet, dass in Laboren und bei den Kontrollen selbst nicht auch Fehler unterlaufen können. Und ich habe erst recht nicht behauptet, dass quasi sämtliche 95 vorliegenden Werte nicht zu gebrauchen seien, weil im Prinzip keinerlei Standards eingehalten worden sein sollen und es vor haarsträubenden Fehlern angeblich nur so wimmelt.

    Ich habe übrigens oft genug – so oft, dass es mit von manchen als Koketterie ausgelegt wird – auf Fehler in meinen Beiträgen, ob nun hier oder für Geschäftspartner, hingewiesen. Diese Fehler werden korrigiert, und darüber wird sogar diskutiert. Ob Sie es glauben wollen oder nicht.

  28. So so, die Pechstein-Anwälte sind tragender Bestandteil einer über einstündigen Pressekonferenz bzw. TV-Inszenierung und verschicken danach eine Unterlassungserklärung?? Lese ich das richtig?
    Die machen sich wirklich Freunde!

  29. Danke, Christoph.

    Gab`s einen Grund? War`s denen zu blöd oder gab`s „programmliche Zwänge“ oder hatten die Planer nicht bedacht, dass man mehr als 30 Minuten mit der Entlastungs-PK füllen könnte?

  30. Lieber nocheinjurist,

    gerade vor Gericht muss ja auch in Fällen ein Urteil gefällt werden, wo nur zwei dabei waren (nehmen wir einen Vergewaltigungsvorwurf) und wo schlechtestenfalls nichts anderes da ist als die eine oder die andere Aussage.

    Das Sie dieses Dilemma beklagen verstehe ich. Trotzdem würde ich hoffen, dass gerade Sie als Jurist „erklären“ können, warum man (der Richter) bei solch einer Vier-Augen-Problematik dem einen glaubt und nicht dem anderen. Kann da auch das Bauchgefühl entscheiden? Oder heißt es halt im Zweifel für den Angeklagten? Oder, oder?

  31. @ Ralf Kohler: Trennen Sie erstmal Zivil- vom Strafrecht, das kommt selten zusammen (Ausnahme: Adhaesionsverfahren, 403ff. StPO, aber ungebrauchlich, weil Strafrichter in der Regel nicht so gern Zivilrecht machen).

    Es ist im Grundsatz im Zivilrecht recht einfach: Wer fuer ihn guenstige Tatsachen behauptet, muss sie beweisen. Ich machs mir mal einfach, und verlinke, was ich ganz brauchbar (und schnell) gefunden habe

    http://bgb.jura.uni-hamburg.de/zivilprozess/beweis.htm

    lesen Sie mal 7d), es haengt aber auch vom Richter ab.

    Prominenter Vier-Augen-Fall (oder etwas aehnliches): Schaeuble und Baumeister (der Text ist NICHT der letzte Text zu dem Thema, aber Sie finden vielviel mehr, wenn Sie suchen). Aber es war ja ne PK, und alles weitere, was man juristisch dazu wissen muss, wird vermutlich der Hausherr zu gegebener Zeit verraten, oder aus prozesstaktischen Gruenden fuer sich behalten.

    im Strafrecht … muss der Richter sich eine Ueberzeugung bilden, denn er ist Herr des Verfahrens (deshalb darf er auch eine hoehere Strafe verhaengen, als von der Staatsanwaltschaft gefordert — anders Zivilrecht — Partreiverfahren, er darf nicht ueber die Antrage der Parteien hinausgehen). Deshalb kann es auch passieren, wenn er 7 Zeugenaussagen zugunsten des Angeklagten ignoriert, wenn er es hinreichend begruendet. Wie man sich die Ueberzeugung bildet — ein bisschen Wissenschaft und viel Erfahrung.

    Aber um ein Strafverfahren geht es hier nicht.

  32. Danke.

    Ich würde aber sagen: Es geht um ALLES.

    Bei einer PK kann doch wohl kein Vier-Augen-Problem gegeben sein. Diese Sache (Unterlassung) hatte sich mir ohnehin nicht erschlossen.

    Spielt es da eine Rolle, wer die Frage gestellt hat, also ob Jens Weinreich die Antwort auf seine Frage verstanden hat (oder ob ein möglicherweise sogar anonymer PK-Teilnehmer oder gar jmd., der das Ganze am Fernsehapparat live verfolgt, etwas falsch versteht bzw. etwas Falsches schreibt)?

  33. @ B. Schuss: Auch „formelle Fehler“ sind Fehler, und die Einhaltung von Formvorschriften soll eine gleichmaessige Handhabung in gleichgelagerten Faellen sicherstellen. Manchmal jedenfalls. Die Sache mit den „bloss formellen Fehlern“ steht zwar haeufiger in Zeitungen, wird dadurch aber nicht richtig. Die entscheidende Frage ist immer, welche Folge/n ein Fehler nach sich zieht.

    Und wenn Ihnen ein Labor eine Krankheit bescheinigt und ein anderes nicht — da hat entweder eines einen Fehler gemacht (passiert), oder die Methode taugt nicht (passiert auch). Ich glaube, Herr Treutlein schrieb zum Thema Verbannung des Koffeins von der Dopingliste, es sein deshalb dort gestrichen worden, weil es zuviele Anomalien bei den getesteten Sportlern gab und das, was gemessen wurde, keinen Rueckschluss (mehr) zuliess. (Hoffe, das war im Kern richtig erinnert.) Knapp: Die Methode taugte nicht. Ja, das gab es tatsaechlich, auch wenn es nicht um die Messmethode, sondern um die Ergebnisbewertung ging. Ja, das kann es wieder geben. Ob hier — ich bin so gespannt wie Sie ;-)

  34. @ Ralf Kohler: Ich tippe, dass es darum geht, dass jw schrieb, jemand wurde von jemandem bezahlt. Wenn er es schrieb, muss er es beweisen. Eine PK-Auskunft der betreffenden Personen duerfte reichen — wenn es sie gab. Und jetzt beginnt das schoene weite Feld fuer Juristen, ich tippe, es drehtsich um so etwas wie ein un/verschuldetes Missverstaendnis. Vielleicht aber auch um etwas anderes. Ich war nicht dabei und halte mich deshalb aus den Spielvarianten im weiteren lieber heraus.

    Generell ist mein Eindruck, dass die kostenpflichtige Vorgehensweise nicht das beste Licht auf die Mandantin wirft, selbst wenn es juristisch okay sein mag. Wenn man zwei Stunden auf einer PK zusammensitzt, sich Wochen vorher ein paar Datensaetze schickt usf. haette es ein Anruf oder eine Mail, verbunden mit dem Hinweis, dass es beim naechsten Mal kostenpflichtig wird, das Problem genauso gut geloest.

    Und, nein, es geht nich um ein Strafverfahren, da sehe ich garkeinen Ansatzpunkt.

  35. Danke nochmals.

    Bitte beachten: Ich habe mich sowieso nicht speziell auf den Unterlassungsfall bezogen und zusätzlich abstrahiert.

    Ist das nicht auch eine juristische Spezialität: Den Einzelfall im allgemeinen Kontext zu betrachten.

    Von der Sache (Dopingfall) her geht es im Prinzip schon um Strafrecht. Ich weiß, ich weiß, es gibt noch keinen Sportbetrug, Pechstein wird nicht vor dem Strafrichter landen … aber der Prozess bei ISU oder auch CAS ist für mich das sportgerichtliche Äquivalent zum Strafprozess. Widerspruch?

  36. Wie ich es sehe, hätte sich die Pechstein-Seite wohl wegen schlampiger Recherche (versäumte Nachfragen in den Laboren nach Barcodes oder Messverfahren) Unterlassungen verdient.

    Aber bei Analytikern und Sportverbänden handelt es sich offensichtlich nicht mehrheitlich um Prozesshansel :)

  37. @Ralf Kohler: Wen hat Frau Pechstein konkret betrogen? Medaillen/Titel sollen ihr bisher ja noch nicht aberkannt werden. Naja, lassen Sie das mit dem strafrechtlichen Aequivalent nicht so sehr die Fraktion hoeren, die die strafrechtliche Unschuldsvermutung nicht gelten lassen will ;-).

    Juristisch ist CAS das hier

    http://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Sportgerichtshof

    CAS haelt glaube ich deshalb, weil Athleten in Deutschland unterschreiben, nicht zu den Zivilgerichten zu laufen. Aber so nen richtigen Lackmus-Test gabs, glaube ich, noch nicht. Vielleicht weiss einer der anderen Juristen dazu mehr!?

    Im Strafrecht klagt (in der Regel in Deutschland) der Staat (an), da dieser Anspruch vom Geschaedigten automatisch auf ihn uebergeht. Und dann kann der Staat auch einstellen…

  38. @ RalF Kohler: Das Neue ist der Antrag (Legen Sie schon mal ein bisschen fuer die Steuererhoehung beiseite…) Leider steht nirgends, warum Claudia P. glaubt, das sei Aufgabe der NADA. Vielleicht eine Vorschrift, bitte?

  39. ich muss sagen, ich bin bei der ganzen Sache immer noch irgendwie zwiegespalten. Hauptsächlich, weil ich mir wünsche, die ISU hätte mehr in der Hand als bloß die Bewertung von R-Werten, und die Schlüsse der „Experten“, die irgendwelche Kurven interpretieren. Das sind für mich eher Indizien als Beweise.

    Andererseits wirkte die PR-PK so, als ob man im Lager Pechstein nach den letzten Strohhalmen greift, weil man keine harten Fakten in der Hand hat.
    Wer Beweise hat, die einen entlasten, legt die normalerweise vor, und gut ist. Dafür braucht man keine zweistündige PR-Veranstaltung. Die sind nämlich meistens eher ein Zeichen der Verzweiflung.

    Aber: wie soll Frau Pechstein beweisen, dass sie etwas nicht getan hat ? Wie kann man das überhaupt ?
    Die Quarantäne wäre eine Möglichkeit, aber dann muss sie hoffen, dass die erhöhten R-Werte in dieser Zeit wieder auftreten, was ja – wenn es denn ein natürliches Phänomen ist – nicht garantiert ist.

    Das Problem für die ISU ist die Bedeutung des Falles als Lackmus-Test für zukünftige Sperren auf Basis solcher Indizien.

    Die Gesamtsituation lässt mich aktuell etwas ratlos zurück. Denn auch, wenn das naiv klingen mag, es kann ja auch durchaus sein, dass hier gerade die Karriere und sportliche Bilanz einer Vorzeigeathletin grundlos zu Brei gestampft wird, oder ?

  40. Ist es meine Aufgabe, festzustellen, wen Sie konkret betrogen hat?

    Fest steht, wenn sie gedopt hat, hat sie gegen eine Regel (vergleichbar der „du sollst nicht stehlen“) verstoßen.

    Beschäftigen Sie sich gerne nochmal mit dem Sabine-Hartelt-Topic. Wem hätte Hartelt (konkret) geschadet? Das war eine Frage, die dort für meine Begriffe reichlich vernachlässigt bis gänzlich mißachtet wurde – zu rufen „du sollst nicht stehlen“ sei ja auch schonmal etwas hieß es da.

    Auf die Gefahr hin, mir Ihren Zorn zuziehen, lieber Experte Nocheinjurist: Würde Claudie Pechstein gespeerrt (oder ein anderer Dopingsünder) dann würde sie doch auf ähnliche Weise aus dem Verkehr gezogen, wie jmd, der – sagen wir wegen Bankraubs – eine Zeit lang ins Gefängnis geschickt wird. Das mag ein schiefer Vergleich sein, aber eine brauchbare Analogie ist es allemal.

    Das mit dem „Medaillen/Titel sollen ihr noch nicht aberkannt werden“, ist ein guter Punkt, nocheinjurist. Interessant wäre zu fragen: Welche könnten/sollten ihr aberkannt werden? Bzw. ab wann könnten sie ihr aberkannt werden?

    Wenn eine Sperre wg. auffälliger Blutwerte erst seit 2009 möglich ist, dann kann ihr von vorher wohl nichts aberkannt werden.

    Eigentlich müsste die ISU aber mehr als das Interesse haben, sie für die Zukunft aus dem Verkehr zu ziehen. (Es sei denn, es gab wirklich den Vorschlag: Totschweigen gegen Karriereende).

  41. @ Ralf Kohler: Betrug ist ein (Vermoegensschaedigungs-)Delikt zum Nachteil eines Dritten. Ohne Betrogenen kein Betrug. Wenn Sie einen Betrug behaupten, benennen Sie bitte den Geschaedigten. 263 StGB mal lesen.

    Sabine Hartelt habe ich nicht verfolgt und habe es auch nicht vor.

    Ja, der Vergleich ist schief. Sie geht naemlich nicht in den Knast. Sie bekommt vielmehr so etwas wie ein Berufsausuebungsverbot, das im Strafrecht eher selten bis nie verhaengt wird. Dazu gibt es schon an anderer Stelle heftig-leidenschaftliche, ziemlich ausgeschriebene Diskussionen, warum es richtig oder falsch ist, dieses Instrumentarium ohne Bewaehrungsmoeglichkeit anzuwenden.

    Was eine Analogie ist, bitte mal selbst ergooglen, da ist auch noch Potential fuer Wissenszuwachs. Kleiner Tipp: Aus einer gleichen Rechtsfolge kann man nicht (!) auf eine Analogie schliessen ;-)

    Und was aberkennen: Ja, mal schaun. Die ISU ist sich ja recht sicher, welche Wettkampfwerte „stinken“, oder? Das Hauptinteresse der ISU ist mE, den Indizienbeweis, Unterpunkt Retis, zu etablieren. Ob an Claudia P., Axel F. oder Jens W., das ist da fast egal.

  42. Wo habe ich behauptet, dass sie jemanden betrogen hat? Oder meinen Sie Gedanken lesen zu können, nocheinjurist?

    Sind Sie denn sicher, dass Betrug der Einzige denkbare Straftatbestand eines dopenden Sportlers wäre?

    Übrigens habe ich ja nichtmal dafür plädiert, Dopingsünder strafrechtlich zu belangen, sondern nur kühnerweise die Sportgerichtsbarkeit zum Äquivalent des Strafprozesses ernannt (da war ich sicher nicht der erste)?

    Vielleicht „finde“ ich dennoch den oder die, die C. P. gegebenenfalls betrogen hat. Schaun wir mal.

  43. @ nocheinjurist, Ralf Kohler: Boxhandschuhe?

    Sportbetrug als Strafrechtsdelikt. Großes Thema der vergangenen Jahre. Leider war es nicht gewollt von der Politik, der Mehrheit der Politik, und natürlich nicht vom Sport. Mitunter, aber nicht so oft hier diskutiert wie die Frage: Berufsverbot/Berufsausübungsverbot für Doper. Da erinnere ich mich an große Debatten mit nocheinjurist und Sternburg, als der noch regelmäßig debattierte ;(

    Zu beiden Themen lässt sich prima googeln. Wenn ich sicher wäre, wie man hier die Kommentare durchsucht, ich glaube mit Google-site-search, würde ich auch hier die Suche empfehlen oder am besten in der Suchfunktion gleich so einrichten. btw: Kann jemand technisch assistieren?

    Ralf Kohler, schauen Sie sich doch bitte mal den Beitrag über Beckie Scott an, den ich kürzlich als Lektüre empfohlen habe. Das ist ein wunderbares Beispiel zum Thema Sportbetrug und welche Medaillen müssen Doper wann und warum abgeben. Sie müssten dann aber weiter lesen, etwa in den Entscheidungen des CAS zu Mühlegg, Danilowa, Lazutina – denn jene Nesp-Blutdoper 2002 in Salt Lake City eröffneten gewissermaßen ein neues Kapitel der Dopinggeschichte, oder andersherum: jene, die diese drei überführten. Der erste Fahndungserfolg der WADA, errungen unter Schmerzen und nach langen sportpolitischen Kämpfen (u.a. gegen Verbruggen, wen sonst); das erste Mal, dass das IOC (unter Rogge) Härte bewies und Doper wie Mühlegg nicht nur für einen Wettkampf sondern für das gesamte Event die Medaillen aberkannte; es gab noch einige Neuerungen. Und schließlich: Beckie Scott rutschte nach andertahlb Jahren von Bronze zu Gold auf.

    Zum Thema, wann und warum jemand nachträglich Medaillen loswerden kann, ist die Balco-Jones-Geschichte zu empfehlen. Auch da gibt es einige Urteile und unendlich viel Material zum Studieren.

    Sie wissen, ich neige dazu, der Einfachheit halber gern mal einen alten Text von mir reinzukopieren, als Gedankenanstoß und Möglichkeit, nach bestimmten Suchworten im Web sich weiter an das Thema heranzutasten. Dieser Versuchung werde ich heute ausnahmsweise mal widerstehen.

    Nur noch eins: Ich habe immer mal Athleten gefragt, ob sie nicht Medaillen, die ihnen Doper gestohlen haben, einklagen wollen. So etwa fragte ich Dagmar Hase 1998, nachdem Michelle Smith, deren Geschichte ich kürzlich während der Schwimm-WM, erwähnte, aufgeflogen war. Komischerweise hat es, nach meiner Erinnerung, nie jemand versucht, jedenfalls keiner der von mir mitunter Befragten. Im internationalen Bereich fällt mir jetzt nichts ein. Nur noch dies: Verschiedene Nationalverbände in der Leichtathletik haben ja mal wegen Dopingrekordaberkennung Initiativen gestartet, wurde aber vom Weltverband immer abgelehnt. Das IOC hat erinst den Versuch von Roy Jones, auf Grundlage von Stasi-Akten an seine Olympia-Goldmedaille von 1988 zu gelangen, die ihm durch Punkt- und Ringrichter und Funktionäre gestohlen worden war, abgeschmettert. Zu gefährlich: Stasi-Akten als Beweismittel (lieber nocheinjurist, bitte nicht groß drauf eingehen :)) zuzulassen, war zu gefährlich. Im Roy Jones Fall war wirklich alles klar, weil die Akten ja vom damaligen Generalsekretär des Weltverbandes AIBA gefüllt wurden, der über die Originaldokumente verfügte und auch die Anhörungen zu den Bestechungen etc. mit durchführte.

    Sie merken, ich bin kaum zu stoppen. Mancher wird jetzt vielleicht sagen: Interessante Geschichten, bitte mehr davon. Das schöne an so einem WordPress-Blog ist ja, dass da noch eine Menge reinpasst. Peu à peu.

  44. Also ich mag nocheinjurist. Kann ihm auch folgen, möchte ich meinen (sehr interessant insgesamt). Verstehe nur nicht, warum er so tut, als hätte ich gesagt, dass das Betrug ist (und nichts anderes) und dass Doping straftrechtlich belangt werden sollte.

    Könnte ja sein, dass ich das sage. Wenn ich`s aber nicht gesagt habe, irritiert es mich (wahrscheinlich einer dieser Juristen-Kniffe), dass er sich scheinbar auf etwas bezieht, was ich nicht gesagt habe.

    Mißverständnisse kommen aber eben vor.

  45. Pingback: Doppelpack: Abmahngebühren im Fall Pechstein : jens weinreich

  46. @B.Schuss:

    ich muss sagen, ich bin bei der ganzen Sache immer noch irgendwie zwiegespalten. Hauptsächlich, weil ich mir wünsche, die ISU hätte mehr in der Hand als bloß die Bewertung von R-Werten, und die Schlüsse der “Experten�, die irgendwelche Kurven interpretieren. Das sind für mich eher Indizien als Beweise.

    Andererseits wirkte die PR-PK so, als ob man im Lager Pechstein nach den letzten Strohhalmen greift, weil man keine harten Fakten in der Hand hat.
    Wer Beweise hat, die einen entlasten, legt die normalerweise vor, und gut ist.
    [..]
    Aber: wie soll Frau Pechstein beweisen, dass sie etwas nicht getan hat ? Wie kann man das überhaupt ?

    Die Fragen habe ich mir auch schon gestellt. Wie es aussieht, könnte man meinen, daß keine Seite harte Fakten hat.
    Die Argumentation mit den Reti-Werten ist schon ziemlich wackelig, insbesondere wenn man noch die Schwankungsbreite zwischen verschiedenen Laboren berücksichtigt. Ein wenig mehr wäre da schon wünschenswert, zumal außer der Excel-Tabelle mit den Werten von der ISU auch noch nicht viel zu sehen war. Denn das Gleiche, was für Pechstein gilt, muß für die ISU noch viel mehr gelten: Wenn man harte Beweise hat, soll man die auf den Tisch legen.

    Ein anderer Punkt ist die Plausibilität. Zwei Dopingpraktiken (die die Reti-Zahl beeinflussen) sind im Ausdauersport verbreitet, Epo(-mimetika) und Blutdoping (Transfusionen). Passen die gemessenen Werte (wenn man mal die Probleme der Messungen ignoriert) dazu? Bei Epo sind die Reti-Werte vor Wettkämpfen hoch (solange man es nimmt plus wenige Tage), nach dem Absetzen sinken sie allerdings unter den Normwert ab. Bei Blutdoping erwartet man erhöhte Reti-Werte nach den ersten Blutabnahmen (Monate vor dem Saisonhöhepunkt), danach normale und zum Saisonhöhepunkt (wenn man die Konserven zurückbekommen hat) stark erniedrigte Reti-Werte. Das ist alles ziemlich gut dokumentiert, wie Fritz Sörgl ja öfter gesagt hat.

    Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, die Werte sehen komisch aus, da stimmt was nicht. Aber ähneln die Profile z.B. den Ergebnissen Sörgls? Ist eine Leistungssteigerung anhand der Werte plausibel? Mit welchem Vorgehen könnten solche Werte erzielt werden? Wenn sich schon da die Experten nicht einig sind, was bleibt dann außer einem Verdacht?

  47. @christoph

    richtig! habe mir die pressekonferenz gestern auch noch mal in extenso zu gemüte geführt und vergeblich nach den fragen der anwesenden journalisten gesucht.
    ich denke, es kann sich dabei nur um ein versehen handeln und man sollte n24 dabei helfen, dieses zu ändern, um etwaige unappetitliche gedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen!

    http://www.n24.de/service/kontakt_faq_1/kontakt.php

    mein fazit zur pk:

    der zentrale punkt der verteidigungsstrategie von pechstein und co. scheint zu sein, dass man den retikulozytenwert als indiz beim nachweis von blutdoping in frage stellt. anders als die werte für hämatokrit und hämoglobin.

    als argument hierbei soll zunächst die hohe abweichung der messwerte einer probe auf verschiedenen messgeräten dienen. aufhänger ist der wert vom 15.04.09, welcher auf zwei verschiedenen geräten (advia –> 2,4% retis; und sysmex –> 1,32% retis) messwerte erbrachte, die um 81,8% voneinander abweichen.

    wer sich die ausführungen des sachverständigen dr. kruse aus bonn, genau anhört, der wird feststellen, dass dieser eine vergleichbarkeit der messergebnisse von einer probe auf verschiedenen geräten VERNEINT! (quelle: pk-video nr.4, n24)

    wenn ich das jetzt im hinterkopf behalte und dazu weiss, dass die werte der isu-kontrollen alle, zwecks vergleichbarkeit der messmethode, auf einer advia gemessen wurden, dann ergibt sich meines erachtens doch eine gewisse stringenz der werte im verlauf.

    im folgenden legen herr kruse und der moderator gemeinsam ein konfidenzintervall (1,2% – 2,8%) um den aus pechstein’s proben errechneten mittelwert von 2,0%. ihr fazit lautet – bei pechstein’s werten handelt es sich um eine normalverteilung. herr kiesewetter darf dann auch noch auf die bühne hüpfen, um die neuesten messwerte von frau pechstein aus wada-akkreditierten labors zu verkünden, welche in ihrer erheblichen schwankungsbreite (0,7% – 2,8%) die argumentation untermauern sollen.

    einwurf von mir – diese erkenntnisse ändern aber zunächst einmal nichts an dem umstand, dass der zulässige wada-grenzwert für retikulozyten von 2,4% mehr als ein dutzend mal überschritten wurde, in hamar innerhalb kurzer zeit sogar 3x sehr deutlich!
    (quelle: http://jensweinreich.de/?p=4210)

    meines erachtens steht und fällt die causa pechstein mit der frage: „ist es zulässig, die grenze bei 2,4% zu ziehen, wenn derart hohe schwankungen im sinne einer normalverteilung um einen als noch physiologisch anzusehenen mittelwert auftreten?“

  48. @jw: wollte mal anregen, auch fuer Kommentare eine Suchfunktion zuzulassen. Woran scheitert es — technisch? Ist auch fuer das Verlinken einfacher, ich staune immer wieder, wie Ralf es so zielsicher hinbekommt. Die erwaehnten Themen sind, so denke ich, ganz gut ausgeschrieben.

    @ Ralf Kohler: Sie hoppeln hier munter durch die juristischen Begriffe, vielleicht mal soviel: Juristisch ist Betrug nicht all das, was der Normalbuerger sich darunter vorstellt, gleiches gilt fuer Raub und Mord. Wer Betrug oder Sportbetrug erwaehnt, loest bei Juristen immer die Frage nach einem Geschaedigten aus. Deshalb die Frage.

  49. @b.schuss& gipsel

    Die Fragen habe ich mir auch schon gestellt. Wie es aussieht, könnte man meinen, daß keine Seite harte Fakten hat.

    Ein anderer Punkt ist die Plausibilität. Zwei Dopingpraktiken (die die Reti-Zahl beeinflussen) sind im Ausdauersport verbreitet, Epo(-mimetika) und Blutdoping (Transfusionen). Passen die gemessenen Werte (wenn man mal die Probleme der Messungen ignoriert) dazu? Bei Epo sind die Reti-Werte vor Wettkämpfen hoch (solange man es nimmt plus wenige Tage), nach dem Absetzen sinken sie allerdings unter den Normwert ab. Bei Blutdoping erwartet man erhöhte Reti-Werte nach den ersten Blutabnahmen (Monate vor dem Saisonhöhepunkt), danach normale und zum Saisonhöhepunkt (wenn man die Konserven zurückbekommen hat) stark erniedrigte Reti-Werte. Das ist alles ziemlich gut dokumentiert, wie Fritz Sörgl ja öfter gesagt hat.

    Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, die Werte sehen komisch aus, da stimmt was nicht. Aber ähneln die Profile z.B. den Ergebnissen Sörgels? Ist eine Leistungssteigerung anhand der Werte plausibel? Mit welchem Vorgehen könnten solche Werte erzielt werden? Wenn sich schon da die Experten nicht einig sind, was bleibt dann außer einem Verdacht?

    genau da könnte der hund begraben liegen! und deshalb halte ich einen freispruch von pechstein mittlerweile auch für ziemlich wahrscheinlich.

    den formellen fehler der nicht-akkreditierung eines labors kann man möglicherweise heilen (der isu-beschluss weist ja bereits darauf hin, dass man die machbarkeit dessen annimmt.)
    dem argument der angeblich falschen etikettierung wurde auch schon von renommierter seite entgegen getreten.
    aber lässt sich das fundament eines grenzwertes für ein reines indizienurteil wirklich behaupten??!

    btw, schöne ausführungen zu den praktischen auswirkungen des blut- und epo-dopings auf die retis!

  50. wer sich die ausführungen des sachverständigen dr. kruse aus bonn, genau anhört, der wird feststellen, dass dieser eine vergleichbarkeit der messergebnisse von einer probe auf verschiedenen geräten VERNEINT! (quelle: pk-video nr.4, n24)

    wenn ich das jetzt im hinterkopf behalte und dazu weiss, dass die werte der isu-kontrollen alle, zwecks vergleichbarkeit der messmethode, auf einer advia gemessen wurden, dann ergibt sich meines erachtens doch eine gewisse stringenz der werte im verlauf.

    im folgenden legen herr kruse und der moderator gemeinsam ein konfidenzintervall (1,2% – 2,8%) um den aus pechstein’s proben errechneten mittelwert von 2,0%. ihr fazit lautet – bei pechstein’s werten handelt es sich um eine normalverteilung. herr kiesewetter darf dann auch noch auf die bühne hüpfen, um die neuesten messwerte von frau pechstein aus wada-akkreditierten labors zu verkünden, welche in ihrer erheblichen schwankungsbreite (0,7% – 2,8%) die argumentation untermauern sollen.

    einwurf von mir – diese erkenntnisse ändern aber zunächst einmal nichts an dem umstand, dass der zulässige wada-grenzwert für retikulozyten von 2,4% mehr als ein dutzend mal überschritten wurde, in hamar innerhalb kurzer zeit sogar 3x sehr deutlich!

    Das ist ganz lustig, weil mit dem Thema Fehlergrenzen kenne ich mich beruflich halbwegs aus. Als Grundlagenmaterial empfehle ich die Webseite des Referenzinstituts für Bioanalytik und die technischen Daten des Advia120.
    Letztere weisen günstigerweise genau für einen Reti-Wert von 2% eine Standardabweichung von 0.25% aus. Das heißt also, daß 68% aller Werte innerhalb von (2+-0.25)% liegen sollen. Und das bei bestmöglicher Kalibrierung (ist ja immerhin eine Herstellerangabe, die untertreiben selten). Das heißt also, daß etwa ein Drittel aller Werte außerhalb dieses Bereiches liegen.

    In meinem Job ist es üblich, ein 95% Vertrauensniveau zu benutzen, also sicherzustellen, daß 95% aller Werte im angegebenen Bereich liegen. Dazu muß man die Fehlergrenzen exakt verdoppeln, da wären wir also schon bei 2+-0.5 Prozent (Werte zwischen 1.5 und 2.5). Soweit die Herstellerangabe.

    Das oben verlinkte Referenzinstitut ermittelt nun die Abweichungen von Geräten im praktischen Einsatz in Laboren. Für die letzte Runde (April 2009) wurden Proben mit 1.33% bzw. 6.04% benutzt, betrachten wir also mal die 1.33% Probe für einen unauffälligen Wert. Die teilnehmenden Labore, alle mit einer Advia120 ausgerüstet, ermittelten für identische Proben Werte zwischen 0.62 und 1.7% (Mittelwert 1.276), Standardabweichung war 0.256. Macht also 1.28+-0.52 Prozent. Skaliert man das jetzt einfach mal linear auf eine 2% Probe, erhält man tatsächlich genau die 2+-0.8 Prozent (1.2 – 2.8% Bereich).

    Das ist eine gerechtfertigte Vorgehensweise und in Anbetracht der Herstellerangaben (2+-0.5) in meinen Augen auch absolut glaubwürdig. Damit würde man bei den knapp 100 Blutproben immer noch 5 außerhalb dieses Bereiches erwarten, da die Meßwerte allerdings nicht wirklich normalverteilt sind, wahrscheinlich sogar mehr. Das hat der Herr Kruse schon alles wahrheitsgemäß berichtet und ist auch nachvollziehbar.

    Die Reti-Werte mögen ja innerhalb eines Labores vergleichbar sein, zwischen den Laboren sind sie es offensichtlich nicht, solange da keine weitergehenden Vorkehrungen getroffen werden. Allein schon damit halte ich die „Schwankungen“ (eher Streuung der Messungen) für halbwegs plausibel erklärt. Das scheint zwar besser als Würfeln zu sein aber eben nicht geeignet für den angestrebten Zweck. Zumindest mit den Advia120, die Sysmex-Systeme liefern in der Praxis anscheinend konsistentere Werte zwischen den Laboren. Aber die werden von der ISU ja nicht eingesetzt. Außer das eine Mal, was natürlich prompt einen deutlich abweichenden (und normalen) Wert zur Advia geliefert hat. Da soll mit einem Mal irgendein Fehler (laut Kuipers bei den 2.4% der Advia-Messung wohlgemerkt!) vorliegen. Aber bei allen anderen 98 Advia-Werten ist alles korrekt, nur bei der einen Probe, die man dummerweise in zwei Labore geschickt hat, ist was schief gelaufen. Hmm. So sieht eine schlüssige Argumentation nicht wirklich aus.

    Die zu stellende Frage lautet jetzt eigentlich, kann man einen 2% Durchschnitt ansetzen? Oder erübrigt sich die Frage vor dem Hintergrund der Unzuverlässigkeit der Werte?

  51. Ich habe ihren DLF-Beitrag über Claudia Pechstein vom Donnerstag oder Mittwoch morgen gehört. Leider kann man ihn auf der Dradio-Webseite nicht mehr nachhören. Snif snif. Ich hoffe, es hängt nicht mit meiner letzten Kritik (Biedermann-Bericht) zusammen.

    P.S.: Mir hat übrings dieser Beitrag gefallen

  52. @ Gipsel: Das beeindruckt mich. Wirklich. Sage ja immer: Journalisten können nur versuchen, derlei Daten heranzuschaffen. Journalisten können auch sportpolitisch einordnen und werten, aber hier sind Grenzen gesetzt, dazu braucht es Fachleute wie Sie. Und deshalb gefällt mir die Diskussion.

    @ nocheinjurist: Suchfunktion in Kommentaren? Hatte ich das nicht unlängst geschrieben? Ich bin zu blöd dazu. Ich brauche technische Hilfe.

    @ James Tobin: Das war im DLF eine stinknormale Meldung von einer knappen Minuten, allerdings mit dem weinreichüblichen Versuch der Einordnung. Kleiner Service:

    Die Nachrichtenagentur dpa berichtet über ein angebliches „Daten-Chaos“ bei der ISU. Demnach soll eine im April genommene Blutprobe Pechsteins in den Dopingkontrolllabors Kreischa und Lausanne analysiert worden sein und unterschiedliche Ergebnisse gebracht haben. Allerdings: Diese Probe ist gar nicht Teil der Anklage. Sie wird in einem ISU-Dokument, das 95 Blutanalysen seit dem Jahr 2000 aufführt, davon 14 mit exorbitant hohen Werten, nicht erwähnt.

    Eine zweite Unregelmäßigkeit soll es bei Trainingskontrollen gegeben haben: Einige Barcodes von Proben im ISU-Dokument und Pechsteins Unterlagen sollen nicht übereinstimmen. Dies könnte sich so erklären: Labors versehen Blutproben aus technischen Gründen mitunter mit einem zweiten, zusätzlichen Code. Die ISU aber könnte derartige Proben zweifelsfrei zuordnen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur teilte mit, die ISU habe „mit hinreichender Sicherheit“ einen Dopingverstoß nachgewiesen.

    Pechsteins Verteidigung moniert seit März angebliche Verfahrensfehler. Eine Entscheidung trifft der Weltsportgerichtshof Cas im Herbst.

  53. @nocheinjurist:
    naja, wenn Frau Pechstein z.B. Steuermittel aus der Sportförderung bekommen hat, wäre dann der Steuerzahler nicht der geschädigte ?
    Oder ihre Sponsoren, deren Zuwendungen sie sich möglicherweise ( falls sie gedopt hat ) illegal erschlichen hat ?

    Ich bin kein Jurist, aber ich denke schon, dass es da Geschädigte geben könnte. Könnte, wohlgemerkt.

    Der entscheidende Punkt vor dem CAS wird wohl sein, ob das Tem Pechstein glaubhaft darlegen kann, das ihre R-Werte natürlich schwanken, und das die Grenzwerte der ISU willkürlich und damit als Grundlage für eine Sperre ohne weitere Beweise ungeeignet sind.

    Und nach den Ausführungen von Gipsel halte ich das gar nicht mal für so unwahrscheinlich.
    Man darf gespannt sein. ^^

  54. Das spannende (für mich) ist doch lediglich die Frage „hat sie oder hat sie nicht?“. Alles andere sind juristische Spitzfindigkeiten. Und Nebenkriegsschauplätze.

    Ich meine mich erinnern zu können, dass in dem Betrugsverfahren gegen J. Ullrich deutlich festgestellt worden ist, dass er gedopt hat – zumindest laut Staatsanwaltschaft – allerdings ist er hinsichtlich des Betrugsvorwurfes freigesprochen worden (u.a. wg. zu geringer krimineller Energie) und bis heute nicht für Doping zur Rechenschaft gezogen worden.

    Ähnlich ists doch bei Lance Armstrong. Ob da jetzt 99 nur die B-Probe überprüft worden ist oder nicht, ist mit doch glatt wurscht. Juristisch oder gar sportrechtlich kann man ihm sicher nichts, die Sicht auf die Dinge dürfte trotzdem halbwegs klar sein.

  55. @gipsel

    danke für den sehr erhellenden beitrag!
    ich persönlich habe ja statistik immer gehasst im studium, aber jetzt erweist es sich als günstig, mal etwas davon gehört zu haben.
    ich kann ihre ausführungen anhalt der messdaten für kit 75 (advia) beim rfb gut nachvollziehen.

    es lohnt sich auf jeden fall noch einmal einen blick auf diese folie zu werfen.
    dabei zeigt sich für advia doch eine erhebliche streubreite der ermittelten werte (einer definierten probe) zwischen den einzelnen laboratorien. und dann kann von stringenz der ermittelten werte – und da muss ich meine frühere auffassung korrigieren – keine rede mehr sein, wenn man zugrunde legt, dass pechstein’s proben in unterschiedlichen laboratorien (immer auf advia) gemessen wurden.

    aber wie verhält es sich denn nun mit den drei
    extremwerten
    von hamar, die ja der stein des anstosses waren? wie erklären sich diese werte innerhalb des geschilderten verteidigungskonstruktes? als statistische ausreisser? drei mal in folge sehr hohe werte?! zufall?
    an dem punkt habe ich noch erhebliche zweifel…

  56. @gipsel
    die angegebene σ von 0.25% dürfte sich ja aber wohl auf eine einzelne messung beziehen. in hamar aber wurden ja beispielsweise anscheinend über 4 messungen gemittelt — wodurch σ (und damit die konfidenzintervalle) nur noch halb so groß wäre(n). dann würde, wenn ich das richtig sehe, das zufallsargument jedenfalls nicht mehr so richtig durchschlagen…

    die frage ist natürlich, ob das mit den mehreren durchläufen generell standard ist bzw. die jeweilige anzahl der durchläufe irgendwo dokumentiert ist…

  57. @B.Schuss,
    wie sie so schön formulierten:

    naja, wenn Frau Pechstein z.B. Steuermittel aus der Sportförderung bekommen hat, wäre dann der Steuerzahler nicht der Geschädigte ?
    Oder ihre Sponsoren, deren Zuwendungen sie sich möglicherweise ( falls sie gedopt hat ) illegal erschlichen hat ?

    stellt sich mir ergänzend noch ne Frage.
    Frau P. wird für ihre Arbeit als Angestellte der Polizei (ist „Wintersportmannschaft der Bundespolizei“ eigendlich ein Beruf?) aus Steuermitteln finanziert. Dazu ergänzend kommen, wie auch bei anderen Sportlern, die Hilfen der Sportförderung , die Sponsorengelder und eventuelle Einnahmen aus Werbeverträgen u.ä.
    Wie sähe das eigentlich arbeitsrechtlich aus, wenn in Ausübung der Berufes zu innerhalb der Berufsgruppe verbotenen Mitteln und Praktiken gegriffen wird ?
    Ich bitte Sie,liebe lesenden und bloggenden Juristen dieser Seite, um ein paar Thesen oder Tatsachen.

  58. „Sobald die Regularien feststehen (…) werde ich dieses Konzept der NADA überreichen und die Verantwortlichen darum bitten, es umzusetzen und auch zu finanzieren.“
    Claudia Pechstein

    zdf.sport.de

    Welch Überraschung, der Steuerzahler soll also die notwendigen Untersuchungen für Fr. Pechstein übernehmen.

  59. @ spirou: Hättest gleich zum Original verlinken können, auf ihre Webseite. Dazu habe ich aber jetzt auch keine Lust. Kurzum, auch ich glaube, dass das nicht zu den Aufgaben der NADA zählt. Es ist eine raffinierte PR-Nummer. Danckert ist ja auf den Zug bereits aufgesprungen. Jetzt setzt man halt die NADA, damit schon auch den Steuerzahler, künftig vielleicht noch mehr den Steuerzahler unter Druck. Sehr billig. Wird aber im Boulevard sehr wirkungsvoll sein, weil dadurch die Opferrolle betont werden kann – und plötzlich ist auch die NADA neben der ISU im Rampenlicht. Schade für die NADA, wie wirklich Wichtigeres zu tun hat, die weder Geld noch Kräfte hat, um diesen Nonsens zu organisieren.

  60. Auf Pechsteins Website hab ich leider nicht gelesen. (Sollte ich wohl öfter tun in nächster Zeit)
    Ich versteh den Versuch der Kostenabwälzung aber nicht so ganz. ME wäre es so, dass Pechstein bei einem CAS-Freispruch die Untersuchungskosten doch problemlos auf die ISU abwälzen können müsste. Wenn ich in einem Strafverfahren freigesprochen werde, muss der Staat ja auch meine Auslagen übernehmen. Ich finds einfach nur ärgerlich wie hier der Steuerzahler geschröpft werden soll bzw. die NADA, der das Geld dann möglicherweise an anderer Stelle fehlt. Bleibt zu hoffen, dass die NADA konsequent bleibt…

  61. @the_doctor:

    es lohnt sich auf jeden fall noch einmal einen blick auf diese folie zu werfen.
    dabei zeigt sich für advia doch eine erhebliche streubreite der ermittelten werte (einer definierten probe) zwischen den einzelnen laboratorien. und dann kann von stringenz der ermittelten werte – und da muss ich meine frühere auffassung korrigieren – keine rede mehr sein, wenn man zugrunde legt, dass pechstein’s proben in unterschiedlichen laboratorien (immer auf advia) gemessen wurden.

    Genau. In dem Punkt steht die Argumentation des ISU auf reichlich tönernden Füßen, da sie ja gerade aus den Schwankungen (und nicht einem Einzelwert) eine Manipulation ableiten. Für die Beweiskraft eines Einzelwertes müßten die Tests nämlich wirklich den vollen WADA-Regularien genügen.

    aber wie verhält es sich denn nun mit den drei extremwerten von hamar, die ja der stein des anstosses waren? wie erklären sich diese werte innerhalb des geschilderten verteidigungskonstruktes? als statistische ausreisser? drei mal in folge sehr hohe werte?! zufall?

    Keine Ahnung. Alle drei Werte wurden ja in einem Labor ermittelt. Die Werte sind dann untereinander besser vergleichbar. Da wäre es interessant eine Aufstellung aller dort gemessenen Reti-Werte zu sehen. Sind die generell höher als sonst oder nicht? Sind die Proben nachweislich korrekt gekühlt und transportiert worden? Solche Informationen sollte die ISU für das CAS schon bereithalten. Außerdem könnte man mit einem erhöhten Einzelwert nur eine Schutzsperre begründen. Ich denke, daß dies die Strategie von dem neuen Anwalt Krähe sein wird, was ich für einen Fehler halte, wenn Pechstein einen Freispruch erster Klasse haben will.

    Eine verwunderliche Tatsache ist ja auch, daß Pechstein deutlich mehr Blutproben nachweisen kann, als Ergebnisse existieren. Wie passiert sowas? Nun, eine Möglichkeit wäre, daß Proben nicht verwertbar waren (z.B. schon begonnene Gerinnung, weil die Probe nicht ordnungsgemäß mit Anti-Gerinnungsmittel versetzt wurde oder etwa nicht richtig gekühlt wurde) bzw. offensichtlich abstruse Werte liefert (etwa 30%), wird der vom Laborpersonal aussortiert. Dies sollte normalerweise sehr selten der Fall sein, bei Pechstein fehlen aber wohl so 15% der Werte. Falls die ISU das nicht aufklären kann, wirft das auch ein ganz schlechtes Licht auf das Verfahren und stellt im Prinzip ebenfalls die gemessenen Werte in Frage.

  62. @gipsel
    die angegebene σ von 0.25% dürfte sich ja aber wohl auf eine einzelne messung beziehen. in hamar aber wurden ja beispielsweise anscheinend über 4 messungen gemittelt — wodurch σ (und damit die konfidenzintervalle) nur noch halb so groß wäre(n). dann würde, wenn ich das richtig sehe, das zufallsargument jedenfalls nicht mehr so richtig durchschlagen…

    die frage ist natürlich, ob das mit den mehreren durchläufen generell standard ist bzw. die jeweilige anzahl der durchläufe irgendwo dokumentiert ist…

    Ja, das mit den mehreren Durchläufen ist Standard. Wieviele genau gemacht werden (3 oder 4 sind wohl üblich) könnte man wohl den Meßprotokollen entnehmen.

    Und es stimmt auch, daß das die Präzision der Tests erhöht, aber leider nicht die Genauigkeit ;)
    Sprich, es ist der Vergleichbarkeit der Werte innerhalb eines Labors zuträglich, hilft aber wenig für die Vergleichbarkeit verschiedener Labors. Insofern berührt das die Ergebnisse der Ringversuche (aus denen man die 2+-0.8% ableiten kann) in keinster Weise.

    Der Zufall besteht ja darin, welches Labor gerade mißt. Innerhalb eines Labores sieht es da schon besser aus. Wenn Fritz Sörgl über die Genauigkeit der Reti-Messungen spricht, hat er immer nur von seinem Labor geredet und vergleicht nicht mehrere.

  63. Ich sehe auch die Gefahr, dass das Geld woanders fehlt, wenn sich die Nada für die Pechstein-Entlastung reinhängt.

    Wäre grotesk, wenn es dann weniger Kontrollen gäbe …

    Vielleicht ist es zu einfach gedacht, aber mir scheint, es gibt nur die Möglichkeit, dass sich die Nada verschulden oder jedenfalls ihr Budget überziehen würde oder dass sie das Geld im Kalenderjahr woanders spart.

    Oder es würde nachträglich von Seiten des Bunds ein Pech(stein)-Budget zugestanden.

    Das fände ich ebenfalls grotesk: Als das BMI in der Annahme (der zumindest vordergründigen Annahme), der Involvierung aller betreffenden nicht-olympischen Vertreter in den anti-Dopingkampf 400 000 Euro für die World Games bewilligt hat, da hat keiner dran gedacht, der Nada MEHR GELD zu geben, damit MEHR Dopingkontrollen gemacht werden können. Aber was sind zehn Feldbogenschützen, zwölf Rettungsschwimmer und zwanzig Drachenbootfahrer gegen eine fünffache Olympisaiegerin Claudia Pechstein??? Vernachlässigbare Mikro-Fische.

    Extra-grotesk wäre natürlich wenn die Pechstein-Maßnahme gemacht würde und die auffälligen Befunde rauskommen würden, die nicht herauskommen sollten (aus Sicht der Claudia-Anhänger bis in die politischen Kreise). Hm, defakto würde eine Kostenübernahme auch eine Art von Partei-ergreifen bedeuten. Das darf nicht sein …

    Sonst sollte man Dieter Baumann zum 10-jährigen noch Mittel bewilligen, damit er wahlweise den bösen Zahnpasta-Verunreiniger oder gleich den Yeti jagen kann …

  64. Gipsel,
    bei diesen Reti Werten in Hamar müsste CP doch 3-5 Tage vorher EPO genommen haben.CP hat auch angeboten alle vorhandenen Proben nachzuuntersuchen.Warum geht keiner auf dieses Angebot ein?
    Die Tests scheinen doch zu funktionieren.Erst im Juni wurde Astarloza per Urin Test überführt auf EPO?

  65. @walter

    das kann man so machen, wie du es vorschlägst. ein negatives ergebnis würde aber so gut wie keinen erkenntnisgewinn liefern! ausser vielleicht den, dass sie nicht mit cera gedopt hat…

  66. Bei allem, das hier auch einleuchtend vorgetragen worden ist: Die Annahme, dass die gesamte Dopinganalytik weltweit dumm genug sein soll, R-Werte zum Blutdoping-Indiz zu erklären, ohne dass dies analytisch (wegen der Geräte-„Streuung“) überhaupt möglich ist, halte ich für problematisch. Ãœber Blutpass und Aussagekraft der Werte machen sich Wada-Experten seit 2002 offiziell Gedanken:

    http://www.wada-ama.org/en/dynamic.ch2?pageCategory.id=754

    Reti-Messungen sind in medizinischen Therapien ein probates Mittel. Irgendwie müssen sie ja funktionieren.

    Für Freaks diese Dissertation von 2004 Indirekte und direkte Methoden zur
    Detektion des Erythropoietindopings
    :

    http://hsss.slub-dresden.de/documents/1099561127578-9462/1099561127578-9462.pdf

    Enthält u.a. die Information, dass die Dopinganalytik den Reti-Grenzwert bereits seit 1993 diskutiert und seit 1999 misst, warum der sogar besonders geeignet ist zum indirekten Epo-Nachweis (S. 110, 123)Ab S. 77ff. die Analyse zur Geräte-Zuverlässigkeit, S. 79f und S. 131 zur Advia 120. Basis u.a. eine Jahrestudie bei DLV-Athleten, in Kreischa und Köln gemessen, nur eine weibliche Athletin einmal über 2,5% Reti-Wert.

    Einfach zu lesen: Zusammenfassung S. 134ff.

  67. Bei allem, [..] Ãœber Blutpass und Aussagekraft der Werte machen sich Wada-Experten seit 2002 offiziell Gedanken

    Ja, und trotzdem sind sie sich anscheinend immer noch nicht sicher genug, um verbindliche Richtlinien für die Erhebung der Werte zu veröffentlichen. Zitate dazu stehen hier schon irgendwo. Wahrschenlich ist es wohl nicht so einfach.

    Reti-Messungen sind in medizinischen Therapien ein probates Mittel. Irgendwie müssen sie ja funktionieren.

    Da wird die Blutprobe aber auch nicht jedes Mal zu einem anderen Labor geschickt. Für relative Änderungen ist ein Labor schon gut geeignet. Außerdem kommen bei Krankheiten auch noch andere Wertebereiche zum Tragen. Bei den Ringversuchen benutzen die nicht umsonst auch Proben im Bereich von 6 – 8% Retis. Bis vor ein paar Jahren hat man die noch manuell unter dem Mikroskop ausgezählt. Da waren kleinere Werte als das kaum auseinanderzuhalten und die Fehler noch erheblich größer.

    Für Freaks diese Dissertation von 2004 Indirekte und direkte Methoden zur
    Detektion des Erythropoietindopings:
    http://hsss.slub-dresden.de/documents/1099561127578-9462/1099561127578-9462.pdf

    Enthält u.a. die Information, dass die Dopinganalytik den Reti-Grenzwert bereits seit 1993 diskutiert und seit 1999 misst, warum der sogar besonders geeignet ist zum indirekten Epo-Nachweis (S. 110, 123)Ab S. 77ff. die Analyse zur Geräte-Zuverlässigkeit, S. 79f und S. 131 zur Advia 120. Basis u.a. eine Jahrestudie bei DLV-Athleten, in Kreischa und Köln gemessen, nur eine weibliche Athletin einmal über 2,5% Reti-Wert.

    Einfach zu lesen: Zusammenfassung S. 134ff.

    Das ist interessant. Aber ich glaube Du interpretierst die Angaben falsch. Denn direkt auf der Seite 134 steht, daß 5 Prozent aller Reti-Messungen an weiblichen Athleten über 2.5% lagen (genau das sagt die 95-Percentil-Angabe). Und eine Seite weiter zeigt sich, daß durchaus mehrere Werte auch bis über 3% gemessen wurden (Jahresstudie mit Sportstudenten aus Köln, mit „C“ bezeichnet). Da gab es übrigens nur 25 Teilnehmerinnen, sooo selten scheint das also gar nicht zu sein (ich erinnere zum Vergleich an Sottas Aussage mit nur einem Fall unter zehntausend). Genauer kann man die Daten auf Seite 53 (Abb.30) betrachten. Die Variabilität der Reti-Zahl ist offensichtlich beträchtlich und scheint bei Frauen tendenziell mehr Ausreißer nach oben aufzuweisen.

    Und all diese Daten wurden mit nur einem Gerät (Advia120) in einem einzigen Labor (Kreischa) gemessen. Bei den Daten von Pechstein kommt diese Variable ja noch hinzu. Nur für eine Handvoll Proben haben Kreischa und Köln die beide analysiert. Dummerweise geben sie die Werte für die relativen Reti-Zahlen nicht an, sondern nur die absoluten. Dabei kommen sie auf im Schnitt auf etwa 80+-20 [10^9/l] (Abb.66, rechts), also bei Annahme des gleichen Verhaltens bei den relativen Zahlen kommt man mit dem erläuterten 95%-Vertrauensniveau für eine 2% Probe auf einen Bereich von 1.5 bis 2.5%. Oh, genau die Herstellerangabe! Wie überraschend. Allerdings sind das auch nur 2 (sehr gute Doping-) Labore und nicht 10 oder so, durch die Pechsteins Proben gegangen sind. Dadurch klingt das 1.2-2.8% große Intervall, welches sich aus der Ringstudie ergibt, nicht weniger plausibel.

    Habe jetzt keine Zeit mir die kompletten 170 Seiten durchzulesen, aber es sind auch Daten zu Appliktionsstudien mit EPO drin, die sich auch mit dem decken, was hier auch schon im Thread steht. Etwa 5 Tage nach der letzten EPO-Gabe fängt der Reti-Wert schon wieder an zu sinken, vorher klettert er aber auf Werte von 5% oder gar mehr. Die EPO-Gaben waren so bemessen, da etwa 6% Steigerung der Sauerstofftransportkapazität zu messen war. Ergebnis ist wohl, daß andere Werte (die bei einer Advia120 eigentlich mitgemessen werden und somit auf den Meßprotokollen nachzulesen sein müßten), lassen aber ebenso (oder sogar besser) Schlüsse zu.
    In den bekannten Werten ist noch der MCV- (durchnittliches Volumen der roten Blutkörperchen) und der RDW-Wert (Breite der Größenverteilung derselben) aufgeführt (auf den Meßprotokollen steht hoffentlich mehr). Beide steigen als Folge von EPO oft an, da dann auch sehr große Blutzellen gebildet werden. Nun sind diese Werte bei Pechstein eigentlich total unauffällig (RDW sogar eher niedrig), recht konstant und korrelieren überhaupt nicht mit den Reti-Werten. Da läßt sich also bisher nichts Negatives für sie ablesen, sonst hätte die ISU das im Verfahren wohl auch als Argument benutzt, würde ich denken.

  68. @ Gipsel: Danke fuer die Erlaeuterungen. Sie kennen sich anscheinend nicht nur bei Fehlergrenzen beruflich halbwegs aus, sondern auch im Bereich „Reaktionen der Blutbestandteile“? Liest sich (auch halbwissenbedingt) sehr spannend, und wenn ich es richtig zusammenfasse, haette die ISU mit einem anderen Geraet — weniger Beweisprobleme wegen geringerer Schwankungen, aber vielleicht auch weniger Indizien?

    @ B. Schuss: Klar, der Bund kann Geschaedigter sein. Fuer einen Betrug brauchen Sie: eine Taeuschung, der einen Irrtum hervorruft, wodurch der Irrende eine Vermoegensverfuegung trifft, die einen Vermoegensschaden darstellt. Wenn Sie also die Sportfoerderung als Vermoegensverfuegung sehen, muessten Sie kurz mal sagen, wofuer man die bekommt, und von wem. Und danach, ob der Verfuegende durch eine Taeuschung (durch Doping bspw.) jetzt weniger „Leistung“ erhaelt als er dachte (Bevor Sie jetzt „ja“ schreien moechten, was Strafrechtler sich unter Vermoegensschaden vorstellen, fuellt viele engbedruckte Seiten in Rechtskommentaren…)

    @AKUK: Schoener Komplex. Ich sage Ihnen, der ist fuer eine juristische Examensarbeit wohl schon zu umfangreich, wenn sie noch einen mitwissenden Trainer einbauen. Oder der Umfang vielleicht gerade noch hin. Allein am Betrugs-Komplex koennte man schoen abpruefen, was der Kandidat so alles zum Thema „Vermoegensschaden“ weiss.

  69. @ Gipsel et al: Mir gefallen die fachlichen Erläuterungen auch sehr gut, das habe ich etliche Male gesagt. Nur, ich empfehle, es nicht zu übertreiben. Warum: Weil auch den Laboranten und Doktoranden und Doktoren und Juristen hier viele Infos einfach fehlen. Das bedeutet zwangsläufig, dass sich selbst der beste Laborkenner auf dem Felde der Spekulationen bewegt. Also auf einem Felde, von dem nocheinjurist und andere gern behaupten, dort bewegten sich allein Journalisten.

    Nicht missverstehen, ich will nicht abwürgen, nur ein wenig mäßigend einwirken. Ich sehe es im Übrigen nur bedingt so wie ha. Ich appelliere nicht dogmatisch an den Glauben in die Professionalität der Fahnder und Analytiker. Ich habe zwar auch mehrfach gesagt, dass ich meine, so ein System (juristisch und analytisch) sei über Jahre gewachsen und nicht von dummen Menschen zusammen geschustert. Dazu stehe ich auch, wenngleich nicht so brutal wie ha als Argument gegen alle Einwände, die im Fall Pechstein in der Analytik auftauchen.

    Will sagen: Ich bin in Dopingfragen schon oft vom Glauben abgefallen und erkläre deshalb seit mehr als einem Jahrzehnt – spätestens seit dem Fall Baumann -, dass ich Informationen dem Glauben vorziehe. Sehr wohl aber erlaube ich mir, mein Gespür einzubringen, ein journalistisch-kriminalistisches Gespür, behaupte ich jetzt einfach mal, dass sich aus Erfahrung, einem Haufen Halbwissen und ein bisschen sportpolitischen und angelesenen anderen Hintergründen speist. Dieses Gespür bringt mich nicht selten auf die richtige Fährte. Wenn nocheinjurist Lust hat, kann er ja mal googeln, was er gern tut, und mir so richtig deftige Fehler bei der Beurteilung vermeintlicher Dopingfälle (o.a.) nachzuweisen versuchen. Die Großkotz-Attitüde beiseite geschoben: Eigentlich finde ich: gesunder Menschenverstand reicht, um mitreden zu können und gerade juristische Konstrukte in derlei Fällen zu zerpflücken. Gesunder Menschenverstand sollte auch ausreichend sein, um aus dem Wust von Informationen, die wir hier zusammentragen, Schlüsse zu ziehen. Wenn ich zum Beispiel wüsste, dass die ISU wenn vielleicht nicht alle, so doch aber fast alle Messprotokolle vorlegen kann, wäre mir schon wohler. Was andererseits gar nicht heißt, dass sie ohne Protokolle unterliegen müsste, oder?

    Bevor nocheinjurist aufschreit: Weinreich rudert zurück! Nö. So einfach ist das nicht. Ich denke, dass ich von Beginn das T-Wort für beide Seiten benutzt habe. Ich fand die 15 Seiten des Beschlusses in Ordnung, habe gesagt, dass ich selten so einen Beschluss in dieser Phase gelesen habe – in den meisten Fällen bekommen wir so etwas ja gar nicht zu Gesicht! Und habe im Verlaufe der Wochen immer wieder angemerkt, dass die ISU natürlich in der Pflicht ist, etwas mehr vorzulegen. Wenn ich beispielsweise versucht habe, als Laie zu erläutern, warum zwei Arten von Barcodes auftauchen – was ich mir erarbeitet habe und was nach Auskunft der Fachleute hier im Prinzip so stimmt , dann gehe ich einfach mal davon aus, dass ich Harm Kuipers beim Wort nehmen kann, wenn er sagt, das ließe sich problemlos zuordnen. Sollte das in einem von 95 Fällen oder vielleicht auch zwei nicht möglich sein, hielte ich das – ungeschützt formuliert – für eine Streuung, die möglicherweise zu akzeptieren wäre. Das war nur ein Beispiel.

    Und ganz ehrlich: Pechstein und Bergmann und Schertz und Krähe und Grengel et al dürfen sich nicht wirklich beschweren, wenn sie den Schleier ihrer Wut mal lüften würden: Hier findet sich wirklich so viel, auch sämtliche Behauptungen/Argumente der Verteidigung, wie sonst nirgends. Eigentlich sollten die froh drüber sein.

    P.S. Wie beim letzten Eintrag: Ohne Brille geschrieben.

    Bin dann mal ein paar Stunden auf der Autobahn.

  70. jw
    dann bestätige ich Dich in Deinem Urteil: Ja, ich bin „brutal“ genug zu sagen, dass mir die Annahme schwerfällt, Dopingsanalytiker seien so dumm. Denn es geht ja tatsächlich ums Prinzip. Hier wird behauptet bzw. zu belegen versucht, dass es die Geräte-„Streuung“ auf der Advia 120 generell nicht erlaubt, Retikulozyten-Messungen aus unterschiedlichen Laboren für Wertungen heranzuziehen.
    Die Dissertation habe ich auch verlinkt, um zu zeigen, dass die Dopinganalytik sich des Problems der Gerätekalibrierung schon 2001 durchaus bewusst war – selbst im Vergleich zwischen Kreischa, Köln, Oslo.
    Falls jedoch Dr. Rolf Kruse und ihm folgend Diskutanten auf diesem Block in den letzten Tagen tatsächlich aufgeklärt haben, warum die Dopingforscher weltweit irren, dann ziehe ich den Hut. Und plädiere dafür, wie es hier schon anderer Stelle geschehen ist, den Laden dichtzumachen.

    Gipsel,
    Wenn Du die Arbeit genau liest, wirst Du feststellen, dass die 5% über 2,5 Reti-Wert durch eine einzige DLV-Athletin der Probandengruppe zustande kommen, die diesen Grenzwert überschritt.

  71. @ ha: Ich finde, zwischen den Polen, es gehe „ums Prinzip“ und möglicherweise darum, „den Laden dichtzumachen“, ist noch viel Spielraum. Dieses alles-oder-nichts bringt mir nichts. Ich bewege mich lieber auf dem Feld dazwischen, als so rigoros zu argumentieren. Wenn die Labore (woran ich eher weniger zweifle) und die ISU (woran ich eher mehr zweifle, aber das ist – s.o. – nur ein Gefühl) also tatsächlich gute Arbeit geleistet haben sollten, dann würde ich das zur Kenntnis nehmen. Sollten gröbere Mängel vorliegen, müssten diese Mängel analysiert werden. Bislang finde ich in der Abwägung aller mir vorliegenden Dokumente und Postulate eher weniger Hinweise darauf, dass ein, sagen wir: Supergau der Anklage drohen sollte. Selbst wenn es so wäre, sehe ich dann nicht für alle Zeiten den Versuch, Indizienprozesse in der Dopingbekämpfung zu führen, gestorben. Ich würde auch keinen Grund sehen, „den Laden dichtzumachen“.

    Die Argumentation jetzt-oder-nie wird der Sache nicht gerecht, sie wäre unfair. Dass ich andererseits davor warne, trotz offenbar vorhandener Fachkenntnisse (Gipsel et al), zu viel sternzudeuten, wo Basisinfos fehlen, habe ich ebenfalls mehrfach deutlich gemacht. Noch einmal, das magst Du als verbalen Eiertanz ansehen, und das wäre Dein gutes Recht. Für mich ist es nur der Versuch, mich nach bestem Wissen und Gewissen durch das Dickicht zu schlagen.

  72. jw,
    es kommt doch immer aufs Konkrete an, nicht? Wenn es so sein sollte, dass die Reti-Werte wegen Geräte-„Streuung“ nicht verwertbar sind, sobald sie in mehreren Laboren gemessen werden – dann wäre ein solches Herangehen ein kapitaler Fehler, bei dem es tatsächlich ums Prinzip dieser indirekten Nachweismethode geht. Für den ist mein Vorstellungsvermögen zu gering ausgeprägt.

    Aber Du hast recht, in mindestens einem Punkt: Es gibt immer Alternativen – beispielsweise die, künftig Retikulozyten nur noch weltweit in einem Labor messen zu lassen.

  73. Ich weiß nicht, wohin eine solche Argumentation führen soll? Ähnelt der von Walter – nur mit anderen Mitteln.

  74. jw,
    jetzt bist Du unfair, denn Du gehst vom Inhalt weg, und den hatte ich versucht, mit der verlinkten Dissertation eines Dopinganalytikers zum Thema, über das hier debattiert wird, zu bieten.

    Also: Gipsels uneingeschränkt interessante Erörterung der Gerätekonstellation bedeutet (im Nachgang zu Kruse) einen schon substanziellen Einwand gegen die Zugrundelegung von in verschiedenen Laboren gemessenen Reti-Werten als Indiz. Oder habe ich das falsch verstanden? Kann man bei solchen „Streuungen“ überhaupt einen Grenzwert für Tests in verschiedenen Laboren festlegen?
    Die Frage, die sich aus diesem Einwand ergibt, war für mich als Laien: Wissen oder berücksichtigen das die Dopingforscher nicht?
    In der Diss. aus Kreischa von 2004 ist nachzulesen, dass sie das wohl tun, hier sind Schwankungsbreiten der Geräte zumindest angesprochen.

    Ich bin selbst gespannt, ob diese Argumentationslinie etwas ergibt. Und wenn ja, was.

  75. @ha

    Reti-Messungen sind in medizinischen Therapien ein probates Mittel. Irgendwie müssen sie ja funktionieren.

    das ist richtig. aber es reicht natürlich für die bewertung einer therapie nie aus, nur singuläre parameter zu betrachten.

    Die Annahme, dass die gesamte Dopinganalytik weltweit dumm genug sein soll, R-Werte zum Blutdoping-Indiz zu erklären, ohne dass dies analytisch (wegen der Geräte-�Streuung�) überhaupt möglich ist, halte ich für problematisch.

    ich halte den retikulozytenwert auch für einen überaus brauchbaren parameter zum nachweis von epo- oder blutdoping.

    dazu schreibt dirk schwenke in der von dir geposteten dissertation :

    [S.119] Die Parameter prozentualer Anteil der Retikulozyten, Retikulozytenkonzentration und die Reifestufen der
    Retikulozyten, speziell der Anteil an hochfluoreszierenden Zellen, scheinen damit wesentlich geeigneter zu sein, um einen Missbrauch von rhEPO zu erfassen, als die Parameter Hämatokrit und Hämoglobin. Dies ist vor allem dadurch plausibel, da eine künstliche Steigerung der Erythropoese durch die Applikation von rhEPO immer zu einer erhöhten Produktion an
    Retikulozyten und einer verkürzten Reifezeit im Knochenmark führt.

    In dem Abschlussbericht … an die Anti-Dopingkommission Deutschlands wurde daher die
    Verwendung von Retikulozytenparametern … empfohlen, …

    aber, und das ist meiner ansicht der springende punkt, damit pechstein’s retikulozytenwerte als reliables indiz für den nachweis von doping verwendet werden können, muss die isu nachweisen können, dass die bislang von ihr ermittelten werte übertragbar und reproduzierbar sind.

    hierzu wieder schwenke:

    [S.137] Um Grenzwerte mit der Zielstellung Dopinganalytik einzusetzen zu können, ist es absolut notwendig, dass die Ergebnisse verschiedener Labors vergleichbar sind, vor allem wenn es sich um Blutproben handelt, die aufgrund der geringen Stabilität der Matrix lediglich in einem (oder im Ausnahmefall in einem zweiten) Labor analysiert werden können.

    und weiter schwenke:

    [S.140] Mit der zunehmenden Anzahl von Gerätetypen ergibt sich aber auch das Problem der Vergleichbarkeit der Ergebnisse und selbst bei der Verwendung identischer Hämatologiesysteme stellt sich die Frage nach der Reproduzierbarkeit von Messungen in unterschiedlichen Labors.

    und das ist ja genau der punkt, den pechstein und co. unter hinzuziehung der ringversuchdaten des referenzinstituts für bioanalytik anzugreifen versucht.

    immerhin – für die daten der schwenke- dissertation scheint die angesprochene vergleichbarkeit und reproduzierbarkeit ja schon mal zuzutreffen.

    [S.142] Die Bestimmung hämatologischer Parameter, die für ein Screening hinsichtlich eines Dopings mit rhEPO verwendet werden, insbesondere die Retikulozytenparameter, sollte mit
    Hämatologiesystemen des gleichen Typs durchgeführt werden, um eine Übertragbarkeit und
    Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Der Vergleich von Messungen des Kölner und Kreischaer Labors, die beide mit dem ADVIA 120 durchgeführt wurden, zeigten eine gute Übereinstimmung der Daten.

  76. @jensweinreich

    Nur, ich empfehle, es nicht zu übertreiben. Warum: Weil auch den Laboranten und Doktoranden und Doktoren und Juristen hier viele Infos einfach fehlen. Das bedeutet zwangsläufig, dass sich selbst der beste Laborkenner auf dem Felde der Spekulationen bewegt.

    stimmt, und daher warten sicher viele leute sehr gespannt auf die daten und informationen, welche die isu bislang noch zurückhält. dinge, von denen alles abhängen könnte.

    btw, was ist denn eigentlich mit den pechstein’schen werten, die im labor von herrn kiesewetter gemessen wurden? sind die der öffentlichkeit zugänglich?

  77. @ha:

    Denn es geht ja tatsächlich ums Prinzip. Hier wird behauptet bzw. zu belegen versucht, dass es die Geräte-�Streuung� auf der Advia 120 generell nicht erlaubt, Retikulozyten-Messungen aus unterschiedlichen Laboren für Wertungen heranzuziehen.

    Das stimmt so nicht. Nur wie auch the_doctor angemerkt hat, muß man dann entweder mehr Parameter in Feld führen (ein einziges Indiz ist kein Beweis, zumindest in einem Strafrechtsprozeß [ich weiß, gefährliche Analogie] benötigt man eine ganze Indizienkette, wie nocheinjurist wohl bestätigen kann), oder man muß andere Effekte ausschließen können. Und gerade bei einer Advia sollten eine Menge Parameter mitgemessen worden sein (siehe der Dissertation), die die eine oder andere Sache bestärken kann.

    Die Dissertation habe ich auch verlinkt, um zu zeigen, dass die Dopinganalytik sich des Problems der Gerätekalibrierung schon 2001 durchaus bewusst war – selbst im Vergleich zwischen Kreischa, Köln, Oslo.

    Kleine Anmerkung, es wurde nur zwischen Köln und Kreischa verglichen, und da auch nur ein Probensatz (der letzte der Jahresstudie).

    Falls jedoch Dr. Rolf Kruse und ihm folgend Diskutanten auf diesem Block in den letzten Tagen tatsächlich aufgeklärt haben, warum die Dopingforscher weltweit irren, dann ziehe ich den Hut. Und plädiere dafür, wie es hier schon anderer Stelle geschehen ist, den Laden dichtzumachen.

    Wenn Du mal die Zahlen betrachtest, liegen die alle gar nicht soweit auseinander, Herstellerangabe und die Dissertation (für 2 Labore) kommen für eine 2% Probe auf einen Bereich 2+-0.5%. Die Ringstudie zeigt ja nicht einen exorbitant höheren Fehler mit 2+-0.8% bei 25 Laboren. Das ist also voll miteinander verträglich. Die Forderung alles dichtzumachen, geht also zu weit. Die „Grenzwerte“ für die Retis aus dem Blutpass waren ja nicht für eine Sperre gedacht, sondern mehr oder weniger zur Auswahl, welche Urinproben denn auf EPO und anderes getestet werden sollen. Das ist in der Dissertation auch ganz gut beschrieben, daß die Urinanalysen erheblich teurer sind und die Kapazitäten dafür knapp. Anhand der in der Arbeit vorgeschlagenen Grenzwerte soll eine Vorauswahl für diese Urintests getroffen werden, da so eine Advia irgendwas um 70 Proben die Stunde durchmessen kann, wenn ich die Daten richtig im Kopf habe. Das eignet sich also sehr gut zum Screening und Auswahl der sogenannten Zielkontrollen (die ja auch schon öfter erfolgreich waren).

    Gipsel,
    Wenn Du die Arbeit genau liest, wirst Du feststellen, dass die 5% über 2,5 Reti-Wert durch eine einzige DLV-Athletin der Probandengruppe zustande kommen, die diesen Grenzwert überschritt.

    Tschuldigung, ich habe die doch sehr lange Arbeit natürlich nur überflogen. Kannst Du mir einen Tipp geben, wo das steht? Also der Autor hat ja mehrere Gruppen behandelt. Eine davon bestand explizit aus DLV-Athleten (Verlaufsstudie, in der Zusammenfassung „A“). Und da betrug der höchste gemessene Reti-Wert nur 1.8%, bei allerdings auch nur 7 teilnehmenden Athletinnen. Das ist als Datenbasis ein wenig mickrig.
    Daß 5 Prozent der Werte über 2.5% liegen, bezieht sich auf die „Routinemessungen“ („F“), meist Wettkampfkontrollen internationaler Athleten, wobei ich auf die Schnelle nicht gefunden habe, wie viele das gewesen sind, aber wie gesagt 5 Prozent davon lagen über 2.5%.

    Die vielleicht beste Vergleichbarkeit zum Blutprofil von Pechstein ergibt sich wahrscheinlich durch die Daten der in der Zusammenfassung als „C“ (Jahresstudie) bezeichnten Datenreihe. Da wurden den Probanden nämlich 10 mal über ein Jahr verteilt Blut abgenommen. Das entspricht damit sogar fast der durchschnittlichen Kontrolldichte bei Pechstein.

    Und ich kann ja nichts dafür, aber gerade dort zeigen sich bei den Frauen auch die stärksten Ausreißer nach oben. An der Studie haben wahrscheinlich 23 Frauen(*) teilgenommen und offensichtlich schwankt bei mindestens 3 davon der Reti-Wert bis an/in Pechsteinsche Regionen. Schau Dir einfach mal die von mir bereits erwähnte Abbildung 30 an. Sechste Messung, es gibt gleich 3 Frauen, mit hohen Reti-Werten (2.6, 2.7, 3.3%), siebte Messung hatte insgesamt ein höheres Level, so daß dort keine Einzelwerte aufgetragen sind, achte Messung, zwei Frauen mit 2.8 bzw. 2.9%, neunte Messung, eine Frau mit 3.3%, und bei der letzten Messung auch wieder eine mit immerhin 2.7%. Und das wie gesagt bei nur 23 Teilnehmerinnen. Also für mich sieht das so aus, als wenn vielleicht etwa 10-15% aller Frauen solche Werte zeigen. Und hier kann man nicht auf die verschiedenen Labore verweisen.

    Und die Werte scheinen auch nicht bei einigen Probandinnen immer hoch gewesen zu sein, sondern auch kräftig zu schwanken. Aus der Dissertation:

    Alle Parameter der Retikulozyten, d. h. der prozentuale Anteil der Retikulozyten (Abb. 30), die Retikulozytenkonzentration (Abb. 31), der Anteil an hochfluoreszierenden Retikulozyten
    (Abb. 32) und der Retikulozythämatokrit (Abb. 33), zeigten eine signifikante Veränderung bei
    den männlichen und weiblichen Athleten über den untersuchten Zeitraum eines Jahres, sowohl
    bei der Datenauswertung als unabhängige Gruppen als auch bei individueller Betrachtung der
    Daten.

    Nachdem ich das gesehen habe, glaube ich eher daran, das der Kiesewetter vielleicht mit seiner Einschätzung doch recht haben könnte, das sowas als normal einzustufen ist. Ich war eigentlich sehr skeptisch nach seinem Auftritt bei der PK. Hmm.

    (*): Laut Text waren es die gleichen Teilnehmerinnen wie bei der Tagesstudie (30 Frauen), allerdings gibt es nur 230 Proben bei 10 Messungen im Jahr. Bei der Tagesstudie (6 Messungen über 24 Stunden) sind es dagegen passend 180 Proben (Abb.88). Aber das ist für das Argument auch egal.

  78. @the_doctor:

    btw, was ist denn eigentlich mit den pechstein’schen werten, die im labor von herrn kiesewetter gemessen wurden? sind die der öffentlichkeit zugänglich?

    Das weiß ich nicht, aber wenn ich den Kiesewetter richtig verstanden habe, wurden die nicht bei ihm vermessen, sondern an (verschiedene) WADA-akkreditierte Labore verschickt. Das dürfte die Streuung künstlich etwas erhöhen. Allerdings entspricht das auch eher den Werten aus dem Blutrofil, wobei ich mir jetzt sehr unsicher bin, daß überall auch die Advia120 dafür benutzt wurde.

  79. @gipsel

    Nur wie auch the_doctor angemerkt hat, muß man dann entweder mehr Parameter in Feld führen…

    ich glaube, da haben sie mich falsch verstanden, denn ich bezog mich in meiner aussage auf die ärztliche beurteilung eine therapie. man kann die aussage aber sicherlich für die einschätzung der frage „liegen hinweise für doping vor oder nicht“ übernehmen.
    das zeigt ja diese studie sehr schön, weil ja auch hier eine ganze reihe von parametern, allein schon bezüglich der retikulozyten (hfr, mfr, lfr, retikulozytenhämatokrit…), gemessen und errechnet und im nachhinein ausgiebig diskutiert wurden.

    ich sitze übrigens gerade staunend vor abbildung numero 30…

  80. ich glaube, da haben sie mich falsch verstanden, denn ich bezog mich in meiner aussage auf die ärztliche beurteilung eine therapie. man kann die aussage aber sicherlich für die einschätzung der frage “liegen hinweise für doping vor oder nicht� übernehmen.
    das zeigt ja diese studie sehr schön, weil ja auch hier eine ganze reihe von parametern, allein schon bezüglich der retikulozyten (hfr, mfr, lfr, retikulozytenhämatokrit…), gemessen und errechnet und im nachhinein ausgiebig diskutiert wurden.

    Na dann habe ich ja glücklicherweise nicht völlig zu Unrecht was in die Aussage hineininterpretiert. Ich hatte das so verstanden, daß sie sich ein paar der zitierten Aussagen der Dissertation zu eigen gemacht haben, insbesondere den Teil, der von den Retikulozytenparametern handelt ;)

    .. und die Reifestufen der
    Retikulozyten, speziell der Anteil an hochfluoreszierenden Zellen, scheinen damit wesentlich geeigneter zu sein, um einen Missbrauch von rhEPO zu erfassen

    ich sitze übrigens gerade staunend vor abbildung numero 30…

    Tja, schon spannend, wenn man ein paar Vergleichswerte zur Einordnung hat.
    Vielleicht sollte Pechstein die Abbildung mal vorzeigen, dann kann sie ihren 6-Wochen-Test wohl absagen. Zumindest spricht das eindeutig gegen die Aussage von Sottas, daß er in 10000 Blutprofilen angeblich nur ein einziges gefunden hat, was Pechsteins ähnelt.
    Meine Schlußfolgerung: wenn nicht weitere Werte (wie in der Arbeit beschrieben) mit den Reti-Zahlen streng korreliert variieren (schwanken tun die ja sowieso, die auf EPO besonders empfindlichen hochfluoreszierenden Retis dummerweise stark bei körperlicher Belastung), sieht das schlecht für die ISU aus. Oder die müssen eine deutlich breitere Datenbasis zur Verfügung stellen, die diese Werte als unglaubwürdig dastehen lassen. Vielleicht rückt Sottas ja seine 10000 Blutprofile raus?

    Ansonsten sind die Zweifel an den bekannten Indizien doch ziemlich groß. Natürliche Schwankungen plus die verschiedenen Labore können anscheinend wirklich die Werte plausibel erklären. Da muß Pechstein noch nicht mal Kopfstände machen und sich auf 1 Promille der Population berufen oder sowas.

  81. @Gipsel,

    vorangestellt: Beim nächsten Mal werde ich dreimal überlegen, bevor ich so etwas wie diese Dissertation verlinke. Arbeit, das dann zu diskutieren. Aber ich hab es schließlich angefangen, also gehe ich auf die Arbeit, die Du Dir gemacht hast, ein. Zweitens: Ich bin Laie und womöglich nicht in der Lage, bestimmte Dinge richtig zu lesen. Ich versuche das nur und bin dankbar für Deine Erörterungen.

    1)
    Wir haben in einem Punkt die Positionen geklärt: Du sagst, der Reti-Wert ist wegen der Geräte-Streuungen (Kruse, Dein Fachwissen) und genereller Schwankungen (die Du durch die Schwenke-Dissertation bestätigt siehst) als alleiniges Indiz für Blutdoping nicht geeignet. Ich meine, die Dopinganalytik wird sich dabei etwas gedacht und das Geräteproblem womöglich berücksichtigt haben. Let’s see, was CAS zur Verlässlichkeit der R-Wert-Messungen sagt.

    2)
    Dass Oslo – jedenfalls für die IOC- bzw. Routinestudie (mehr als 200 internationale Spitzenathleten aus Ausdauersportarten, Proben 2001 bis 2003) – im Geräte-Check einbezogen war, geht aus dieser Passage hervor:

    Im Rahmen einer vom IOC geförderten Kooperation zwischen den drei IOC-akkreditierten Labors Oslo, Köln und Kreischa sollten sowohl direkte Nachweismethoden für rhEPO entwickelt werden als auch die indirekten Parameter, die in den bis dahin durchgeführten Studien gefunden wurden, validiert werden … Ein weiterer Aspekt war, die Reproduzierbarkeit der erhaltenen Ergebnisse in unterschiedlichen Labors zu überprüfen.

    Bei den weiteren Studien war das nicht der Fall.

    Mit dem 2,5er Wert habe ich mich beim ersten nächtlichen Lesen geirrt.

    3)
    Es gibt Extremwerte und Ausreißer bis 3,3. Du weist zurecht darauf hin, dass zumindest das nicht ungewöhnlich ist und zitierst die Extreme aus der Jahresstudie (10 Proben im Jahr) nach Abb. 30, S. 53:

    Und ich kann ja nichts dafür, aber gerade dort zeigen sich bei den Frauen auch die stärksten Ausreißer nach oben. An der Studie haben wahrscheinlich 23 Frauen(*) teilgenommen und offensichtlich schwankt bei mindestens 3 davon der Reti-Wert bis an/in Pechsteinsche Regionen. Schau Dir einfach mal die von mir bereits erwähnte Abbildung 30 an. Sechste Messung, es gibt gleich 3 Frauen, mit hohen Reti-Werten (2.6, 2.7, 3.3%), siebte Messung hatte insgesamt ein höheres Level, so daß dort keine Einzelwerte aufgetragen sind, achte Messung, zwei Frauen mit 2.8 bzw. 2.9%, neunte Messung, eine Frau mit 3.3%, und bei der letzten Messung auch wieder eine mit immerhin 2.7%.

    Nur: Wir wissen nicht genau, wie weit diese Werte mit Pechstein vergleichbar sind, weil individuelle Schwankungsbreiten nicht en detail angegeben sind. Insofern haben wir kein vergleichbares Bild. Das Gesamtbild, nicht einen Einzelwert, hatte Sottas für Pechstein als außergewöhnlich bezeichnet.
    Wir wissen auch nicht genau, was aus den in der Dissertation ermittelten Werten geschlussfolgert worden ist. Nirgendwo (wenn ich jetzt nichts überlesen habe) in steht, dass all diese Athleten für Epo-frei gehalten wurden. Im Gegenteil: Bei mindestens einem Test, allerdings mit zu geringem R-Hämatokrit, ließen sich bei der folgenden Urinprobe schwache Epo-Reste nachweisen, die für den direkten Nachweis allerdings nicht (mehr) ausgereicht haben (S. 138).

    Also: All das ist spannend, aber, da hat jw recht, auch einigermaßen übertrieben, mit solchen Spezifika ins Detail zu gehen. Das soll dann mal der CAS machen. Habe jedenfalls mit Deinen Einwänden gelernt, Gipsel – u.a., dass solche Extremwerte auch bei deutschen Spitzenathleten aus anderen Sportarten schon vorgekommen sind.

  82. @ jw: Sicher ist hier einiges an Spekulation dabei. Aber mich unterhaelt die Diskussion intellektuell ungemein. Nicht nur, weil sie mir meine Grenzen aufzeigt, zB wuerde ich den Satz hier

    Meine Schlußfolgerung: wenn nicht weitere Werte (wie in der Arbeit beschrieben) mit den Reti-Zahlen streng korreliert variieren (schwanken tun die ja sowieso, die auf EPO besonders empfindlichen hochfluoreszierenden Retis dummerweise stark bei körperlicher Belastung), sieht das schlecht für die ISU aus.

    gern verstehen. Ist aber nicht. Immerhin habe ich gelernt, dass Labore ihre Analysemaschinen untereinander „einnorden“ (sollen), das war mir auch neu. Und dass das noetig zu sein scheint. (Und fuege mal juristisch an: Davon haengt dann vielleicht ein 2jaehriges Berufsverbot ab.)

    Mir gefaellt an der Diskussion vor allem, dass sie ergebnisoffen gefuehrt wird, dass fuer die Diskutanten das, was am Ende fuer oder gegen CLaudia P. spricht, nicht wirklich interessant zu sein scheint.

    Ansonsten: Machen Sie mich bitte nicht zu einem Ihrer Lieblingsgegner (trotz fehlender Stasi-, Doping- oder IOC-Vergangenheit ;-)). Spekulation ist ein guter Ansatz, um Kausalverlaeufe zu hinterfragen. Ich haette mich bspw. nicht getraut, den Einfluss der Schwimmanzuege auf die WM-Zeiten zu bewerten. Ich bin kein Materialexperte. Auch kein Mediziner.

    Allerdings hat die Zeit so manche Theorie weggespuelt hat und so manche neue Erkenntnis befoerdert, auf die man vorher nicht untersucht hat, weshalb ich (zB) auch nicht wuesste, warum ein Sportler nicht doch eine „Blutanomalie“ haben sollte. Selbst, wenn diese ins Blaue hinein behauptet worden ist. Ich koennte jedenfalls nur spekulieren, wenn ich das verneinen oder bezweifeln wollte. Und da bewundere ich manchmal die Selbstsicherheit von Journalisten.

  83. @ nocheinjurist: Sie missverstehen. Ich habe Sie doch ziemlich oft gelobt in letzter Zeit. Sie sind kein Gegner, sondern ein (mitunter nervender) jemand, mit dem sich angenehm streiten lässt. Ich glaube schon, dass Ihr ständiges Insistieren auch meinen Blick auf die Themen und meine Arbeit generell schärft. Genug Honig ums Maul geschmiert.

    Lieblingsgegner sind andere, um das Wort aufzunehmen.

  84. @ha:

    vorangestellt: Beim nächsten Mal werde ich dreimal überlegen, bevor ich so etwas wie diese Dissertation verlinke.

    Wieso? Du hast doch interessante Informationen verlinkt, die ebenso interessante Vergleiche ermöglichen. Du mußt Dich doch nicht in der Verpflichtung sehen, daß alles zu diskutieren. Und ich gebe zu, daß diese Diskussion hier im Blog wahrscheinlich deplaziert ist. Man verzeihe (nicht nur) mir dies.

    Dass Oslo – jedenfalls für die IOC- bzw. Routinestudie …

    Ich will mich nicht streiten, aber für die IOC-Studie steht auch folgender Satz drin:

    Alle hämatologischen Messungen der Teilprojekte wurden dabei in Kreischa durchgeführt.

    Das mit Oslo bezieht sich wohl auf frühere Studien sowie die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung eines direkten EPO(Nesp)-Tests.

    Es gibt Extremwerte und Ausreißer bis 3,3. Du weist zurecht darauf hin, dass zumindest das nicht ungewöhnlich ist [..]
    Nur: Wir wissen nicht genau, wie weit diese Werte mit Pechstein vergleichbar sind, weil individuelle Schwankungsbreiten nicht en detail angegeben sind. Insofern haben wir kein vergleichbares Bild. Das Gesamtbild, nicht einen Einzelwert, hatte Sottas für Pechstein als außergewöhnlich bezeichnet.
    Wir wissen auch nicht genau, was aus den in der Dissertation ermittelten Werten geschlussfolgert worden ist. Nirgendwo (wenn ich jetzt nichts überlesen habe) in steht, dass all diese Athleten für Epo-frei gehalten wurden. Im Gegenteil: Bei mindestens einem Test, allerdings mit zu geringem R-Hämatokrit, ließen sich bei der folgenden Urinprobe schwache Epo-Reste nachweisen, die für den direkten Nachweis allerdings nicht (mehr) ausgereicht haben (S. 138).

    Nun, es ist im Text gesagt, daß die individuellen Werte sehr stark schwanken. Demzufolge stellen die dort festgestellten Werte offensichtlich die physiologische Spanne dar. Dauerhaft erhöhte Werte einzelner Testteilnehmerinnen wären erwähnt worden (vergl. die Diskussion über die Makrozytenkonzentration).
    Und ja, es ist in der Arbeit gesagt worden, daß die Teilnehmer der Jahresstudie für EPO-frei gehalten wurden:

    Bei den Probanden der Tages- und Jahresstudie, die zum überwiegenden Teil Studenten der Deutschen Sporthochschule Köln waren, kann ausgeschlossen werden, dass ein Doping mit rhEPO stattgefunden hat.

    Die Angabe zu der verdächtigen Probe mit den niedrigen Reti-Werten ist wahrscheinlich eine allgemeine und bezieht sich auf keinen Teilnehmer einer der Studien, da der niedrigste in allen Studien gemessene Wert minimal höher lag, als der auf S. 138 erwähnte (oder es ist ein Fehler).

    Und Sottas, nun, ich denke da sollte man mal überlegen, wie glaubhaft seine Angabe mit den 10000 Blutprofilen überhaupt ist. Wenn man ein wenig googelt, kommt man drauf, daß das wohl auf die etwa 800 von der UCI aufgenommenen Profile von (hauptsächlich männlichen) Radprofis abzielt. Die Zahl 10000 bezieht sich vermutlich auf die Anzahl der Einzelproben. Ich bezweifle mal ganz frech, daß er die alle gesehen hat. Außerdem, ein Ergebnis der Arbeit ist ja gerade, daß die auch von ihm propagierten Modelle zum Aufdecken von EPO-Mißbrauch bei etwa 50% (fünfzig Prozent!) der Studienteilnehmer zu falsch positiven Ergebnissen führten.

    Bei der Berechnung der Werte der Proben, die im IDAS Kreischa in den
    Studien und den Routinekontrollen analysiert wurden, mittels dieser neuen Modelle, stieg der
    Anteil an falsch positiven Ergebnissen drastisch an, z. T. wurden mehr als 50% der Proben einer Studie als positiv gewertet[..]
    Eine Anwendung der neueren statistischen Modelle erwies sich somit als nicht praktikabel.

    Das ist ein ziemlich vernichtendes Urteil. Insgesamt erscheint angesichts der Daten in der Dissertation die Behauptung einiger Leute (Sottas, Bengt Saltin), daß die Retis bei einer Person nur um +-10% um einen individuellen Mittelwert schwanken sollen, als wenig glaubhaft.

    Also: All das ist spannend, aber, da hat jw recht, auch einigermaßen übertrieben, mit solchen Spezifika ins Detail zu gehen. Das soll dann mal der CAS machen. Habe jedenfalls mit Deinen Einwänden gelernt, Gipsel – u.a., dass solche Extremwerte auch bei deutschen Spitzenathleten aus anderen Sportarten schon vorgekommen sind.

    Da befürchte ich, daß vor dem CAS doch eher die formaljuristischen Argumente überwiegen werden, oder glaubt irgendwer, daß es da eine Art „Gutachterschlacht“ geben wird? Die meisten Anwälte versuchen doch sowas zu vermeiden, weil sie sich bei Sachargumenten auf unsicherem Terrain bewegen. Und selbst wenn, stellt sich auch die Frage, wie will der CAS wahrscheinlich differierende Expertenmeinungen werten?
    Ohne jetzt zum Verschwörungstheoretiker werden zu wollen, halte ich es schon für möglich, daß dort eventuell auch Druck ausgeübt wird, um die indirekte Methode nicht zu diskreditieren, unabhängig von den konkreten Fakten.
    Na mal sehen was da rauskommt, mehr als abwarten kann man ja nicht und ich denke wir haben hier die Thematik der Reti-Werte nun wirklich ausführlichst diskutiert. Man kann nur hoffen, daß die ISU zum Verfahren noch ein paar mehr Daten (Stichwort Meßprotokolle mit weiteren Parametern) vorbringt, damit vor dem CAS ein vielleicht gerechtes Urteil gefällt wird.

  85. @nocheinjurist:

    Aber mich unterhaelt die Diskussion intellektuell ungemein. Nicht nur, weil sie mir meine Grenzen aufzeigt, zB wuerde ich den Satz hier

    wenn nicht weitere Werte (wie in der Arbeit beschrieben) mit den Reti-Zahlen streng korreliert variieren …

    gern verstehen. Ist aber nicht.

    Ach, das ist ganz einfach.
    Analogie Serienmorde im Wald:
    Ein Indiz wäre, daß der Verdächtige ab und zu im fraglichen Wald spazieren geht. Das alleine sagt natürlich noch gar nichts. Aber wenn er immer, wenn er im Wald spazieren geht, auch ein Messer und einen Strick mitnimmt, dann ist am Verdacht vielleicht schon eher was dran.

  86. @gipsel

    Da befürchte ich, daß vor dem CAS doch eher die formaljuristischen Argumente überwiegen werden […] Die meisten Anwälte versuchen doch sowas zu vermeiden, weil sie sich bei Sachargumenten auf unsicherem Terrain bewegen.

    bestimmt.
    pechstein-manager grengel bewegt sich ja bereits bei aussprache des wortes „lausanne“ auf unsicherem terrain.
    ich bitte um verzeihung für diese unsachliche bemerkung ,aber so etwas geht nach dem 5-6 mal mächtig auf den keks.

    Und selbst wenn, stellt sich auch die Frage, wie will der CAS wahrscheinlich differierende Expertenmeinungen werten?

    daran hab ich auch schon die ganze zeit gedacht.
    allein das verständnis der vorgetragenen expertisen wird schon nicht leicht werden. in der haut der cas-richter möcht‘ ich wirklich nicht stecken!
    nachdem die kompliziertesten experten-gutachten auf sie eingeprasselt sein werden, werden sie sich sämtliche denkstrukturen einmal komplett verbogen haben und mental das handtuch werfen…

    Ohne jetzt zum Verschwörungstheoretiker werden zu wollen, halte ich es schon für möglich, daß dort eventuell auch Druck ausgeübt wird, um die indirekte Methode nicht zu diskreditieren, unabhängig von den konkreten Fakten.

    das wäre gelinde gesagt eine katastrophe. und nicht nur für pechstein.

  87. @ Gipsel: Danke. War das die Erklaerung fuer „streng korrelieren“? Mich hat das „variieren“ eher vor Probleme gestellt — und damit die ganze „Wortgruppe“…

  88. Gipsel,

    Und Sottas, nun, ich denke da sollte man mal überlegen, wie glaubhaft seine Angabe mit den 10000 Blutprofilen überhaupt ist. Wenn man ein wenig googelt, kommt man drauf, daß das wohl auf die etwa 800 von der UCI aufgenommenen Profile von (hauptsächlich männlichen) Radprofis abzielt. Die Zahl 10000 bezieht sich vermutlich auf die Anzahl der Einzelproben. … Außerdem, ein Ergebnis der Arbeit ist ja gerade, daß die auch von ihm propagierten Modelle zum Aufdecken von EPO-Mißbrauch bei etwa 50% (fünfzig Prozent!) der Studienteilnehmer zu falsch positiven Ergebnissen führten. … Das ist ein ziemlich vernichtendes Urteil.

    Ganz so einfach ist es nicht. Hier geht es um Applikationsstudien und statistische Modelle aus den Anfangsjahren (2001 bis 2003) der Forschung zum damals noch nicht zulässigen indirekten Nachweis (bei denen der Bio-Statistiker Sottas kein Co-Autor war). Diese Diss. bietet eine, aber sicher nicht die einzige Weiterentwicklung und begründet ausführlich, warum diese Modelle in Kreischa Falsch-Positive ergaben, u.a.:

    Die Ursachen liegen wahrscheinlich zum einen in der Veränderung des Assays zur Bestimmung des sTfR, zum anderen darin, dass die
    Athleten der Applikationsstudien eine sehr homogene Population darstellten und zusätzlich eine Eisensubstitution erhielten. Eine Anwendung der neueren statistischen Modelle erwies sich
    somit als nicht praktikabel.

    Das Schweizer Labor gilt mit dem in Chatenay-Malabry unter den IOC-Laboren als das kompetenteste in Sachen Blutdoping. Ich verstehe also nicht, warum Du Sottas‘ doch sehr konkrete Aussage, dass er bei 10.000 genommenen Proben nur acht Athleten mit einer Blutkrankheit entdeckt hat und nur einen, bei dem wie bei Pechstein zwar regelmäßig die Retis, nicht aber die leichter zu manipulierenden Hämatokrit- und Hämoglobin-Werte (mit der einen Ausnahme 2004: der misslungenen Schutzsperre) hochgingen, für wenig glaubhaft hältst. Ein unabhängiges Gegengutachten, nicht aus der Dopingforschung, wäre aber gut.

    Aufs Formaljuristische deutet zunächst mal Pechsteins neue Verteidigungsstrategie hin, mit dem Rückwirkungsverbot zu argumentieren. Wenn der CAS ihr recht geben sollte, was ja – abseits vom Formaljuristischen – möglich wäre, falls die ISU tatsächlich allein eine Excel-Tabelle vorlegen können sollte und nicht auch den Nachweis, dass Schwankungsbreiten der Geräte bei den Messungen berücksichtigt worden sind – halte ich es dennoch für eine Dramatisierung, zu behaupten, damit sei der indirekte Nachweis diskreditiert. Das wäre dann wohl eher die ISU.

  89. Das Antidoping-Labor in Lausanne untersucht seit 1996 im Auftrag des Rad-Weltverbandes UCI die Blutwerte von Radprofis. Die dabei gesammelten Datenmengen sind riesig, denn seit 1997 werden vor allen grösseren Rundfahrten sämtliche Teilnehmer zur Ader gelassen. ….
    Pierre-Edouard Sottas verwendet dabei den medizinischen Begriff der Prävalenz. Dieser sagt aus, wie hoch der Anteil von Menschen mit einer bestimmten Krankheit (in diesem Fall Doping) innerhalb einer Population ist. «Die Methode ist sehr exakt», sagt Sottas. Und sie funktioniert bei allen Formen der Blutmanipulation: EPO-Doping, Eigen- und Fremdblut-Transfusion. «Wir können heute mit Sicherheit bestimmen, wie viele gedopte Rennfahrer zu einer Rundfahrt starten», sagt Sottas.Mit Hilfe der Daten, die er verwendet, soll ein neuer Dopingtest eingeführt werden …

    http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/aktuell/die_blutspur_des_radsports_1.536876.html

    ha und Gipsel,
    die Datenmenge stimmt,was soll es aber für eine Besonderheit sein,wenn unter 10000 1 oder 2 Sportler die gleiche Besonderheit aufweisen?

    Warum ist bei CP nicht von Prävalenz die Rede?

  90. @ Martha: Danke. Nur: Objektivität, was ist das? Es gibt keine Objektivität, das ist die reine Theorie. Ist Pechstein objektiv? Bergmann? Grengel? Krähe? Die ISU? Der eine oder die andere Kommentator/in hier? Der Hausherr? Wir versuchen nur, uns ein Bild zu machen. Die zuerst genannten sind allesamt nicht objektiv, sondern Partei – das ist mal klar.

  91. Hallo Blog-Schreiber,

    zunächst mal grosses Lob an alle, ich finde diesen Blog und die Diskusssion zu den dargestellten Fakten z.B. zur Aussagekraft von Messwerten in unterschiedlichen Laboren äußerst informativ.

    Ein bißchen Polemik: Warum liest man davon eigentlich nichts in der normalen Presse?

    Mich würde nun brennend interessieren, was denn unsere anderen (hoffentlich sauberen) Spitzensportler, wie z. B. Anni Friesinger davon halten, dass bei der ISU, gilt aber vermutlich auch bei allen anderen Verbänden Dopingnachweisverfahren mit solchen Streuungen nach oben und unten im Ergebnismesswert möglich sind und ob sie z. B. wissen, mit welchen Werten sie in den Datenbanken der ISU oder NADA (z. B. auch schon mit überschrittenen Messwerten?) bereits gespeichert sind.

    Sollte das CAS das Verfahren für korrekt und glaubwürdig halten, hätte ich als Spitzensportler schon „Muffe“ an ein Dopinglabor / Messgerät mit zu hoher Streuung nach oben zu geraten und keinen Gegenbeweis liefern zu können. Denn, wie bereits im Blog von Gipsel beschrieben, eine Nachkontrolle mit einer gesicherten tiefgekühlten Originalblutprobe ist offenbar aus technischen Gründen nicht möglich.

    Eine, auf eigene Kosten, vom Sportler parallel genommenen Zweitprobe auf einer ADVIA 120 würde dann vermutlich als Parteigutachten gewertet und nicht zugelassen. Wie also könnte sich ein Spitzensportler gegen einen tatsächlichen Messfehler bzw. eine Messung mit einem nach oben streuenden Gerät wehren?

    Kennt jemand vielleicht schon entsprechende Interviews (Link wäre super) oder trauen sich unsere Spitzensportler nicht zu äußern, weil sie befürchten, dann sofort selbst „unter Verdacht“ zu geraten?

  92. @ JoJo: Eine Anmerkung: Über das merkwürdige Schweigen der meisten Spitzensportler in der Dopingfrage ist hier schon einige Male diskutiert worden. Ich denke, das hat nichts damit zu tun, dass sie fürchten müssen, selbst in Verdacht zu geraten. Das macht aus meiner Sicht auch keinen Sinn, denn wie wir wissen, so ist ja die offizielle Lesart des deutschen Sports, sind mehr als 99 Prozent aller Spitzensportler sauber. Warum diese 99 Prozent sich dann nicht melden? Frag mal.

  93. Jojo,

    Gipsel u.a. haben auf ein Problem hingewiesen, von dem keiner weiß, wie die ISU damit umgegangen ist, solange keine Messprotokolle o. ä. vorliegen. Dafür gibt es Behauptungen von allen Seiten, z.B. auch diese:

    Pöttgen, der nur für seinen eigenen Zuständigkeitsbereich sprechen kann, erklärt allerdings, dass die Messungen in der analytischen Bewertung stets zugunsten des Athleten interpretiert werden müssten. Eine Voraussetzung sei die Eichgenauigkeit des Messgeräts. Es sei gängige Praxis, dass jede Messung wiederholt und das für den Athleten günstigere Ergebnis verwendet würde. Bei der Interpretation der Werte werde die Variationsbreite berücksichtigt. „Wir rechnen in der Analytik bis zu 30 Prozent Schwankungsbreite bei Retikulozyten ein“, sagt Pöttgen. „Das muss in den statistischen Modellen mit erfasst werden.“ Auf solchen statistischen Modellen beruht die Langzeit-Analyse, die wohl zur Sperre für Pechstein führte.

    http://www.faz.net/s/RubCBF8402E577F4A618A28E1C67A632537/Doc~E47441BD1528544C5ACD0BC80E6F68D01~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  94. @JW:

    Das macht aus meiner Sicht auch keinen Sinn, denn wie wir wissen, so ist ja die offizielle Lesart des deutschen Sports, sind mehr als 99 Prozent aller Spitzensportler sauber.

    Das ist ja ein weiterer Aspekt, der mich in diesem Fall stutzig macht. Auch ich glaube natürlich, dass es weit mehr unehrliche Sportler als 1 % gibt. Nehmen wir 5 % (niedriger Wert zugunsten der Sportler) an.

    Wie passt dann aber die Aussage von Herrn Sottas rein, dass er als Dopingexperte von 10000 Blutprofilen nur eines wie das von Frau Pechstein kennt. Schon bei angenommenen nur 5% Dopern müßten sich ja in seiner Datenbank rund 500 ähnliche Blutprofile finden lassen. Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass das Blutprofil von Frau Pechstein zum Einen korrekt erstellt wurde und zum Anderen dem eines typischen Dopers entspricht.

    Wenn also die Aussage von Herrn Sottas zutrifft, und Frau Pechsteins Blutprofil ein extremer Einzelfall ist und Blutprofile von Dopern typischerweise so aussehen wie das von Frau Pechstein, dann sollten wir alle froh darüber sein, denn dann wären ja nicht nur 99% aller Sportler sauber, sondern 99,999% (9999 von 10.000).

    Warum nur kann und will ich das nicht glauben?

  95. …wenn die Messwerte aufgrund verschiedener Verfahren so unzuverlässig streuen, weshalb streuen sie eigentlich nur bei Frau Pechstein und nicht bei anderen (für „sauber“ befundenen) Sportlerinnen und Sportlern? Mich würden diese ja auch mehrjährigen Testreihen interessieren als Vergleich – vielleicht wird so etwas ja im CAS-Verfahren bekannt. Frau Pechstein sollte sich übrigens mal entscheiden, ob sie die Messwerte und -methoden anzweifeln oder auf ein außergewöhnliches Knochenmark plädieren möchte. Sonst wird es allenfalls ein Freispruch zweiter Klasse.

  96. @JoJo

    Zu Sottas:

    Ich kann nur spekulieren: vll. weil der menschl. Körper höchst unterschiedl. auf die Einnahme von Dopingssubstanzen reagiert bzw. die Verschleierungsmethoden und die Dopingcocktails der dopenden Athleten sich unterscheiden. Nicht jeder Doper betreibt Blutdoping.

    Handelt es sich bei den 10.000 Blutprofilen wirklich um die Anzahl der Athleten oder ist das nur die Anzahl der Einzelproben. Bei 10.000 Athleten müsste man ja von mind. 200.000 Einzelproben (20 pro Athlet) ausgehen, ist das glaubwürdig?

  97. @ha:

    Gipsel u.a. haben auf ein Problem hingewiesen, von dem keiner weiß, wie die ISU damit umgegangen ist, solange keine Messprotokolle o. ä. vorliegen. Dafür gibt es Behauptungen von allen Seiten,…

    Das ist es ja eben: Wie kann es Behauptungen von allen Seiten geben. Es müßte doch längst anhand von Messprotokollen, Dokumenten über den sachgemäßen Transport etc. lückenlos belegt, dass (wohl unvermeidliche) Meßtoleranzen und (vermeidbare, menschliche Fehler bei der Messung) im Blutprofil von Frau Pechstein berücksichtigt bzw. ausgeschlossen sind z.B. vor der ISU-Schiedskommision. Hoffentlich kann die ISU dies vor dem CAS. M. E. wäre es jedoch schon vor der Sperre erforderlich gewesen…

    Ich glaube Herrn Poettgen ja gerne, dass in seinem Labor generell sehr ordentlich gearbeitet wird, aber gilt dass auch für alle Labore und alle durchgeführten Messungen die in diesem oder künftigen Verfahren gegen weitere Sportler mitwirken bzw. eine Rolle spielen?

    Fast täglich liest man über Fehler im Klinikbetrieb bis hin zu falsch amputierten Beinen. Und ausgerechnet in der Labor- und Analysetechnik passieren keine (allzu menschlichen) Fehler?

    Insbesondere nicht bei Messverfahren, die offenbar hochkomplex sind und außerdem selbst bei größtmöglicher Sorgfalt zu Streuungen führen und lt. Aussage der Hersteller regelmäßig kalibriert werden müssen, weil sie sonst die unangenehme Eigenschaft haben im Laufe der Zeit falsche Messergebnisse zuliefern.

    Mich macht das schon nachdenklich und zweifelnd, ob solche Verfahren als Nachweis überhaut sinnvoll sind.

  98. Ich denke Herr Holle spricht den zentralen Punkt an. Wenn diese Schwankungsbreiten bei den R-Werten angeblich natürlich, und besonders bei weiblichen Athleten auftreten, warum ist Frau Pechstein dann die einzige, bei der die ISU eine Sperre verhängt hat ?
    Wie waren denn die R-Werte bei anderen Eisschnellläuferinnen in Hamar ?

    Ich denke, wenn die ISU vor dem CAS glaubhaft darlegen kann, dass gewisse Schwankungen in ihren Modellen berücksichtigt sind, und dass der Vergleich mit den R-Werten anderer Eisschnellläuferinnen bei den selben Wettbewerben eben keine Werte wie bei Frau Pechstein erbrachte, dann muss Frau Pechstein sich schon ziemlich strecken, wenn sie diese Schwankungen mit etwas anderem als Doping erklären will.

    Ich nehme mal an, in Hamar war die Weltelite zugegen. Da werden sich doch wohl Proben zum Vergleich finden lassen.

  99. Ich denke,der zentrale Punkt ist der,dass ein professioneller Doper nicht drei Tage vor Wettkampfbeginn Blutdoping betreibt,damit die Retis garantiert pünktlich zur Kontrolle hoch sind.
    Aus dem Urteil:

    Long term monitoring allows the ISU Medical Commission to better detect anomalies or specific changes over time. In case of anomalies further targeted testing follows.

    Die ISU hat keine Zielkontrollen gemacht,sondern einfach die neue Rechtslage ab 01.01.2009 benutzt.

    Ein professioneller Doper hat auch die Übersicht über seine Blutwerte,nur CP hat in 9 Jahren keinen Hinweis von der ISU auf ihre Retis bekommen.Meiner Meinung nach war auch immer der Off-score Wert wichtig und der ist in Ordnung?

  100. Jojo, gesperrt wirst du offensichtlich und hoffentlich nicht wegen eines auffälligen Werts.

    Danke für das großzügig gestreute Lob.

  101. @ walter

    Ich denke,der zentrale Punkt ist der,dass ein professioneller Doper nicht drei Tage vor Wettkampfbeginn Blutdoping betreibt,damit die Retis garantiert pünktlich zur Kontrolle hoch sind.

    Ein professioneller Doper hat auch die Übersicht über seine Blutwerte,nur CP hat in 9 Jahren keinen Hinweis von der ISU auf ihre Retis bekommen.

    1. Woher nehmen Sie Ihre Gewißheit, wann „professionelle“ Doper mit Maßnahmen aufhören?

    2. Besteht nicht evtl. die Möglichkeit, daß es schon über einen längeren Zeitraum möglich ist, genau solche Maßnahmen durchgängig zu betreiben, wenn die Möglichkeit des Erwischtwerdens von den „Helfern“ ausgeschlossen werden konnte( u.a. auch, weil die Retis eben nicht auf dem Schirm waren)?

    3. Möglicherweise ist dieser erste Fall der indirekten Nachweisführung ja ein erster Schritt für eine völlig neue Ära der Dopingbekämpfung um auch die „professionellen“ Doper( sind das nicht alle Doper?)zu greifen.
    siehe auch:

    «Wir können heute mit Sicherheit bestimmen, wie viele gedopte Rennfahrer zu einer Rundfahrt starten», sagt Sottas.

    Der Frust bei den Jägern muß doch grenzenlos sein.

  102. @Herr Holle:

    …wenn die Messwerte aufgrund verschiedener Verfahren so unzuverlässig streuen, weshalb streuen sie eigentlich nur bei Frau Pechstein und nicht bei anderen (für “sauber� befundenen) Sportlerinnen und Sportlern?

    .

    Woher wissen Sie das ? Mir jedenfalls sind keine Aussagen, auch keine der ISU bekannt, dass die Blutprofile anderer Sportler keine Schwankungen hätten. Vielmehr zeigen die hier im Blog verlinkten Studien, daß dabei auch ohne Doping sehr wohl grosse Schwankungen festgestellt wurden. Und hierbei wurde immer das selbe Labor und diesselben Geräte genutzt.

    Es wäre m. E. mehr als auffällig, um nicht zu sagen verdächtig, wenn andere Spitzensoprtler keine Schwankungen in Ihren Blutprofilen hätten

    Aufklärung oder wenigstens ein bißchen mehr Licht in die vielen Spekulationen könnte auch hier die (anonymisierte) Offenlegung der Daten aus der ISU-Datenbank bringen.

    Ich würde ja allzu gerne glauben, das alle anderen Sportler der ISU „sauber“ sind und dies sich durch die von der ISU gespeicherten Blutprofile belegen liesse. Ich halte es jedoch für wesentlich wahrscheinlicher, das sich die ISU nur den aus Ihrer Sicht klarsten Fall in Ihrer Datenbank ausgesucht hat um damit die indirekte Nachweismethode zu etablieren.

  103. Da hier Sottas zum Thema wird, mal ein paar Informationen zu seinem Modell. Nachdem ich in ein paar seiner Veröffentlichungen reingeschaut habe, kann ich sagen, daß er mit „Blutprofil“ das Ergebnis der Analyse einer einzigen Probe meint, und nicht die (vielen) Proben eines Athleten. Daher also die große Zahl.

    Sottas propagiert ja den indirekten Nachweis über die Blutparameter, insbesondere sein eigenes, 2006 entwickelte Modell (ABPS). Nun, vielleicht ganz nützlich ist das Wissen, auf Grundlage welcher Daten dieses Modell entwickelt wurde.
    Er hat 32 Amateurathleten genommen, alles Männer übrigens, und sie per Zufall in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe wurde gezielt an knapp 50% Hämatokrit herangedopt (weil das die vermutete Praxis darstellt), die andere Gruppe hat ein Placebo erhalten. Gemessen wurden die Blutparameter übrigens mit zwei verschiedenen Geräten (keines davon eine Advia).

    Durch Tuning am Modell (da gehen bis zu 14 Blutparameter ein) konnten maximal 45% der nachweislich Epo-Positiven anhand der Blutparameter erkannt werden, bevor das Modell Leute falsch als positiv bewertete.
    Dann wurde das Modell auf eine Handvoll Athleten mit positiven EPO-Tests (Wettkampfkontrollen) oder bekanntem Blutdoping (Transfusionen) und auf eine weitere Handvoll Leute bei denen Doping-Freiheit angenommen wurde, angewandt. Am empfindlichsten reagierte es wohl auf Bluttransfusionen (9 von 11 wurden erkannt, bevor es falsch positive gab).

    Insgesamt würde ich das Ergebnis mittelprächtig bis passabel nennen. Daß von seinen männlichen Probanden bei der Erstuntersuchung auch schon zwei natürlich bei einem Reti-Wert von 2.2 oder höher lagen (und damit an der Cutoff-Grenze), verdeutlicht auch, daß auf jeden Fall mehrere Parameter herangezogen werden müssen. In späteren Veröffentlichungen steigern sich die Erkennungsraten (bzw. sinken die falsch positiven) eigenartigerweise ohne Änderungen am Modell.

    Ein Ergebnis der Arbeit von dem Dr. Dirk Schwenke ist allerdings gerade, daß bei Frauen die natürlichen Schwankungen nach oben anscheinend deutlich größer sind (Sottas verneint das). Bei Schwenke haben wie schon erwähnt 10 bis 15 Prozent der Frauen Werte im Pechsteinschen Bereich gezeigt. Dabei wurden 10 Proben pro Frau über ein Jahr hinweg genommen. Mit höherer Probendichte (sagen wir mal 90 Proben), wäre der Prozentsatz wohl auch noch höher ausgefallen. In der Studie wurde (im Gegensatz zu Sottas Messungen) auch immer das gleiche Gerät wie für das Pechstein-Profil benutzt (Advia120). Analysiert wurde immer im (WADA-akkreditierten) Labor in Kreischa. Da fallen also schon ein paar Fehlerquellen weg. Und der Schwenke ist auch nicht irgendein Idiot, immerhin leitet er heute die Abteilung für Blut- und EPO-Analytik in Kreischa. Wenn der da nicht totalen Murks fabriziert hat (aber was machen nicht akkreditierte Labore dann erst?), sollten die Daten auch halbwegs zuverlässig sein.

    Es ergeben sich also mehrere Fragen: Wie groß sind die natürlichen Schwankungen (insbesondere bei Frauen) wirklich? Wie wirken sich die verschiedenen Meßgeräte aus, die zur Aufstellung der Modelle herangezogen wurden (Sottas meint nicht wesentlich)? Wie wirken sich die verschiedenen Labore auf die konkreten Werte von Pechstein aus? Und schließlich, legt die ISU weitere Daten offen, die die bessere Bewertung der Pechstein-Werte ermöglichen? Nur mit denen aus der Excel-Tabelle kann auch Sottas sein Modell nämlich gar nicht richtig anwerfen.

    Dies sind die Sachfragen, die vor dem CAS von den entsprechenden Experten beantwortet werden müssen. Da es offensichtlich auch Daten gibt, daß so hohe Reti-Werte mit einiger Wahrscheinlichkeit natürlich vorkommen, muß die ISU da aus meiner Sicht ein wenig mehr auffahren als bisher.

  104. siehe auch:

    «Wir können heute mit Sicherheit bestimmen, wie viele gedopte Rennfahrer zu einer Rundfahrt starten», sagt Sottas.

    Der Frust bei den Jägern muß doch grenzenlos sein.

    Sottas kann aus dem Anpassen seines Modells an die gemessenen Daten der Fahrer sagen (unter der Voraussetzung, daß sein Modell stimmt), daß x Prozent der Fahrer wohl gedopt sein werden. Was er nicht kann, ist mit Sicherheit zu sagen, welche Fahrer das sind (außer bei ganz klaren Fällen).

  105. indykiste,

    «Wir können heute mit Sicherheit bestimmen, wie viele gedopte Rennfahrer zu einer Rundfahrt starten», sagt Sottas.

    Der Frust bei den Jägern muß doch grenzenlos sein.

    Eben,und wäre Dr. Sottas bei dem von ihm entwickelten „neuen Dopintest“ geblieben,wäre das für mich eindeutig gewesen.
    http://www.nzz.ch/nachrichten/sport/aktuell/die_blutspur_des_radsports_1.536876.html

    Nur der Off-score Wert von CP ist doch normal?
    Ich hatte nur gehofft,dass mir das jemand erklären kann.

    Wir wissen doch beide nicht,ob sie gedopt hat oder nicht.Wahrscheinlich können wir auch erst nach Verfahrensende nachlesen,wie Dr.Sottas seine Begründung formuliert hat.
    Herr Sörgel sagt mal so und so,nur Damsgaard tendiert zum nein.

    ok,professionelle Doper kenne ich nicht,erhöhte Retis am Wettkampftag bringen nichts,egal ob sie natürlich oder künstlich oder durch falsche Messung zu stande kamen.

  106. Gipsel,
    danke für die Infos,von welchen Modellen rühren denn nun die Off-score werte her?

    Was hat dann die Freiburger Kommission gemacht?Die bekamen von Freiburg anonymisiert Daten von über 5000 Sportlern,die sie untersuchten,davon sollten etwa 30 auffällig gewesen sein,die sich wiederum nach der Entanonymisierung als Telekomfahrer herausstellten?

  107. Erstmal Dank an Jens und Gipsel für die Informationen und die damit verbundene Anregung zum Nachdenken. Fällt ja nicht immer leicht bei all den verschiedenen Interessensgruppen.
    Frage in die Runde: Wann beginnen die Tests für Berlin? Diese Woche, oder erst mit Beginn der Wettkämpfe? Ist das, falls in dieser Woche beginnend, dann „in“ oder „out“?

  108. von welchen Modellen rühren denn nun die Off-score werte her?

    Das ist deutlich älter und ist nur ein einfacher statischer Grenzwert:
    OFF-Score = 10 * Hämoglobin [g/dl] – 60 * sqrt(Reti%)

    Der ist zur Erkennung von Blutdoping (Transfusionen) geeignet (etwas weniger für die Zeit nach Absetzen von EPO, prinzipiell aber auch dafür) und spricht auf die Kombination von hohem Hämoglobin und gleichzeitig niedrigen Retis an.

    Beispiel: Der Hämoglobingrenzwert für Männer (dann gibt es ohne Ausnahmegenehmigung eine Schutzsperre) beträgt inzwischen wohl 17.0 g/dl (für Frauen je nach Sportart 16.0 bzw. 16.5). Bei einem Wert von genau 17.0 und Retis von nur 0.4% beträgt der Off-Score also 132 und ist somit für Männer gerade am Rande des Erlaubten (Männer 133, Frauen üblicherweise 126, wenn ich das richtig im Kopf habe). Das wäre also schon langsam wirklich verdächtig für Blutdoping. Aufgrund der immer recht hohen Retis bei Pechstein (nie unter 1.0%), war der Wert nie auch nur in der Nähe des Grenzwertes. Es deutet also nichts auf Bluttransfusionen hin (bei Radprofis sind z.B. Reti-Werte von nur noch 0.2% dokumentiert). Selbst bei Epo-Doping (was die Retis erst mal ansteigen läßt) würde zumindest ich auch irgendwann mal einen etwas unter der Norm liegenden Wert erwarten (das nimmt man sicher nicht jahrelang ununterbrochen). Wie schon gesagt, zeigen die Studien bei EPO-Gebrauch ein wellenartiges Verhalten der Retis, 5 Tage nach dem Absetzen beginnen sie zu fallen, verbleiben dann einige Zeit unter dem Normwert (da der Körper jetzt mehr rote Blutkörperchen hat, als natürlich), bis sich das Hämoglobin wieder auf dem natürlichen Level einpendelt.
    Das ist wohl auch das, was einige Experten ab und zu zweifeln läßt. Es paßt für mich zumindest nicht so zusammen, daß man sagen könnte, es wäre alles vollkommen plausibel (was für eine Verurteilung in einem Indizienprozeß allerdings nötig wäre).

    Zusätzlich gibt es noch verschiedene On-Scores, in die weitere Parameter eingehen und in der Phase der EPO-Gabe ansprechen sollen. Die ergeben aber ziemlich viele falsch positive Ergebnisse, so daß das höchstens zur Auswahl der Urinproben für einen direkten Epo-Test taugt.

    Sottas benutzt ein ziemlich kompliziertes Modell, bei dem es keine festen, für alle Sportler gültigen Grenzwerte gibt. Unter anderem geht es davon aus, daß Schwankungen bei einem einzelnen Athleten kleiner sind, als die zwischen verschiedenen Athleten (was allerdings zumindest für die Reti-Werte fragwürdig ist). Aus einer Reihe von Messungen wird dann da eine individuelle Basislinie für den ABPS (abnormal blood profile score) ermittelt. Selbst in den Veröffentlichungen ist aber nicht konkret beschrieben, wie er den jetzt nun ermittelt. Da steckt offensichtlich ein wenig Magie drin ;)

  109. Diese Veröffentlichung (2006) sieht so aus, als ob sie keinem anderen Thema gewidmet ist: [..]
    Wenn ich sie lesen würde, würde ich sie garantiert nicht verstehen und für Magie halten. Hast Du sie gelesen, Gipsel?

    Auf genau die habe ich mich vorhin (17:29 Uhr) bezogen. Die späteren zitieren bloß noch diese Veröffentlichung von 2006, wenn es um die Methode geht.

  110. Gipsel,
    erkenne an den Ausführungen weiter oben zumindest, dass die Basis schmal ist. Und akzeptiere, dass es Experten gibt, die Sottas‘ Modell begründet für „mittelprächtig bis passabel“ halten.
    Hoffe, dass die Frage nicht nervt, es interessiert mich tatsächlich – ist das eine Weiterentwicklung, oder ist es keine:

    http://lpr.oxfordjournals.org/cgi/content/abstract/mgm042

  111. Hoffe, dass die Frage nicht nervt, es interessiert mich tatsächlich – ist das eine Weiterentwicklung, oder ist es keine

    Ist das gleiche Modell, wenn auch etwas besser erklärt.

    Also im Prinzip ist das Vorgehen von Sottas schon klar. Das mit der „Magie“ bezieht sich hauptsächlich auf die Werte, die man in das Modell reinsteckt. Also Sottas muß schon definieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Blutparameter um einen gewissen Wert schwanken kann (in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Höhe des Aufenthalts und so weiter). Der eigentliche Punktwert ergibt sich dann aus der Kombination aller der Wahrscheinlichkeiten aller überwachten Parameter. In der Veröffentlichung von 2008 beschränkt er sich aus praktischen Gründen auf 7 Parameter. Aber die Anzahl ist im Prinzip variabel.

    Die Populationsstudie von 2002 (die in 13 verschiedenen Laboren die Verteilung der einzelnen Parameter bestimmt hat), die er zitiert, spricht übrigens auch davon, daß die Reti-Werte nicht normalverteilt sind, sondern bevorzugt zu hohen Werten hin schwanken. Außerdem sind Probleme bei der Bestimmung der Reti-Parameter in bestimmten Laboren angesprochen worden (wurde auf mangelnde Erfahrung dort geschoben).
    Die natürlichen Schwankungen zu hohen Werten hin hat Dirk Schwenke ja auch festgestellt, allerdings insbesondere bei Frauen in einem höheren Maße als die Studie von 2002. Daß er insgesamt zu hohe Werte gemessen hat, wird eigentlich durch den Quervergleich mit Köln ausgeschlossen. Kein Plan wodran diese Unterschiede liegen, aber dummerweise kommt es schon auf solche Sachen an, um ein Blutprofil letztendlich entsprechend zu bewerten.

    Und wie gesagt, das eine oder andere Meßprotokoll einer verdächtigen Probe würde aufgrund der weiteren dort stehenden Parameter die Einordnung eventuell auch weiterbringen.

    Aber ich denke, die ISU wird schon danach suchen und die Gutachter sich den Kopf zerbrechen. Bis dahin können wir hier nur raten.

  112. Ganz vergessen, Sottas stellt auf Anfrage ein Programm zur Verfügung, daß man mit den Blutprofildaten füttern kann und dann diesen ABPS Score ausrechnet.

    Also wer will, kann ihn ja mal anmailen ;)

  113. Hat schon irgendwer das Update auf der Homepage von Pechstein gesehen?
    Da gibt es zumindest Fotos von drei der Meßprotokolle (2000 wurden die wohl noch an die Athleten ausgehändigt).
    Das sind ein paar zusätzliche Parameter zu erkennen, auch die wie weiter oben bereits genannten stark fluoreszierenden (also jungen) Retikulozyten, die besonders empfindlich auf EPO-Doping reagieren. Bei einem Reti-Wert von 2.5% lag der dort als „H Retic“ bezeichnete Wert bei 0.8% (nur 9 solche Zellen bei der Messung gefunden), bei den beiden anderen Proben mit 1.6% Retis bei 0.3% (2 Zellen) bzw. 0.7% (5 Zellen). Das ist praktisch Rauschen an der Nachweisgrenze.

    Zusammenfassend sind das ziemlich niedrige und wirklich unauffällige Werte, die nicht wirklich kompatibel mit einem durch EPO-Doping angehobenen Reti-Wert aussehen. Wer will, kann das ja mal mit Abbildung 85 (B, rechts oben, dort als HFR bezeichnet) der Dissertation von Schwenke vergleichen.

    Mal sehen, ob demnächst noch mehr bekannt wird.

  114. @ Gipsel: Das ist aus dem Beitrag vergangene Woche in Sport-Bild, mit dem die Fernsehshow eingeleitet wurde. Ist also nicht neu. Siehst Du auch am Foto/Scan-Credit. Es waren die ersten Blutanalysen überhaupt, Februar 2000 in Milwaukee, sieh mal hier in der Liste der 95 Proben nach. Interessant ist, dass sie (oder wohl eher Grengel) schreibt, die ISU hätte im Verlaufe des Verfahrens (schlauer werde ich daraus nicht) gesagt, dannn nehme man halt nur die Werte ab 2003. Das hatte ich schon mal in einer Überlegung mit eingebracht. Insgesamt aber halte ich das eher für nachrangig.

    Die eine pdf-Seite wurde auf der PR-Show ebenfalls gezeigt. Ich gehe davon aus, dass das Script der PR-Show auf ihrer Webseite nun nochmal vertont wird. Außerdem lesen die Kameraden hier mit und gehen auf die eine oder andere Bemerkung ein.

    Im Grunde also wird nichts Neues kommen, nur was vergangenen Donnerstag in der Show war – und die Argumente wurden nirgends so gründlich wiedergegeben wie hier, inklusive des dreiseitigen pdf eines Anwalts, der mir Abmahnungen reinhaut. Eigentlich müsste ich dessen Stellungnahme, die ich ohnehin für teilweise lächerlich halte, von meinem Blog verschwinden lassen ;)

    Putzig finde ich, dass sie nun über Nachrichtenagenturen schimpft, obgleich ihre Helfer da doch gut im Geschäft sind. Die dpa hat zum Beispiel mehrfach „ungeprüft“, um Pechsteins Wort aufzugreifen, Texte von C.P.s Webseite übernommen und daraus quasi PR-Meldungen gemacht.

  115. @jw

    Warum denn so empfindlich?

    Die Anti-Doping-Jäger verbreiten ja auch ständig nur die selbe Wahrheit: Keine körperliche Erklärung für die zu hoch gemessenen Werte.

    Ich nehme an, und das mag man Ihr zugestehen, C.P. will Ihre Sicht der Dinge auch denen zur Verfügung stellen, die die PK und was dort gezeigt wurde nicht gesehen haben.

    Der Termin für die Beurteilung des Eilantrags rückt näher. Wissen Sie, bis bis wann mit ersten Meldungen über das Ergebnis zu rechnen ist?

    Bin schon sehr gespannt…

  116. @jw:
    Daß die Fotos aus der Sportbild sind, habe ich auch gesehen, allerdings kannte ich die Werte bisher nicht und auf der Pressekonferenz waren die im Fernsehen (ich habe nur die Aufzeichnung von N24 im Netz gesehen) nicht im Geringsten zu erkennen (oder es wurde zu schnell drüber geschwenkt).

    Nichtsdestotrotz steht meine Einschätzung, daß die zusätzlichen Parameter zum 2.5% Reti-Wert gegen EPO-Doping sprechen, zumindest bei dieser Probe. Wenn jetzt noch ein paar Protokolle von anderen hohen Werten auftauchen, kann man vielleicht schon mehr sagen. Dabei wird auch wichtig sein, wann genau die Probe genommen wurde. Nach Anstrengung geht der HRF-Wert nämlich anscheinend auch hoch, so daß bei Kontrollen nach Wettkämpfen oder einer harten Trainingseinheit der Wert weniger aussagekräftig ist. Ein niedriger Wert spricht gegen EPO, ein hoher aber nicht unbedingt dafür.

  117. Gipsel,
    habe nachgelesen, ergibt in meinem Laien-Verständnis: Wenn die hochfluoreszierenden Retis, also die ganz jungen, in so geringer Zahl vorhanden sind wie beim 2,5-Wert und an den beiden folgenden Tagen, ist das auch schon wieder anormal, denn es ist unter Durchschnitt. Schwenke schreibt:

    Bei der Messung mit einem modernen Durchflusszytometer werden zwischen
    30.000 und 40.000 Zellen/Erythrozyten je Bestimmung analysiert. Von dieser Zahl sind lediglich 1-2 % Retikulozyten, d. h. 300 bis 800 Zellen, von denen wiederum nur 1-4 % zur Fraktion der unreifen Zellen gehören, d. h. 3 bis 32 Zellen. Daran lässt sich erkennen, welche hohen Anforderungen an die Messoptik gestellt werden und dass eine Bestimmung dieses Parameters immer mehrmals erfolgen muss, um Fehler zu minimieren.

    Pechsteins Protokolle zeigen aber einen max. H Reti-Wert von 0,8%. Warum könnte das nicht heißen, die Epo-Gabe liegt mindestens zwei Tage zurück? Und nun setzt der gegenläufige Effekt ein, die Phase, in der aufgrund der künstlichen Zufuhr weniger natürliches Epo produziert wird?

    Aufs sachliche Gegenargument bin ich gespannt.
    Ansonsten ist es aber wirklich Kaffeesatz – bei nur drei Messprotokollen.

  118. @ Gipsel, the_doctor, ha: Was haltet Ihr von einem Experiment, den naechsten Abgleich der Messgeraete mit dem Blut von Claudia P. zu machen? Duerfte doch eine aehnlich gleichmaessige Datenbasis sein, wie bei vorher „festgelegten“ Reti-Wert im Test-Blut. Und ich spekuliere, dass es dann auch ne schoene Verteilung gibt ;-)

    Im Ernst: Was koennte Eurer Meinung nach solch ein Experiment aussagen/zeigen? Und wie ermittelt man, eine breite Streuung vorausgesetzt, eigentlich den Reti-Wert — laeuft es doch auf Auszaehlen unter dem Mikroskop hinaus, wie weiter oben mal angesprochen?

  119. Bei der Beweisfuehrung von Claudia Pechstein interessieren mich besonders

    7. Beweis Kuhhandel I
    8. Beweis Kuhhandel II
    9. Vorschlag zum Langzeittest

    die Punkte 7 und 8.

  120. habe nachgelesen, ergibt in meinem Laien-Verständnis: Wenn die hochfluoreszierenden Retis, also die ganz jungen, in so geringer Zahl vorhanden sind wie beim 2,5-Wert und an den beiden folgenden Tagen, ist das auch schon wieder anormal

    Nee, eigentlich nicht. Bei einem gesunden Mensch sollten kaum hochfluoreszierende Retis vorhanden sein (mal abgesehen von den von Schwenke beschriebenen besonderen Bedingungen nach körperlicher Anstrengung).
    Eine Wirkung von EPO ist es nämlich (neben Erhöhung der Produktion), die Retikulozyten (junge rote Blutkörper) auch frühzeitig aus dem Knochenmark freizusetzen. Während normalerweise die dort reifen und praktisch erst als mittelstark fluoreszierende Retis freigesetzt werden, führt ein hoher EPO-Pegel zu einer vorzeitigen Freisetzung und damit erhöhtem Anteil stark fluoreszierender Zellen. Deswegen ist das ja gerade so empfindlich auf EPO-Gaben. Und die Reaktionszeit ist auch nur einen Tag schneller als bei den Gesamt-Retis. Da muß man schon komische Annahmen machen, um die Konstellation hohe Gesamtretis aber kaum stark fluoreszierende mit EPO-Doping zu erklären. Wobei ich allerdings auch nicht verschweigen will, daß für diese Klassifizierung der Retis nach Reifegrad die Kalibrierung des Gerätes sowie das Alter der Probe (und ihre Kühlung) auch keine unwichtige Rolle spielen. Das ist mit üblicherweise noch größeren Unsicherheiten behaftet, als bereits die Gesamtreti-Messung.

  121. @gipsel

    Bei einem gesunden Mensch sollten kaum hochfluoreszierende Retis vorhanden sein (mal abgesehen von den von Schwenke beschriebenen besonderen Bedingungen nach körperlicher Anstrengung).
    Eine Wirkung von EPO ist es nämlich (neben Erhöhung der Produktion), die Retikulozyten (junge rote Blutkörper) auch frühzeitig aus dem Knochenmark freizusetzen. Während normalerweise die dort reifen und praktisch erst als mittelstark fluoreszierende Retis freigesetzt werden, führt ein hoher EPO-Pegel zu einer vorzeitigen Freisetzung und damit erhöhtem Anteil stark fluoreszierender Zellen. Deswegen ist das ja gerade so empfindlich auf EPO-Gaben. Und die Reaktionszeit ist auch nur einen Tag schneller als bei den Gesamt-Retis. Da muß man schon komische Annahmen machen, um die Konstellation hohe Gesamtretis aber kaum stark fluoreszierende mit EPO-Doping zu erklären.

    richtig! so bewerte ich diesen teil der thematik jedenfalls auch, nachdem ich die schwenke-studie gelesen habe. stichwort: beschleunigte freisetzung junger (hfr-)retis aus dem knochenmark (z.B. nach epo-doping)

    Wobei ich allerdings auch nicht verschweigen will, daß für diese Klassifizierung der Retis nach Reifegrad die Kalibrierung des Gerätes sowie das Alter der Probe (und ihre Kühlung) auch keine unwichtige Rolle spielen.

    mit der kalibrierung von geräten kenne ich mich nicht aus, aber alter und kühlung der probe sollten die aussagekraft des ermittelten wertes der hochfluoreszierenden fraktion nicht schmälern, so die probe korrekt gekühlt und analysiert war. immer bezogen auf das, was schwenke herausgefunden hat.

    zitat schwenke:

    [S.141] Während Cavill et al. [162] die Verringerung der Retikulozyten lediglich auf eine allgemein
    verzögerte Reifung zurückführen, zeigt die Verringerung des Anteils an niedrigfluoreszierenden
    Retikulozyten (LFR, Abb. 69, rechts), dass in vitro zuerst hauptsächlich diese Subpopulation
    der Retikulozyten zum Erythrozyten reift. Innerhalb der ersten 60 h erhöht sich der Anteil an mittelfluoreszierenden Retikulozyten (MFR, nicht dargestellt) und geringfügig der Anteil der
    hochfluoreszierenden Retikulozyten (HFR, Abb. 70, links). Die Ursache für die Erhöhung der
    MFR- und HFR-Werte liegt lediglich in der Berechnung der beiden Parameter, da durch die
    Verringerung der Zellzahlen der LFR, die den größten Anteil der Retikulozyten bilden, sich trotz gleichbleibender absoluter Zellzahlen der MFR und HFR deren prozentualer Anteil erhöht.
    Anscheinend sind die größeren RNS-Reste dieser beiden Retikulozytensubpopulationen
    stabiler als die geringen RNS-Reste der LFR.

  122. nachtrag: ich hatte übrigens vorgestern eine mail an dr.schwenke geschrieben, mit der bitte (so er denn nicht beteiligter des verfahrens sei) sich an der diskussion hier zu beteiligen und zu helfen, komplexe wissenschaftliche sachverhalte auch für den laien (zänle ich mich auch zu) besser einordnenbar zu machen. bislang fehlt eine antwort.

    @nocheinjurist

    @ Gipsel, the_doctor, ha: Was haltet Ihr von einem Experiment, den naechsten Abgleich der Messgeraete mit dem Blut von Claudia P. zu machen? Duerfte doch eine aehnlich gleichmaessige Datenbasis sein, wie bei vorher “festgelegten� Reti-Wert im Test-Blut. Und ich spekuliere, dass es dann auch ne schoene Verteilung gibt ;-)

    ich würde die idee gerne weiterspinnen. man könnte das im rahmen der von pechstein angebotenen quarantäne machen (vielleicht besser über einen längeren zeitraum als 6 wochen). dabei wäre es meiner meinung nach sinnvoll eine ganz reihe von proben aus unterschiedlichsten testszenarien zu gewinnen (stress (z.B.krankheit), training, wettkampf, höhenaufenthalt, nach epo-gabe, nach eigenblutentnahme und nach retransfusion…). dann sollten die proben in allen 6 wada-akkreditierten labors in nordamerika und europa + den laboren, die pechstein’s isu-werte ermittelt haben, auf advia und vllt. einem vergleichsgerät (z.B. sysmex) gemessen werden. noch besser wäre es, wenn man die studie gleich auf eine vielzahl von (vllt zunächst einmal nur weiblichen) testpersonen unterschiedlichen alters und trainingszustandes ausweiten würde. mal abgesehen davon, dass ich das ganze für nicht realisierbar halte, würden mich die ergebnisse sehr interessieren.

    Im Ernst: Was koennte Eurer Meinung nach solch ein Experiment aussagen/zeigen? Und wie ermittelt man, eine breite Streuung vorausgesetzt, eigentlich den Reti-Wert — laeuft es doch auf Auszaehlen unter dem Mikroskop hinaus, wie weiter oben mal angesprochen?

    bezogen auf deinen vorschlag – für die beantwortung von frage eins bin ich zu sehr laie. eine antwort darauf wäre rein spekulativ.
    frage zwei dagegen ist schnell beantwortet. die mikroskopische auszählung ist mit einer fehlerquote von bis zu 40% behaftet. reliable werte kann nur ein durchlusszytometrisches verfahren, wie z.B. bei advia und sysmex, liefern. dazu bitte den methodenteil der schwenke-dissertation lesen.

  123. ich hatte übrigens vorgestern eine mail an dr.schwenke geschrieben, mit der bitte (so er denn nicht beteiligter des verfahrens sei) sich an der diskussion hier zu beteiligen und zu helfen, komplexe wissenschaftliche sachverhalte auch für den laien (zänle ich mich auch zu) besser einordnenbar zu machen. bislang fehlt eine antwort.

    Das kann ich sogar irgendwo verstehen. Als Verantwortlicher für Blut- und EPO-Diagnostik in einem Dopinglabor hat er wahrscheinlich sowieso mit einer ganzen Menge Anfragen zu kämpfen (immerhin kommt ja auch der 2.4% Wert aus der doppelten Probe von April aus seiner Abteilung). Dazu kommt, daß er sich öffentlich wahrscheinlich auch nicht klar positionieren darf. Die Labore sollen ja unabhängig und unparteiisch sein. Also allgemeine Sachen zur Meßtechnik (oder seiner Diss?) könnte er wohl sagen, zum konkreten Fall habe ich meine Zweifel, da wie gesagt vor dem CAS wohl auch die bei ihm gemessene Probe vom April eine Rolle spielen wird.

    man könnte das im rahmen der von pechstein angebotenen quarantäne machen (vielleicht besser über einen längeren zeitraum als 6 wochen). dabei wäre es meiner meinung nach sinnvoll eine ganz reihe von proben aus unterschiedlichsten testszenarien zu gewinnen (stress (z.B.krankheit), training, wettkampf, höhenaufenthalt, nach epo-gabe, nach eigenblutentnahme und nach retransfusion…).

    Das Fette ist nicht machbar. Zumindest, wenn sie nochmal irgendwo an einem Wettkampf teilnehmen will. Und zu bestimmten Szenarien gibt es ja auch schon Daten, wenn auch nicht von Pechstein selber.

    Ich denke nicht, daß es jetzt ihre Aufgabe ist, Versuchskaninchen für alle möglichen Dopingpraktiken zu sein. Obwohl ich zustimme, daß solche Daten natürlich für die Doping-Erkennung interessant und wichtig sind. Aber dazu sollen die mal lieber weiter ihre Applikationsstudien an Freiwilligen machen. Das sind zwar meist „nur“ Amateurathleten in mittlerem Trainingszustand, aber man kann ja keine Athleten, die irgendwo an Wettkämpfen teilnehmen, dazu nehmen. Da ist man auf die Proben von positiv getesteten Sportlern angewiesen, um die Modelle zu überprüfen.

  124. @nocheinjurist:

    Und wie ermittelt man, eine breite Streuung vorausgesetzt, eigentlich den Reti-Wert — laeuft es doch auf Auszaehlen unter dem Mikroskop hinaus, wie weiter oben mal angesprochen?

    Das Ansehen eines Blutausstrichs unter dem Mikroskop sollte (bei einem Gesunden) kaum nötig sein. Die Werte sind bei der maschinellen Messung auch viel besser reproduzierbar als bei der menschlichen.

    Das liegt zum einen daran, daß eine Maschine viel schneller und mehr Zellen zählen kann als ein Mensch (man will definitiv keine 50000 Zellen mit einem Mikroskop ansehen und eine Strichliste führen, was was ist ;). Außerdem ist die Unterscheidung der Retis von den ausgereiften roten Blutkörperchen objektiver. Das ist ja ein fließender Übergang, der von jedem Laboranten beim Blick durch das Mikroskop anders bewertet wird. Bei der maschinellen Zählung sollte durch eine Kalibrierung die Grenze festgelegt werden und bei jeder Probe gleich sein.

    Die Geräte sollten auch warnen, wenn irgendwas Eigenartiges passiert, sprich, die Meßwerte verfälscht sein können. Dies können z.B. einige Krankheiten sein, die zu Fehlbildungen der Blutkörperchen führen, wodurch diese nicht mehr genau vermessen werden können. Da hilft dann nur der Blick durch das Mikroskop. Aber das sollte man bei Pechstein ausschließen können.
    Probleme kann es weiterhin geben, wenn die Proben bei der Abnahme nicht richtig mit Anti-Gerinnungsmittel versetzt wurden (da gibt es nicht umsonst Richtlinien der WADA für). Je nach Stärke wird die Probe dann wahrscheinlich überhaupt nicht mehr verwendet (der Laborant bemerkt eine eingesetzte Gerinnung) oder kann zu scheinbar erhöhten Reti-Zahlen führen, weil die Thrombozyten (Blutplättchen, für die Gerinnung zuständig, sind die kleinsten Zellen im Blut) auch auf die zur Messung verwendete Farbstoff/Laser-Kombination ansprechen, sprich fluoreszieren. Nur sind die sehr viel kleiner und deswegen normalerweise (wenn keine Gerinnung eingesetzt hat) leicht auseinander zu halten. Klumpen die allerdings zusammen, wird das etwas schwieriger.

  125. @ the_doctor: Ich dachte daran, nur Claudia Pechstein zu testen, weil mich einfach interessierte, wie haeufig sie bei einer normalen Probe, vielelicht 25 mal unterschiedlichanalysiert, ueber dem Grenzwert liegt.

    Ich bin darauf gekommen, weil ich mich fragte, wie man Blut mit Reti von 1.3 herstellen kann (durch Auszaehlen??), das dann (im Anschluss) so eine breite Streuung auf dem gleichen Messgeraetetyp produziert. Die Bedingungen waeren da dieselben, nur, dass man fuer Reti nur eine Konstante hat und keinen bekannten Wert ;-)

  126. Interessante Aussagen von C. Pechsteins Sportkameradin Anni Friesinger, sofern die Zitate nicht aus dem Zusammenhang gerissen wurden (Leider fehlen die gestellten Fragen des Reporters):

    Pechstein hatte angekündigt, dass sie im Rahmen einer mehrwöchigen Selbstkontrolle nachweisen wolle, dass ihre Retikulozyten-Werte natürlich bedingt schwankend seien. „Wir haben einen neuen WADA-Code. Jeder weiß, wo die Grenzen sind. Ein Fußballer, der das Tor nicht trifft, kann es ja auch nicht größer machen“, sagte Friesinger dazu.

    Offenbar (Hoffentlich) kennt Sie Ihre bisher bei der ISU gespeicherten Werte, oder aber sie weiß nichts von den systembedingten Streuungen der ADVIA 120, oder sie glaubt mit eigenen Messungen könnte sie sich quasi vorab testen und absichern.

    Da täuscht sie leider, denn wie ich aus diesem Blog (von Gipsel) und den Test des RfB gelernt habe, kann ein tatsächlicher und nicht zu beanstandender Reti-Wert von 2.0 nach Herstellerangabe locker mal auf 2.5 und damit über den Grenzwert von 2.4 streuen und das bei sachgemäßer Bedienung…

    Der ganze Artikel unter:

    Friesinger distanziert sich von Pechstein

  127. “Wir haben einen neuen WADA-Code. Jeder weiß, wo die Grenzen sind. Ein Fußballer, der das Tor nicht trifft, kann es ja auch nicht größer machen�, sagte Friesinger dazu.

    Die Aussage ist so natürlich totaler Blödsinn. Wenn die ISU eine Regel erläßt, nach der Eisschnellläuferinnen höchstens 1,68m groß sein dürfen, was würde die liebe Anni Postma dann mit ihren 1,69m machen?

  128. Die Körpergröße eines Menschen mit seinen Blutwerten zu vergleichen ist jetzt aber auch einigermaßen grotesk.

    Ansonsten ist das Zitat von Friesinger nicht gerade erhellend. Die Grenzwerte von Blutparameter schwanken ja nach wie vor von Verband zu Verband, falls es sie überhaupt gibt. Für die Reti-Werte scheint es keinen zu geben, sonst wäre Pechstein ja schon mehrfach mit Schutzsperren belegt worden.

  129. Die Körpergröße eines Menschen mit seinen Blutwerten zu vergleichen ist jetzt aber auch einigermaßen grotesk.

    Inwiefern grotesker als der von mir zitierte Vergleich von Friesinger?
    Ohne Manipulation hat man wenig Kontrolle über beide Parameter. Ein willkürlich gesetzter Grenzwert muß schon ausreichend begründet und abgesichert sein, wenn er zu weitreichenden Konsequenzen führen soll und nicht nur zu Zielkontrollen auf verbotene Substanzen (wie bei Pechstein mehrfach erfolgt).

    Der Standpunkt, daß eine Frau über 1,68m nicht natürlich vorkommt, ist offensichtlich an den Haaren herbei gezogen. Aber mal ehrlich. Wieviele Frauen über 2m hast Du schon persönlich gesehen (also nicht TV)? Und die Stichprobe ist bestimmt erheblich größer als die Anzahl der Proben, aufgrund dessen die 2,4% für die Retis festgelegt wurden. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, so eine Grenze mit der Begründung einzuführen, die Größe weise auf den Mißbrauch von Wachstumshormonen schon in der Kindheit hin. Die Körpergröße wird allgemein als natürliche Gegebenheit akzeptiert. Die individuelle Schwankungsbreite der Retis bei einem Menschen ist allerdings auch eine natürliche Gegebenheit, wenn auch von bestimmten Faktoren abhängig und nicht wie die Körpergröße weitgehend konstant.

    Übrigens sind die 2,4% nie als Grenze zum Doping geschaffen worden, sondern als Verdachtsgrenze. Denn was ist Doping? Doping ist das Vorhandensein unerlaubter Substanzen im Körper des Athleten oder die Anwendung unerlaubter Methoden.

    Der Beweis für das erste ist ein positiver Test. Deshalb dreht sich ab da dann auch die Beweislast um. Wenn der Athlet beweisen kann, daß es von ihm unverschuldet war, kann die Strafe gemildert werden. Das ändert aber nichts am Fakt des Dopings (deswegen ist Beweislastumkehr eigentlich das falsche Wort, oder?).
    Für das zweite reicht es allerdings nicht aus, daß da ein paar Werte komisch aussehen. Es muß bewiesen werden, daß die Werte die Folge von Doping sind. Daß da irgendwelche Grenzwerte überschritten wurden, zählt nicht, es muß ziemlich sicher ausgeschlossen sein, daß die Werte natürlich aufgetreten sind (im konkreten Fall, also nicht: „können“).

    PS:
    Nur mal so zum Vergleich, entsprechend der weiter oben verlinkten Studien sollten nur etwa 5 Prozent der gemessenen Reti-Werte über der 2.4% Grenze liegen (zu einem Zeitpunkt für alle Menschen, also nicht für ein Individuum). Dies entspricht etwa 1,77m Körpergröße bei Frauen in Deutschland. Da sind auch nur weniger als 5% größer.

  130. Pingback: Wenn der Abmahner zweimal klingelt « Stefan Niggemeier

  131. Das Friesingers Zitat nicht gerade erhellend ist, schrieb ich. Um nicht zu sagen, das Zitat sei absolut nichtssagend, eben gerade deswegen weil der WADA-Code zu diese Grenzwerten (für Schutzsperren/Verdachtsmomente) keine Aussagen trifft, deswegen sind sie ja von Verband zu Verband völlig unterschiidl., falls sie überhaupt existieren.
    Wir werden uns aber doch sicher einig das Blutparameter weit mehr mit dem Dopingkomplex zu tun haben als die Körpergröße. Bevor der Hinweis auf die Wachstumshormone wieder kommt: Nicht für jeden Menschen stellt die Einnahme von Substanzen auf der Dopingliste zu jedem Zeitpunkt ein Verstoß gegen die Dopingregeln der WADA dar.

    Doping ist
    das Vorhandensein unerlaubter Substanzen im Körper des Athleten […]
    Der Beweis für das erste ist ein positiver Test. Deshalb dreht sich ab da dann auch die Beweislast um. Wenn der Athlet beweisen kann, daß es von ihm unverschuldet war, kann die Strafe gemildert werden. Das ändert aber nichts am Fakt des Dopings (deswegen ist Beweislastumkehr eigentlich das falsche Wort, oder?).

    Doping ist die Einnahme und der Besitz unerlaubter Substanzen, andernfalls hätte man auch im BALCO-Skandal gegen die Athleten nur schwer vorgehen können. Da der Sport von der sogenannten „strict liability“ (der Sportler ist für jede Substanz in seinem Körper voll verantwortlich) für den Sportler ausgeht, ist dann mit dem Vorhandensein im Urin der Nachweis des Regelverstosses erbracht.

    Deswegen spricht Thomas Bach ja immer so gerne von der „strict liabilty“ und warum die so wichtig ist. Einen Rechtsbegriff den es im deutschen Recht wohl so gar nicht gibt (da können die Juristen hier wohl für bessere Aufklärung sorgen). Ob diese „strcit liability“ vor ordentl. Gerichten Bestand haben würde, lass ich mal dahin gestellt. Es gibt ja durchaus Stimmen die daran zweifeln.

    [Doping ist] die Anwendung unerlaubter Methoden.[…]

    Für das zweite reicht es allerdings nicht aus, daß da ein paar Werte komisch aussehen. Es muß bewiesen werden, daß die Werte die Folge von Doping sind. Daß da irgendwelche Grenzwerte überschritten wurden, zählt nicht, es muß ziemlich sicher ausgeschlossen sein, daß die Werte natürlich aufgetreten sind (im konkreten Fall, also nicht: “können�).

    Auch die Anwendung verbotener Methoden kann mit positiven Tests belegt werden, bspw. Fremdblutdoping. Und auch die Einnahme/Besitz unerlaubter Substanzen kann mit Beweisen belegt, BALCO-Skandal hab ich genannt, die Fuentes-Affäre gehört auch dazu. Ansonsten habe ich nie behauptet, das das überschreiten der 2,4% Marke bei den Retis ausreicht für eine Sperre wegen Dopings, es gibt für das Überschreiten dieser Grenze ja offensichtlich noch nicht einmal Schutzsperren, sonst hätte Pechstein ja welche haben müssen. Bei anderen Werten (Hämatokrit/Hämaglobin) gibt es diese Schutzsperren, sind aus dem Radsport oder Skilanglauf hinreichend bekannt. Da reicht das Überschreiten des Wertes völlig aus, eine weitere Beweisführung ist nicht erforderlich.

  132. Doping ist die Einnahme und der Besitz unerlaubter Substanzen, andernfalls hätte man auch im BALCO-Skandal gegen die Athleten nur schwer vorgehen können.

    Um den NADA-Code zu zitieren (der der WADA ist sinngemäß identisch):

    Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen sind die folgenden:
    2.1. Das Vorhandensein eines verbotenen Wirkstoffes, seiner Metaboliten oder Marker in den Körpergewebe- oder Körperflüssigkeitsproben eines Athleten. …

    Das mit der „strict liability“ ist im Prinzip nur ein Hilfskonstrukt zur Begründung. Das Ergebnis ist ja auch das Gleiche: ist was drin im Körper des Athleten, liegt Doping vor. Punkt. Der Gebrauch verbotener Mittel ist natürlich auch verboten, aber natürlich schwerer nachzuweisen, wenn obiger Punkt nicht zutrifft. Bei BALCO waren es neben 20 positiven Tests ja hauptsächlich Geständnisse vor dem Hintergrund von Strafverfolgern zusammengetragener Daten. Unter Artikel 3 (Nachweis eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen) findet man nämlich:

    3.2 Beweismittel und Beweisregeln
    Der Beweis eines Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen kann durch jedes nach der Zivilprozessordnung zulässige Beweismittel, einschließlich Geständnis, geführt werden.

    Und beim Fremdbluttest wird das Vorhandensein des Blutes zweier Menschen im Körper des Athleten im Labor nachgewiesen (mittels eines Antigen-Tests). Das kann auf natürliche Weise nicht vorkommen, ist also der Beweis für das Anwenden einer verbotenen Methode.

    Um aber mal wieder die Brücke zu Pechstein zu schlagen heißt es dort weiter (gefettete Stellen sind es im Original auch, kursiv von mir):

    Die folgenden Beweisregeln finden bei Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen Anwen-dung:
    3.2.1 Bei von der WADA akkreditierten Laboren wird widerlegbar vermutet, dass diese die Analysen der Proben gemäß dem „Internationalen Standard für Labore“ durchgeführt haben und die Proben entsprechend gelagert und aufbewahrt haben (chain of custody). Die Vermutung ist widerlegt, wenn eine Abweichung vom Internationalen Standard für Labore feststeht. In diesem Fall trifft die für die Ergebnisverwaltung und Sanktionierung zuständige Organisation (vgl. Art. 9) [hier: ISU] die Beweislast, dass dieses Abweichen das positive Analyseergebnis nicht beeinflusst hat.
    3.2.2 Abweichungen vom „Internationalen Standard für Kontrollen“ ändern an einer Verwertbarkeit eines positiven Analyseergebnisses oder an einem Vorliegen eines sonstigen Verstoßes gegen Anti-Doping-Bestimmungen nichts. In einem solchen Fall trägt jedoch die für die Ergebnisverwaltung und Sanktionierung zuständige Organisation (vgl. Art. 9) die Beweislast dafür, dass solche Abweichungen das positive Analyseergebnis oder die Tatsachengrundlage für einen sonstigen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen nicht beeinflusst haben.

    Die kursiven Stellen treffen wohl auf den Pechstein-Fall zu. Das mit dem Internationalem Standard für Labore/Tests (ISL/IST) (bzw. dem Fehlen eines solchen für die fraglichen Blutkontrollen) hatten wir ja schon mal kurz. Und da keine unerlaubten Substanzen in den Proben festgestellt wurden, müssen sie auch beweisen, daß die Werte nur durch die Anwendung solcher Mittel/Methoden plausibel erklärbar sind. Da wird es dann aber etwas schwammig mit Begriffen wie „hinreichend“ oder „überwiegend“. Was ist eine „hinreichende Sicherheit“?

  133. Gipsel,

    entsprechend der weiter oben verlinkten Studien sollten nur etwa 5 Prozent der gemessenen Reti-Werte über der 2.4% Grenze liegen …

    Kann sein, dass es sogar Studien sind, wenn auch oben nicht mehrere verlinkt sind, sondern nur eine enstprechende Ausreißer bzw. Extremwerte (wenn auch nicht in Pechsteinschen Höhen) aufweist. Möchte, damit es nicht ganz so einseitig wird, aber noch mal daran erinnern, dass Pechsteins Werte schwanken, und zwar von 1,0 bis 3,75, und außerdem oben verlinkte Studien auch darauf hinweisen, dass die Dopinganalytik das Problem der Gerätekalibrierung durchaus kennt.

    Dies bei allem, was die ISU hoffentlich nachlegen kann.

  134. In folgendem Interview:

    Stichwort: Nationale Anti-Doping-Agentur, acht Fragen an Anja Berninger, Justitiarin der Nationalen Anti-Doping-Agentur

    hat Frau Berninger beschrieben, was Sie unter hinreichender Sicherheit versteht:

    muss die Beweiskraft der Indizien bei über 50 Prozent liegen, der Dopingverstoß muss aber nicht zweifelsfrei feststehen.

    Ich tippe mal, sollte es tatsächlich zu einer entsprechenden 50+x%(und x <=9)-Entscheidung des CAS kommen, wird diese Regelauslegungon von einem ordentlichen Gericht genauso kassiert, wie die ehemalige Regel von der Beweislastumkehr oder auch der von den Sportlern erzwungene Verzicht auf ordentliche Gerichtsverfahren außerhalb der Sportgerichtsbarkeit (siehe Zur letzten Instanz).

    Falls nicht, könnte man zur Ermittlung von Dopingsündern künftig ja auch das Modell von Herrn Sottas anwenden, der (und das glaube ich Ihm sogar, zumindest kann ich es nicht widerlegen) statistisch genau berechnet hat, wie viele Radfahrer (leider nicht welche) bei der Tour-de-France gedopt an den Start gingen.

    Sicherlich läßt sich mit seinem Modell auch statistisch belegen, daß mehr als 50 % der Tagessieger darunter gewesen sein müßten. Wäre ja auch nur logisch, wie sollten denn auch die nicht gedopten Fahrer in 50 oder mehr % gegen die gedopten Fahrer gewinnen (=1.Indiz)!. Außerdem wurden ja bereits mehrere Tagessieger, wie z. B. Bernhard Kohl, des Epo-Doping überführt (2.Indiz).

    Aufgrund dieser Beweisführung könnten nun alle Tagessieger 2009 für 2 Jahre gesperrt werden, da ja auf jeden Tagessieger die hinreichende Sicherheit (Wahrscheinlichkeit von mehr als 50%) des statistischen Modells (mit den oben genannten Indizien als Grundlage) zutrifft.

    Das Modell der statistischen Vorhersage der Doperanzahl und der vermutlich über 50%igen Wahrscheinlichkeit ihres Sieges liesse sich dann sicher auch (neues Gutachten/Modell von Herrn Sottas) für alle anderen Wettbewerbe berechnen und umsetzen.

    Was das für den Sport bedeuten würde, kann sich jeder selbst überlegen.

    Klingt skurril? Wäre aber so!

    Was meinen denn unsere Juristen im Blog zu der Regelauslegung, daß lediglich 50,01 % Wahrscheinlichkeit in einem Indizienprozess ausreichen für eine Verurteilung?

  135. JoJo,
    das hört sich gut an,die Begründungen müssten aber so sein,dass sie keiner versteht.Dann hätten die Verbände ihre alten Gewohnheiten wieder.§1 der Verband hat immer Recht §2 wenn er mal nicht Recht hat gilt §1.
    oder die letzten werden die ersten sein.

    Warum nehmen wir nicht das Modell der Freiburger Expertenkommission,die können aus anonymisierten Daten Telekomfahrer rausfiltern?
    2.3.1.2 Langzeitanalysen von Blutparametern Seite 19

  136. @ha:

    Kann sein, dass es sogar Studien sind, wenn auch oben nicht mehrere verlinkt sind, sondern nur eine enstprechende Ausreißer bzw. Extremwerte (wenn auch nicht in Pechsteinschen Höhen) aufweist.

    Okay, ich geben zu, daß nur die Schwenke-Arbeit verlinkt wurde, nach der 5 Prozent der Wettkampfkontrollen über 2.5% Retis liegen. Bei seiner eigenen Studie an Frauen mit über ein Jahr verteilt genommenen Proben waren es sogar noch mehr.
    Nach anderen Studien (nicht verlinkt), ist der Satz etwas geringer, allerdings spielt da dann auch schon wieder das Problem der unterschiedlichen Meßgeräte mit rein.

    Möchte, damit es nicht ganz so einseitig wird, aber noch mal daran erinnern, dass Pechsteins Werte schwanken, und zwar von 1,0 bis 3,75, und außerdem oben verlinkte Studien auch darauf hinweisen, dass die Dopinganalytik das Problem der Gerätekalibrierung durchaus kennt.

    Ja, in der Schwenke-Arbeit sind starke individuelle Schwankungen ausdrücklich erwähnt, da kann man kaum was draus ableiten.

    Und wenn man sich die extremen Pechstein-Werte ansieht, so sieht man bei der zweiten Probe 2.95% am gleichen Ort nach den 3.75%. Daß macht Meßschwankungen schon halbwegs wahrscheinlich. Und ich wiederhole das ja nur mal, der Hersteller der Advia120 gibt die relativen (95%) Fehlergrenzen bei den Retis mit +-25% des Meßwertes an. Bei 3.75% wären das +-0,94%. Aus der Sicht sind die 2.95%, die 3.75% und auch die in der Schwenke-Studie in Kreischa gemessenen 3.3% nicht signifikant unterscheidbar, mithin praktisch identisch. Und die Herstellerangaben setzen eine ordnungsgemäße Kalibrierung voraus (was bei Schwenke durch den Vergleich mit Köln abgesichert erscheint, da wurde diese Herstellerangabe sehr gut reproduziert).

    Außerdem denke ich schon, daß es vielleicht doch irgendeinen Hintergrund hat, daß man in der Literatur öfter Referenzwerte für die Retis von 0.8 bis 4.0% für Frauen findet und für Männer von 0.8% bis 2.5%. Andere Quellen geben für Frauen und Männer die gleichen Werte an. Was übrig bleibt, ist daß da offensichtlich keine Einigkeit herrscht und diese Verwirrung durchaus von verschiedenen Meßverfahren oder Auswahl der untersuchten Frauen herrühren könnten.

  137. Das Pechstein bisher eine Abweichung vom Internationalen Standard für Labore nachgewiesen hat, ist ja völlig neu. Die Nicht-WADA-Akkreditierung eines Labors ist doch nicht gleichbedeutend mit dem Verstoß gegen den „Internationalen Standard für Labore“. Die ISU müsste hier lediglich nachweisen, das die entspr. Labore nach Regularien arbeiten, die dem Standard entsprechen. Solange das keine Garagenlabore waren, dürfte das ja wohl machbar sein.
    Vor der CAS-Verhandlung bewegt sich wohl ohnehin alles im Spekulativen, da die ISU sich öffentlich nicht mehr äußßern möchte, verständlich.

    Was „hinreichende Sicherheit“ ist, wird man in den juristischen Verfahren herausarbeiten können und müssen. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Blutkrankheit bei Pechstein verschwindend gering ist und sie keine Blutkrankheit nachweisen kann, könnte es durchaus reichen sie für zwei Jahre zu sperren und das Urteil könnte durchaus auch vor einem ordentlichen Gericht Bestand haben.
    100% Sicherheit existiert ja bekanntlich sowieso nicht.

    @JoJo

    Das ist reine Polemik, Pechstein ist nicht für zwei Jahre gesperrt worden, weil sie mal nen Rennen gewonnen hat, sondern weil ihre Werte auffällig sind und die ISU zu dem bekannten Schluss gekommen ist. Ihre Ausführungen klingen nicht nur skurril, sie sind es.

  138. Das Pechstein bisher eine Abweichung vom Internationalen Standard für Labore nachgewiesen hat, ist ja völlig neu. Die Nicht-WADA-Akkreditierung eines Labors ist doch nicht gleichbedeutend mit dem Verstoß gegen den “Internationalen Standard für Labore�. Die ISU müsste hier lediglich nachweisen, das die entspr. Labore nach Regularien arbeiten, die dem Standard entsprechen. Solange das keine Garagenlabore waren, dürfte das ja wohl machbar sein.

    Die fehlende WADA-Akkreditierung bringt die ISU schonmal in Beweispflicht. Außerdem können die ISL/IST-Standards für das Blutprofil gar nicht eingehalten worden sein, weil die entsprechenden Erweiterungen zu diesen Standards noch gar nicht verabschiedet wurden (vergl. die weiter oben zitierten Passagen aus der Begründung des Urteils der ISU-Displinarkommission). Auch hier muß die ISU also beweisen, daß das keine Auswirkungen auf die Testergebnisse hatte.

    Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Blutkrankheit bei Pechstein verschwindend gering ist und sie keine Blutkrankheit nachweisen kann, könnte es durchaus reichen sie für zwei Jahre zu sperren und das Urteil könnte durchaus auch vor einem ordentlichen Gericht Bestand haben.
    100% Sicherheit existiert ja bekanntlich sowieso nicht.

    Aber ich denke auch die hinreichende Sicherheit wäre höchst zweifelhaft, da bei normalen gesunden Frauen Reti-Werte bis 4.0% (je nach Quelle, oft auch nur 2.5%) als normal angesehen werden. Die oben erwähnten Referenzbereiche sind übrigens so definiert, daß auch bei gesunden Menschen mit 5% Wahrscheinlichkeit außerhalb liegende Werte gemessen werden. Für die 4% Retis würden das heißen, daß 2.5 Prozent der Werte Gesunder immer noch drüber liegen. Diese Referenzbereiche sind übrigens immer auch maschinenabhängig, da dort die Kalibrierung und die Genauigkeit reinspielen.

    Dies zeigt doch im Prinzip, daß ein einziger Wert noch nicht viel sagt. Die ISU sollte einfach mehr Daten vorlegen, die alle für den gleichen Verdacht sprechen. Sonst muß man am Ende doch Kiesewetter recht geben, daß so ein Profil nicht ungewöhnlich ist (was von den Schwenke-Daten gestützt wird).

  139. Update von Pechstein für die Statistiker zum Weiterdiskutieren. Auf den Barcodes herumzureiten wird jetzt etwas albern und unglaubwürdig: die Codes haben laut unterschriebenem Protokoll nur 6 Stellen – was glaubt denn Frau Pechstein, wie viele Proben durch ein durchschnittliches Labor gehen? Die analysieren ja nicht nur Dopingproben, und auch nicht nur von einer Organisation. Die eindeutige Zuordnung wird durch die Ergänzungsetikettierung eines eigenen Laborcodes jedenfalls eher sichergestellt als verhindert.

    P.S. Irre ich mich, oder hat sie das Pamphlet gegen den Hausherrn wieder von ihrer Homepage entfernt? Mit oder ohne Abmahnung?

  140. Irre ich mich, oder hat sie das Pamphlet gegen den Hausherrn wieder von ihrer Homepage entfernt?

    Alles noch da

  141. Die eindeutige Zuordnung wird durch die Ergänzungsetikettierung eines eigenen Laborcodes jedenfalls eher sichergestellt als verhindert.

    Wenn die ISU Meßprotokolle vorlegt, auf denen beide Nummern draufstehen, ist ja auch alles okay. Ansonsten haben sie kräftig geschlampt und die Proben sind nichts mehr wert. Aber das Pechstein-Camp hat schon recht damit, daß das zum Entscheid der DC der ISU hätte da sein sollen. „So schwer kann das doch nicht sein“, schrieb ich schon im Juli.

  142. Ich denke auch,spätestens wenn ich ein Urteil ausspreche, sollten auch die Unterlagen komplett sein.Also kann es nur noch mit den Originalmessprotokollen nachgewiesen werden und nicht mit Gedächtnisprotokollen.

    JoJo hat das oben sicherlich nicht ernst gemeint,mir ist aber nicht bekannt,dass es schon mehrere Indizienprozesse gab,wie die Justitiarin der NADA angab.
    Ich kenne nur den Fall Gusev,der von Astana durch Ermittlungen von Damsgaard suspendiert wurde und vor vier Wochen vom CAS freigesprochen wurde.Der war aber nicht gesperrt.

  143. Gipsel,

    Aber ich denke auch die hinreichende Sicherheit wäre höchst zweifelhaft, da bei normalen gesunden Frauen Reti-Werte bis 4.0% (je nach Quelle, oft auch nur 2.5%) als normal angesehen werden.

    Gibt es für die 4%, die als normal angesehen werden, irgendeine Quelle? Auch Schwenke schreibt nicht von „normalen“ 2,5%, sondern wie oben zitiert von 1 – 2 Prozent. 2,5% kennzeichnet er als „Extremwerte“.

  144. Außerdem können die ISL/IST-Standards für das Blutprofil gar nicht eingehalten worden sein, weil die entsprechenden Erweiterungen zu diesen Standards noch gar nicht verabschiedet wurden (vergl. die weiter oben zitierten Passagen aus der Begründung des Urteils der ISU-Displinarkommission).

    Jetzt geht es hier aber etwas querbeet: Im vorherigen Post zitierst Du noch ausfürlich die Stellen in denen es um WADA-akkreditierte Labors und die Beweislastverteilung geht und jetzt sind wir wieder bei den Standards für Blutprofilen. Das sollte man vll. mal sauber trennen. Also Nochmal: Das Proben von Pechstein in nicht WADA-akkreditierten Labors analysiert worden, ist nicht von vornherein eine Verletzung des WADA-Codes und fehlende Standards zu Blutprofilen haben mit dem Themenkomplex erstmal rein gar nichts zu tun, denn die Entnahme von Blutproben ist ganz ausdrücklich erlaubt.
    Dann sind Blutprofile ja nichts weiter als die Aneinanderreihung von Werten aus einzelnen Blutproben. Und genau für die Entnahme und Analyse von Blutproben existieren erstmal grundsätzlich Standards. Desweiteren dürfte es auch problemlos sein, wenn die ISU auf anerkannte Verfahren der gängigen wissenschaftlichen Praxis zurückgreift, selbst wenn das nicht explizit in den IST/ISL oder im WADA-Code geregelt ist. (Vorausgestzt es ist nicht explizit in WADA-Regularien ausgeschlossen)

    In Punkt 22. wird das Fehlen von Standards angesprochen, dazu heißt es dann weiter,ebenfalls noch Punkt 22.:

    From this it follows that until the issuance of mandatory technical documents by W ADA the ISU is free to establish its own rules for blood testing as long as the mandatOly areas of the World Anti-Doping Program are respected and the integrity of the samples maintained.

    Die ISU ist da anderer Meinung. Nämlich der das es keine gesonderten WADA-Standards braucht, solange wie es ISU-eigene Statuten gibt, um ein Verfahren auf Basis eines Blutprofils einzuleiten. Scheint ja der Fall zu sein. Das die WADA diese Ergänzungen zu Blutprofilen noch nicht implementiert hat, seh ich daher nicht als Hindernis an, denn grundsätzlich erlaubt der WADA-Code den indirekten Beweis.

    Die Kunst bei den Profilen dürfte ohnehin in der Interpreatation der Werte liegen, da helfen aber keine Juristen, sondern nur Biologen/Biochemiker und Mediziner.

    Im Übrigen wird mir der ganze Fall zu heiß gekocht. Wenn ich schon lese, der indirekte Beweis muss eingestampft werden, wenn die ISU den Fall verliert. Mein Gott, das ist doch Blödsinn, bei diesen indirekten Beweisen wird es immer zu strittigen Fällen kommen. Der deutsche Staat ist ja nun auch noch nicht untergegangen, trotz mancher Justizirrtümer und Indizienprozesse hat das BVerfG auch noch nicht verboten, der Sport wird das dann wohl auch überleben.

  145. @ JoJo: Erstmal, so, wie Sie es wiedergeben, ist es zumindest missverstaendlich

    Was meinen denn unsere Juristen im Blog zu der Regelauslegung, daß lediglich 50,01 % Wahrscheinlichkeit in einem Indizienprozess ausreichen für eine Verurteilung?

    Frau Berninger hat allerdings gesagt

    Das Regelwerk sieht vor, dass für eine Entlastung die Beweiskraft der Indizien so weit erschüttert werden muss, dass die Wahrscheinlichkeit der Manipulation nicht mehr über 50 Prozent liegt, sondern nur noch bei 50 Prozent. Das klingt zwar jetzt alles sehr theoretisch, aber das sind nun einmal die gültigen Maßstäbe für das Beweismaß.

    Erstmal: Frau Berninger spricht nur ueber die Beweiskraft der Indizien. Sie fuehrt nicht die Variante auf, dass dieser konkrete Indizienbeweis vielleicht nicht tauglich ist. Bekanntester ungeeigneter Indizienbeweis ist derzeit (kleiner Exkurs) der Luegendetektor.

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,258414,00.html

    Und sie hat auch vergessen, sich eine Meinung zu bilden, ob jede Meinung ein einzelnes Indiz ist ;-)

    Dann: Ich sehe es eher aus der Richtersicht. Und nehme erstmal Bezug auf das deutsche (Prozess)recht. Dort muss sich beim Richter die „volle richterliche Ueberzeugung“ einstellen, sowohl im Zivil- (286 ZPO) als auch im Strafprozess (261 StPO). Jedenfalls wird dieser Grundsatz aus diesen Paragraphen entnommen.

    Wie schoen genau man da trennen kann, habe ich hier aufgefrischt (etwas Zeit mitbringen, wer will…).

    Und dann bleibt die Frage: Worueber muss sich denn die „volle richterliche Ueberzeugung“ einstellen. Ueber das Beweismittel? Oder ueber die „Manipulation der Leistung“? Kann sich bei den Sportrichtern trotz einer 50+Wahrscheinlichkeit der Unnatuerlichkeit der ueberhoehten Reti-Werte und der 50+Wahrscheinlichkeit der Geeignetheit der Beweismethode vielleicht keine „volle richterliche Ueberzeugung“ einstellen? Das halte ich fuer denkbar. 261 StPO verweist bspw. auf „die Verhandlung“ als Massstab. Und, von der Rechtsfolgenseite gesehen, steht hier ein zweijaehriges Berufsverbot im Raum. Davon sollte man schon mehr als 50+ ueberzeugt sein (Privatmeinung!)

    Soweit das deutsche Recht, und damit zum ersten grossen ABER: Welches Prozessrecht hier zur Anwendung kommt, weiss ich nicht. Immerhin verraet die Homepage des CAS schon mal, welches Recht Anwendung finden soll

    R45 Law Applicable to the Merits

    The Panel shall decide the dispute according to the rules of law chosen by the parties or, in the absence of such a choice, according to Swiss law. The parties may authorize the Panel to decide ex aequo et bono.

    Welches (Prozess-)Recht haben die Parteien gewaehlt? Auf der ISU-homepage (Stichwort: Athletenvereinbarung) habe ich nichts gefunden. Deutsche Eislauf-Union – Fehlanzeige.

    Und hier

    http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Recht/Rechtliche_Grundlagen/Der_Court_of_Arbitration.pdf

    unter Punkt 3.2 b) findet sich auch nichts konkretes. Beklagte ist wohl die ISU, Sitz in Lausanne, dann anwendbar Schweizer Recht. Unter der Praemisse, dass in der Athletenvereinbarung nichts anderes geregelt ist. Ueber das Schweizer Recht der Beweiswuerdigung weiss ich nichts.

    Zweites ABER: Claudia P. sucht einstweiligen Rechtsschutz. Hier wird (auch im Schweizer Recht??) in der Regel summarisch geprueft (mit vielleicht groesserer Beruecksichtigung von Wahrscheinlichkeiten) und auch eine Folgenabwaegung vorgenommen.

    Koennte so aussehen: Welche Folge haette es, wenn die Athletin bis zur engueltigen Entscheidung suspendiert bliebe? Welche Folge haette es fuer die ISU, wenn Claudia P. wieder trainieren und.oder starten darf. Diese Folgen duerften gegeneinander abgewogen werden. Und da ist eine moegliche Loesung: Claudia P. darf offiziell trainieren und sich vielleicht sogar zu Wettkaempfen anmelden – ueber das Startrecht wird dann je nach Verfahrensstand der Hauptsache entschieden.

    Wer zu den ABERs mehr weiss — bitteschoen! Gern auch mitlesende Parteien ;-)

  146. @ jojo, walter, spirou, nocheinjurist u.a.: Darf ich Anja Benringer mal in Schutz nehmen. Denn ich war dabei, als sie auf dem NADA-Workshop vergangene Woche in Bonn über den Fall Pechstein gesprochen hat. Und zwar nicht so verkürzt, wie es hier wiedergegeben wird.

    Zumal: Am Ende des von jojo verlinkten Beitrages auf 3athlon.de steht das Kürzel (DOSB). Eingeweihte wissen, dass es sich um den DOSB-Pressedienst handeln muss, was bei 3athlon.de aber nicht so sauber angegeben wird. Schaut man sich den DOSB-Pressedienst an, fällt wiederum auf, dass dort kein Autor genannt wird, der Anja Berninger diese „acht Fragen“ gestellt hat. Vielleicht habe ich mich verguckt, aber so lange mir keiner den Autoren nennt, der ein Interview mit Frau Berninger geführt hat, gehe ich einfach mal davon aus, dass jemand der rund 30 anwesenden Journalisten mitgeschrieben hat, was Frau Berninger in ihrem Vortrag ausführte. Und da hat sie eben lediglich am Fall Pechstein verglichen, was den alten vom neuen WADC/NADC unterscheidet; wie also zum Beispiel nach dem alten Code die Beweislast verteilt gewesen wäre – und wie es sich nach dem seit 1. Januar geltenden neuen Code verhält.

    Insofern, auch wenn es Walter u.a., gut in den Kram passt, warne ich davor, die oben verlinkten Aussagen 1:1 zu übernehmen.

  147. Welche Sportarten befinden sich in der

    Gruppe der besonders gefährdeten und für Doping anfälligen Sportarten

    , von der Frau Berninger für den Registered Testing Pool spricht? Ist das bekannt?

  148. @JW,
    bitte erklären Sie mir das,was soll mir gut in welchen Kram passen?
    Ich stehe keiner Partei zur Verfügung,habe ausschließlich privates Interesse,die Zusammenhänge zu verstehen.Sie sagen ja selbst,ich verstehe noch nicht(auch Sie manchmal) und bei Ihnen gibt es die besten Hintergrundinfos.
    Ich bleibe also optimistisch;-)

    Ich wollte nur wissen,welche Indizienprozesse es schon gab.

  149. @ jw: Ja, kein Problem. Habe nur die Norm gesucht, auf die sie Ihre Behauptung stuetzt, bzw. die entsprechende Normenkette. Hat sie vielleicht gesagt, woraus aus dem Regelwerk sich ihre Annahme konkret ergibt (es wuerde mich ueberraschen, weil es eher in juristische Fachvortraege gehoert, aber moeglich ist es ja).

  150. Mach weiter! Du machst das völlig richtig – richtige aussagen dürfen nicht davon abhängen, wer den besseren Anwalt hat und mehr Abmahngebühren bezahlen darf…

  151. Mann oh Mann, jetzt verlagert sich die Diskussion zum juristischen Teil.

    @spirou:

    Jetzt geht es hier aber etwas querbeet: Im vorherigen Post zitierst Du noch ausfürlich die Stellen in denen es um WADA-akkreditierte Labors und die Beweislastverteilung geht und jetzt sind wir wieder bei den Standards für Blutprofilen. Das sollte man vll. mal sauber trennen. Also Nochmal: Das Proben von Pechstein in nicht WADA-akkreditierten Labors analysiert worden, ist nicht von vornherein eine Verletzung des WADA-Codes und fehlende Standards zu Blutprofilen haben mit dem Themenkomplex erstmal rein gar nichts zu tun, denn die Entnahme von Blutproben ist ganz ausdrücklich erlaubt.

    Ähm, am besten liest Du Dir die entsprechenden Passagen oben nochmal genau durch. Denn die beiden Punkte kann man eben nicht trennen.

    Natürlich steht es der ISU frei, ihre Blutprofile so zu erheben, wie sie es für richtig hält. Aber letztendlich haben sie die Sperre gegen Pechstein mit der Begründung eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Bestimmungen ausgesprochen. Und die WADA hat nunmal klar definiert, was so alles einen Verstoß darstellt, und wer was beweisen muß. Soweit so gut.

    Für den Fall, daß dieser Verstoß durch einen Test in einem WADA-akkreditiertem Labor aufgedeckt wurde, wird die Einhaltung des ISL/IST angenommen. Es gilt gewissermaßen ein Vertrauensvorschuß in das Labor, den der Beschuldigte erst mal widerlegen muß. Dies gilt bei Tests in nicht durch die WADA-akkreditierten Laboren natürlich nicht. Die ISU muß also nachweisen, daß entsprechende Standards eingehalten wurden.

    Im Fall der Blutprofile kommt hinzu, daß die WADA entsprechende Erweiterungen der ISL/IST zwar angekündigt aber noch nicht verabschiedet hat. Das verbietet jetzt nicht das Nehmen der Proben, aber es ist doch wohl unzweifelhaft, daß man sich nicht an Standards halten kann, die es noch gar nicht gibt, oder?

    Die ISU hat Recht, daß sie natürlich eigene Prozeduren einführen können (sogar selbst wenn die WADA-Richtlinien bereits verabschiedet worden wären). Allerdings müssen sie auch in diesem Fall nachweisen, daß die Testergebnisse valide und zuverlässig sind. Da ist es schwerlich mit der Vorlage einer Excel-Tabelle und einer Aussage getan. Da wird der CAS bestimmt ein wenig was von der Dokumentation des Labors sehen wollen. Dies umfaßt neben den Meßprotokollen der Pechstein-Proben auch allgemeine Sachen wie: Kühlung und Lagerung der Proben, Handhabung der Kalibrierung der Geräte, Teilnahme an Ringversuchen und dessen Ergebnisse (für deutsche Labore ist z.B. eine jährliche Teilnahme Pflicht). Wie gesagt, die ISU ist in der Beweispflicht.

    Wenn es nur zur Auswahl von Urinproben für Zielkontrollen geht, ist jedes Hinterhoflabor gut genug, da mit den Werten kein Dopingverstoß begründet wird. Soll es darum gehen, jemanden zu sperren, sind zu Recht erheblich höhere Anforderungen an die Labore und die dort erfolgende „Beweissicherung“ gestellt.

    Von diesen (natürlich auch wichtigen) Verfahrensfragen unbenommen bleibt aber immer noch die wisseenschaftliche Frage nach der Aussagekraft der Reti-Werte. Also selbst wenn die ISU das alles lückenlos belegen kann, sprechen dann die Werte für Doping? Und man muß schon zugeben, daß von der Schwankungsbreite her die von der ISU anonymisiert veröffentlichten Werte eines anderen Läufers (siehe Pechstein-Seite) im Prinzip genauso variieren, nur eben auf einem niedrigerem Grundniveau. Da sind auch Faktor 2 zwischen aufeinanderfolgenden Messungen zu beobachten. Also da tue ich mich sehr schwer, irgendwas hineinzudeuten. Da wären wir nämlich wieder bei der Geschichte mit der Körpergröße ;)

    Kurzum, ohne zusätzliche Daten ist das alles nicht schlüssig.

  152. @ Gipsel: Lag mir fern, die wissenschaftliche Diskussion ins juristische umzusteuern.

    Es war gefragt worden, was von einer Aussage von Frau Berninger zu halten sei. Sie hatte ihre Meinung nicht begruendet, und so habe ich auf juristischem Weg eine Begruendung gesucht. Juristen begruenden gern mit einer Norm. Die Norm habe ich nicht gefunden (wer sie findet, bitte posten!). Das war alles.

    Und damit zurueck zur Wissenschaft!

  153. Der erste „Beweis“ fuer den Kuhhandel ist da. Nix Schriftliches. Ein Presseartikel und eine Argumentation, warum man Harm Kuipers vielleicht doch nicht glauben sollte.

    http://claudia-pechstein.de/doping/fakten/08kuhhandel.htm

    ALs Kronzeuge wird Helge Jasch benannt (Hat den man jemand gefragt?) Immerhin sagt er hier

    http://www.sueddeutsche.de/sport/564/480049/text/

    nicht, was Claudia Pechstein behauptet. Von einer ISU-Empfehlung (durch wen?) an Herrn Jasch ist dort nichts zu lesen. Aber das muss nichts heissen

    Bin gespannt auf Teil 2

  154. Und was wohl ein anderer Grengel-Kunde von derlei Connections hält?

    HERTHA BSC hält uns sogar schon seit unserem Gründungsjahr die Treue. Bereits 1994 vertraute uns Berlins Fußballclub Nummer 1 die Produktion seines Stadionmagazins WIR HERTHANER an. Mit der Spielzeit 2009/10 geht diese Partnerschaft in die 16. gemeinsame Saison! Kontinuität und Zuverlässigkeit sorgen für Planungssicherheit. Bei uns – und auch bei unseren Kunden!

    http://www.powerplay.ag/permedia.html

  155. Gute Gelegenheit, mal wieder auf der Seite von Claudia Pechstein vorbeizuschauen. Noch kein neuer Beweis zum Kuhhandel.

    @ ha: Was haben Sie gegen powerplay? Nur von einem Mandat kann keiner leben…

  156. Nun, israelische Wissenschaftler wollen es geschafft haben, Blut mit einer anderen DNA zu versehen. Einfach rote und weisse Blutkoerperchen zentrifugieren (entsprechende Maschinen sollen jetzt schon in einigen „zweiten Wohnzimmern“ stehen, wenn ich die oesterreichischen Links richtig verstehe…) und anschliessend neue rote (mit anderer DNA) zu den alten weissen geben. Voila

    Nur auf Englisch gefunden, vielleicht koennen die Experten mehr dazu schreiben

    http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hV3t-W6SygGjYB2v3zoiwc35Bm1w

    „Current forensic procedure fails to distinguish between such samples of blood, saliva and touched surfaces with artificial DNA,“ the scientists wrote in an article recently published by „Forensic Science International: Genetics,“ a scientific journal.

  157. Ist der schon irgendwo verlinkt?

    http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/694490

    Schade, dass die Grundsaetze nicht aufgezaehlt wurden, die Herr Bach im letzten Absatz anspricht.

    Mich stoert ein wenig, dass kein Journalist beim CAS nachfragt, wo denn die Entscheidung bleibt oder was aus dem einstweiligen Verfahren geworden, und so garnichts erscheint. Ist ein bisschen wie vor dem ersten Urteil: grosse Ruhe, und dann ueberschlagen sich alle. Hoffe, keiner der Faelle, von denen der Hausherr kuerzlich schrieb, Journalisten wuessten manchmal mehr, als sie schreiben ;-)

  158. Claudia Pechstein setzt Gegendarstellung bei SZ durch

    http://www.sueddeutsche.de/sport/693/486112/text/

    Staune ein wenig, sonst steht unter Gegendarstellungen haeufig „RA XYZ fuer …“, hier Mal nicht. Ohne Anwalt und nicht kostenpflichtg?

    Und sonst … scheint die SZ wohl vergessen zu haben, CP Gelegenheit zur Darstellung zu diesem Fakt zu geben. Die juristischen Geschuetze bollern anscheinend staerker als bei anderen Themen, bin neugierig, ob sich solche Erfolge wie gegen den Hausherrn und die SZ auch in der CAS-Verhandlung wiederholen lassen.

    Und eine Entscheidung steht auch an, „diese Woche“

    http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1246048165492

  159. DPA: CAS entscheidet, dass Pechstein wieder mit der DESG trainieren darf, aber von Wettkämpfen bis zur Verhandlung ausgeschlossen bleibt.
    Das war ja auch zu erwarten

  160. NADA SPRACH MIT CLAUDIA PECHSTEIN

    Bonn, 11. September 2009 – Vertreter der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) haben in einem Gespräch mit Claudia Pechstein Argumente für und wider die von ihr vorgeschlagene Langzeitstudie und deren Begleitung durch die NADA ausgetauscht. Dabei ist einvernehmlich festgestellt worden, dass die Sportlerin sich einer vollständigen Quarantäne über mehrere Wochen nicht unterziehen kann, und dass die NADA auch keine lückenlose Ãœberwachung über einen längeren Zeitraum gewährleisten könnte. Schlussfolgerungen aus einer solchen Testserie würden aber voraussetzen, dass jedwede Manipulation von vornherein absolut ausgeschlossen werden könnte. Die Langzeitstudie ist damit gegenstandslos geworden.

    Als Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts ist die NADA jedoch weiterhin bereit, alle Werte von Frau Pechstein, die bereits vorliegen oder die sie gegebenenfalls noch erlangt, den Verfahrensbeteiligten zur Verfügung zu stellen.

    Datum: 11-09-09 – 00:00
    (http://www.nada-bonn.de/nc/aktuelles/nachrichten/artikel/artikel/nada-sprach-mit-claudia-pechstein/4/?cHash=57676ed699)

  161. morgen in der „welt“: Weltverband verkürzt Anklagezeitraum

    wenn nur pechstein und ihr team nicht immer gleich so penetrant krakeelen würden — aber hin und wieder auch einfach mal nur mit, sagen wir: halber kraft auf den pudding zu hauen, gehört scheinbar nicht zum verfügbaren kommunikationsrepertoir.

    jedenfalls: die isu scheint ihre anklage vor dem cas nur noch auf proben aus dem zeitraum oktober 2007 bis februar 2009 stützen zu wollen.

  162. Claudia Pechstein kann neue Hoffnung schöpfen

    Wichtiger als Form- und Verfahrensfehler ist für den Sport die Frage, ob Retikulozyten geeignet sind, indirekt Blutdoping nachzuweisen. Pechstein sagt, ihre Werte seien natürlich erhöht. „Das ist ein Riesenproblem: Die Wissenschaft ist meines Erachtens noch nicht so weit, sichere Nachweise zu führen“, sagt Bergmann. Das sollte sie, wenn eine Karriere auf dem Spiel steht.

    Die ISU möchte sicherlich die Probe vom 15.04.09 (1,32/2,40) nicht vor Gericht erklären.

  163. Pingback: CAS-Urteil im Fall Pechstein : jens weinreich

  164. Pingback: Doppelpack: Abmahngebühren im Fall Pechstein • Sport and Politics

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