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Das Olympische Bildungsmagazin

Batallón Olimpia oder: Joint Venture des Sports mit Vordemokraten und Diktatoren

Eher als Notiz zwischendurch, ein um einen Absatz, der nicht in die Zeitungen gepasst hat, leicht ergänzter Leitartikel, der in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau erschienen ist. Nichts weiter als ein Anriss der Thematik.

Vor ein paar Wochen hat sich Jérôme Valcke verplappert. Zu viel Demokratie sei im weltumspannenden Sportbusiness hinderlich. Da ließen sich Mega-Events nur schwer realisieren, sagte der Generalsekretär des Fußball-Weltverbandes FIFA. In Diktaturen läuft das Geschäft besser.

Nicht wie in Brasilien, wo Millionen Menschen auf die Straße gingen, auch um gegen Korruption und Geldverschwendung für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 zu demonstrieren – und natürlich gegen die FIFA. Dass Valcke mit dem korruptesten aller korrupten Fußballfunktionäre eng befreundet ist, mit dem im US-Exil lebenden Brasilianer Ricardo Teixeira, gegen dessen Drecksgeschäfte die Brasilianer ebenfalls protestierten, soll hier nicht weiter thematisiert werden.

Valcke ist als FIFA-General für Milliardenprojekte verantwortlich: für derzeit drei Weltmeisterschaften, eine absurd teurer als die andere. 2014 in Brasilien, 2018 in Russland, 2022 in Katar. Bis zum nächsten Wochenende richtet die FIFA zudem eine Nachwuchs-WM in der Türkei aus, einem anderen Brennpunkt demokratischen Aufbegehrens, mit dem Finale in: Istanbul. Zwei dieser Länder, Brasilien und Russland, tragen demnächst Olympische Spiele aus. Das winzige, aber steinreiche Katar wird mit seiner Hauptstadt Doha spätestens 2028 Gastgeber von Sommerspielen sein. Dies nur, um die Kompetenz Valckes zu belegen.

Gehen wir doch lieber in Diktaturen, hat Valcke eigentlich gemeint, da haben wir unsere Ruhe. So denken noch immer mächtige Sportfunktionäre.

Man kann da durchaus mit dem Holzhammer argumentieren und 1936 erwähnen. Damals ließ Adolf Hitler in Berlin seine Olympischen Propagandaspiele austragen, die Nazi Olympics. Olympia verdankt den Nazis vieles, unter anderem den Fackellauf. Leni Riefenstahls zweiteiliger Olympiafilm wurde von Joseph Goebbels finanziert. Es klappte alles wie am Schnürchen in Berlin. Und während in der Stadt die Jugend der Welt um Medaillen wetteiferte, transpirierten vor den Toren der Metropole im Hochsommer einige tausend Menschen, die damit begannen, das Konzentrationslager Sachsenhausen zu errichten.

Sport war nie unpolitisch. Sport ist nicht unpolitisch. Sport wird nie unpolitisch sein. Sport wird auch nicht nur missbraucht. Das Sportsystem ist eine Parallelgesellschaft, in der Paktieren mit Ganoven, Vordemokraten und mörderischen Regimes zum Tagesgeschäft zählt. Das Sportsystem sucht die Diktatoren. Alles unter dem Deckmäntelchen von „Jugend“ und „Weltfrieden“.

In Russland kassieren die Oligarchen allein rund um die Winterspiele 2014 in Sotschi 30 Milliarden Dollar Korruptionsgeld. Es ist Wladimir Putins Prestigeobjekt, eines von vielen im Sport. Die Formel 1 braust demnächst auch in Sotschi und schon jetzt bei den Al-Khalifas in Bahrain, die demokratische Regungen in Blut ertränken. In zwei Jahren wird es in Baku die ersten Europäischen Spiele geben, eine Art Mini-Olympia, gesponsert von Aserbaidschans Diktator Ilham Äliyev. Und der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan will 2020 in Istanbul Olympische Sommerspiele austragen. Die Entscheidung darüber fällt Anfang September. Als sich die Türken, angeführt vom Vize-Premier Ali Babacan, gerade in Lausanne dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) präsentierten, wurden sie nicht durch blöde Fragen belästigt: Warum hätte sich ein IOC-Mitglied nach Menschenrechten und der Demokratiebewegung erkundigen sollen?

Natürlich schwieg, wie immer bei diesen Themen, auch der deutsche Oberolympier Thomas Bach (FDP), der in zwei Monaten IOC-Präsident werden will. Zumindest war Bach nicht so dämlich wie Jérôme Valcke, die Wahrheit auszuplappern.

Milliardenkonzerne wie IOC und FIFA scheren sich nicht um Sorgen und Nöte der Bevölkerungen jener Länder, an die sie ihre Franchise-Unternehmen verhökern. Und wenn, wie zehn Tage vor den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko im Stadtteil Tlatelolco 250 Studenten (das ist die offizielle Zahl, wahrscheinlich waren es Tausende) von der „Batallón Olimpia“ gemetzelt werden, sind das halt: Kollateralschäden.

Batallón Olimpia! Hinweise darauf sucht man im Olympischen Museum in Lausanne vergeblich. Oder in den anderen sündhaft teuren Olympiamuseen, die zuletzt in den Musterdemokratien und Sportwunderländern Katar und China eingeweiht wurden. Auch Valckes FIFA baut übrigens ein Museum in Zürich: Werden darin die verbrecherischen Doppelpässe der FIFA-Bosse mit den Junta-Generälen bei der WM 1978 in Argentinien aufgearbeitet? Der Senior Vice President und Finanzchef der FIFA, Julio Grondona, wird schon dafür sorgen, dass das nicht passiert. Er wurde 1979 von der Junta installiert, er ist als Antisemit bekannt, er herrscht noch einige Jahre.

„Don’t mix politics with games!“ Wer hat das wohl gesagt?

Hu Jintao, Chinas damaliger Staats- und Parteichef. Am Vorabend seiner Propagandaspiele in Peking.

Die Demonstranten in Brasilien sollen doch, bitteschön, „den Fußball nicht missbrauchen“. Wer hat das wohl gesagt?

FIFA-Präsident Joseph Blatter. Nach turbulenten Wochen glaubt er, Ruhe erkaufen zu können: Die FIFA will den brasilianischen WM-Organisatoren 100 Millionen Dollar überweisen.

Die Welt schaut derzeit gebannt auf Brasilien, die Türkei und Ägypten. Und was macht der organisierte Sport?

Er hofft für die Seinen.

In Ägypten kann es nach dem Putsch gut sein, dass General Mounir Sabet frei kommt, ein IOC-Mitglied. Sabet steht wegen milliardenschwerer Korruption und Waffenhandel seit zwei Jahren unter Hausarrest.

Er ist der Schwager von Hosni Mubarak.

4 Gedanken zu „Batallón Olimpia oder: Joint Venture des Sports mit Vordemokraten und Diktatoren“

  1. Oje! Hat noch niemand gelästert über die Überschrift. Jetzt habe ich ein „t“ für das Wort „Dikatoren“ gekauft und „Diktatoren“ draus gemacht.

  2. Nö. Angesichts des Sicherheitsaufgebots für Sotschi, allein 37.000 Polizisten und wer weiß, wer noch, könnte man sich nur bald die russische Entsprechung fürs Batallón Olimpia überlegen … Olimpijskij Speznas?
    Vielleicht überlässt die Putin dann dem IOC, so als Sonderspende für kommende Herausforderungen im Rahmen der olympischen Solidarität.

  3. Zum Glück haben wir ja auf allen wichtigen Positionen korrupte aufmerksame kritische Politiker und Sportfunktionäre, die wachen Auges solche Entwicklungen souverän ignorieren verhindern und sich nicht für den billigen Effekt beim Händepatschen mit noch den widerlichsten Honoratioren zu schade sind. Staatssekretär und Regierungssprecher Seibert wird Ihnen eventuell noch offene Fragen gerne erläutern.

    Oh, Kommando zurück! Was waren das den für Drogen im Kaffee?

  4. Auch die wahlkämpfende Angela Merkel brachte es beim CL-Finale in London fertig, in die Kameras zu sagen, man solle „den Fußball nicht politisch instrumentalisieren“. Vielleicht glauben Menschen wie Merkel, Hu Jintao oder Joseph Blatter tatsächlich an solche Sätze. Umso wichtiger ist es, die Idee des unpolitischen Sports als eine politische Ideologie zu entlarven. Ich freue mich jedenfalls (als Mitspender) auf Ihr Buch.

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