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Das Olympische Bildungsmagazin

@ email von der Fifa

Vielleicht ganz gut, dass der Abend etwas leichter ausklingt. Hier im Blog wurde, woran ich nicht ganz unschuldig bin, doch zuletzt zu viel und mitunter zu heftig über dieses unschöne Blutgepansche debattiert. Deshalb kurzer Themenwechsel.

Widmen wir uns einen Moment den Gutmenschen und Korruptionsbekämpfern von der Fifa: Im Beitrag „Grüße von der Russenmafia: Alimsan Tochtachunow“ hatte ich kürzlich versprochen, mal beim Fifa-Präsidenten Joseph Blatter nachzufragen, wie es zu dem Treffen mit Tochtachunow kam und ob er wusste, mit wem er im Januar 2005 in Moskau das Glas erhob – mit einem von einigen Kriminalbehörden in einigen Ländern ziemlich vieler Verbrechen beschuldigten mutmaßlichen Mafioso.

Ich habe also einige Fragen formuliert, zugegeben, ganz unspaßig. Ich bat, wie früher mitunter geschehen, um ein kurzes Telefonat mit dem Präsidenten, um ihm meine Fragen selbst zu stellen. Und siehe, gerade eben, um 20.06 Uhr, erreichte mich eine Email von Hans Klaus, bei der Fifa angestellt als Director Communications & Public Affairs. Herr Klaus ist neu im Fußballgeschäft. Ich hatte noch nicht die Ehre, ihn persönlich kennen zu lernen. Wie er arbeitet, glaube ich jetzt zu wissen. Herr Klaus schreibt:

Grüezi Herr Weinreich.

Besten Dank für Ihre Anfrage. Bitte erlauben Sie mir, dass ich Ihnen selbst diese Antwort zukommen lasse.

FIFA-Präsident Blatter trifft aufgrund seiner Funktion täglich mit sehr vielen Persönlichkeiten aus Sport, Kultur, Politik und Wirtschaft zusammen. Ein Zusam­men­kom­men mit der von Ihnen genannten Person ist uns in Bezug der Namen und des Zeitpunktes nicht bekannt.

Für weitere Fragen können Sie sich jederzeit an das Media Desk der FIFA (media@fifa.org) wenden.

Besten Dank und freundliche Grüsse. @ hans.klaus

Ja, vielen Dank, ganz meinerseits. Da, wie Herr Klaus schreibt, „ein Zusam­men­kom­men mit der von Ihnen genannten Person uns in Bezug der Namen und des Zeitpunktes nicht bekannt ist“, liefere ich gern noch einmal den Screenshot der von Wassili Schaposchnikow von der russischen Zeitung Kommersant – wie soll ich es sagen? – geschossenen Fotos des Zusam­men­kom­mens. Sie zeigen, wie jeder sehen kann, den Fifa-Präsidenten mit einem Mann, der unter Kriminalisten als Taiwantschik bekannt ist: Alimsan Tochtachunow:

Screenshot kommersant.ru

Augen auf, Herr Klaus! (Screenshot kommersant.ru)

Die Fotos zeigen zwei weitere Fifa-Vorständler und Blatter-Gefolgsmänner: Wjatscheslaw Koloskow (Russland) und Michel Platini, den Uefa-Fürsten.

Was soll ich zu einer Antwort wie der von Herrn Klaus sagen? Nur dies: Ich weiß doch auch, dass Joseph Blatter täglich viele ganz wichtige Menschen trifft und ihn ziemlich viele ganz wichtige Menschen kennen. Da kann man schon mal einiges durcheinander bringen und sich an einiges andere nicht erinnern. Deshalb habe ich ja nachgefragt. Das waren übrigens meine Fragen an den Träger des Bundesverdienstkreuzes, Ritter der französischen Ehrenlegion und Ehrendoktor der aserbaidschanischen Staatsakademie für Körperkultur und Sport:

1) Herr Blatter, Sie haben bei einem Empfang des russischen Fußballverbandes am 15. Januar 2005 im China Club in Moskau u.a. Herrn Alimsan Tochtachunow getroffen. Wer hat Sie mit Herrn Tochtachunow zusammengebracht/bekannt gemacht? Wie wurde Ihnen Herr Tochtachunow vorgestellt?

2) Was haben Sie mit Herrn Tochtachunow besprochen?

3) Als IOC-Mitglied, mindestens in dieser Funktion, sollte Ihnen klar gewesen sein, dass Tochtachunow als Drahtzieher des Bestechungsskandals im Eiskunstlaufen bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City gilt. Ist dem so? Wussten Sie, mit wem Sie es zu tun haben?

4) Haben Sie in geeigneter Weise gegen die Anwesenheit von Herrn Tochtachunow protestiert? Schließlich wird Tochtachunow von Interpol und amerikanischen Behörden per Strafbefehl gesucht und wird von diesem Kriminalbehörden als mutmaßlicher hochrangiger Mafioso der Solntsewskaja- und Ismailowa-Clans geführt.

5) Ist Herr Tochtachunow in Besitz einer Fifa-Spielervermittler-Lizenz oder einer ähnlich gearteten Lizenz?

6) Tochtachunow wurde in den vergangenen Jahren mit einigen Profis aus dem ehemaligen Sowjetreich – etwa Kaladze/Milan, auch Schewtschenko – in Verbindung gebracht. Er ist nach journalistischen Recherchen mehrfach als Mittler bei Transfers aufgetreten, u.a. in Südamerika. Wie kommentieren Sie diesen Sachverhalt?

7) Bekleidet Herr Tochtachunow nach Ihrer Kenntnis/nach Kenntnis der Fifa eine Funktion im russischen Fußballverband, in der Fußballliga-Vereinigung oder in der Stiftung zur Förderung des russischen Fußballs?

8) Da Sie ja der Fifa-Familie ein Programm der Transparenz und Bekämpfung jeglicher unsauberer Machenschaften verordnet haben: Wie gedenken Sie im Fall Tochtachunow vorzugehen?

9) In welcher Beziehung steht das Fifa-Exekutivmitglied Wjatscheslaw Koloskow zu Tochtachunow?

_____
Offenlegung: Um superkorrekt zu sein und den Fifa-Anwälten kein Material zu liefern: ich habe drei Flüchtigkeitsfehler aus meinen Fragen getilgt.

Guten Abend allerseits!

29 Gedanken zu „@ email von der Fifa“

  1. Hätte der Blatter, der früher mitunter mit Ihnen telefoniert hat, auf diese Fragen geantwortet? Hat er sich verändert?

    Anzufangen mit „Grüezi, Herr Weinreich“ und dann solche Sätze nachzuschieben – das ist echt gemein.

    Wie ist denn das bei der Fifa: Gibt’s keinen, der böse über den Chef plaudert und mal einen Skandal rauslässt?

  2. Aber Christoph, der letzte Absatz geht doch nun wirklich zu weit :((

    Im Grunde geht es hier um das alte Thema, das wir ja auch am Beispiel des IOC hin und wieder diskutiert haben: Lohnt es sich überhaupt, Fragen zu stellen, wenn man doch weiß, dass man keine Antworten bekommt. Stellt man sie nicht, wird man von der anderen Seite sofort attackiert.

  3. Ich ziehe den letzten Absatz zurück.

    Vermutlich werden einige Kommunikationsdirektoren genau dafür angestellt – um in Wahrheit nicht zu kommunizieren. Das ist natürlich ein eigenartiges Berufsverständnis.

    Solche Gesprächspartner wünscht man ja nicht mal seinem ärgsten Feind. Mein Beileid. Ich würde bei so einer Antwort durchdrehen.

    Er könnte antworten: „Geben Sie endlich Ruhe!“
    Er schreibt aber: „Besten Dank für Ihre Anfrage. Bitte erlauben Sie mir, dass ich Ihnen selbst diese Antwort zukommen lasse. … Für weitere Fragen können Sie sich jederzeit an das Media Desk der FIFA (media@fifa.org) wenden.“

    Sie sind undankbar.

    Aber ganz ernsthaft: Ist denn in dem Bereich, den Sie als Schwerpunkt haben, die Recherche schwieriger geworden über die Jahre? Oder wurde immer schon gern gemauert?

  4. „Ein Zusammenkommen mit der von Ihnen genannten Person ist uns in Bezug der Namen und des Zeitpunktes nicht bekannt.“

    Wer ist denn in dem Zusammenhang „uns“? Blatter wird es ja wohl noch wissen, der kann damit nicht gemeint sein. Bleibt ja nur noch Klaus und seine Sekretärin oder womöglich jemand, der im Moment der Mailbearbeitung neben ihm stand. So nach dem Motto: Klaus: Sag mal, kennen Sie einen Tochtachunow?
    Putzfrau: Was?
    Klaus: Kennt der Sepp den?
    Putzfrau: Äh…ich putz hier nur…
    Klaus: Also nicht. „tipp“ Gruezi Herr Weinreich…

  5. ah, ich freu mich jeden Tag wieder hier solche Beiträge zu lesen. Das ist ein Spaß. Dieses ewige „blockiert werden“ und dennoch immer wieder nachbohren, das fördert wirklich Unterhaltsames zu Tage. Ein Hoch auf Ihr Durchhaltevermögen.

  6. Habe die Liste auch gesehen. Aber wer sagt mir, dass die a) aktuell, b) wahrhaftig ist und c) wer sich hinter welchen Namen verbirgt. Ich hätte schon gern vom Fifa-Präsidenten und der Fifa-Adiministration erfahren, dass ein Mann wie Alik selbstverständlich nicht Agent sein kann, auch nicht als Mittelsmann auftritt etc. pp. Es ist schließlich Sepps Familie, Hort des Guten und Edlen.

  7. es macht mir viel spaß, ihnen hier über die schulter sehen zu können.
    nun glaube ich auch, dass der schweizer fifa-chef sich nicht an alles erinnern kann, aber die antwort seines kommunikationsdirektors ist doch sehr merkwürdig. etwas prüfen und man hätte die tatsache gefunden. vielleicht lernt er noch und antwortet das nächste mal, ohne auf die frage einzugehen. das wäre doch ein wirklich gut gemachter job!

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