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Das Olympische Bildungsmagazin

Vor 25 Jahren: Uwe Hohn & Co. & grünes Licht für Dopingmittel

Oh ja, heute vor 25 Jahren warf der Potsdamer Uwe Hohn seinen Speer im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark beim Olympischen Tag sagenhafte 104,80 Meter weit. Wer den Wurf nochmal sehen mag, klicke bitte hier:

Die Heldengeschichten kann man an etlichen Stellen nachlesen – etwa im Neuen Deutschland, im Tagesspiegel, in der Märkischen Allgemeinen, auf Sporthelden.de oder auf ard.de.

Vielleicht habe ich nicht richtig hingesehen, aber das D-Wort fiel mir nur in einem zwei Halbsätzen im Text von Erik Eggers im Tagesspiegel auf. Ein Zwei Halbsätze sind ein bisschen wenig.

Ich finde, wenigstens die Anabolikagaben gehören erwähnt in derlei Texten. Für 1984 notierten die Dopingärzte und Wissenschaftler für Uwe Hohn den Konsum von 1135 mg Oral-Turinabol. Das war gemäß dieser Angaben einiges weniger als bei den Kollegen Michel (1785 mg), Gerstenberg (inzwischen verstorben/2720 mg), Steuk (3890 mg), Timmermann (Schützling von Werner Goldmann/3325 mg) oder Beyer (3955 mg).

Quellen:

  • Geheime Forschungsarbeit im FKS Leipzig (heute mit Steuermitteln des Bundes gefördertes IAT) von Hinze/Kuppardt/Reumuth aus dem Jahr 1986: „Analyse der Wechselbeziehungen von Training, u.M. und Leistungsentwicklung in den leichtathletischen Wurf-/Stoßdisziplinen im Olympiazyklus 1980/84“, S. 1-64
  • Berendonk, Brigitte: „Doping Dokumente – von der Forschung zum Betrug“, 1991, Seite 128.

Und hier noch eines meiner Lieblingsdokumente überhaupt zum DDR-Doping und zum vom Olympiaboykott geprägten Sommer 1984. Aus den Stasiakten des Chefdopers Dr. Manfred Höppner alias IMB „Technik“, stellvertretender Leiter des sportmedizinischen Doping-Dienstes (SMD) der DDR, der am 15. Juni 1984 über die Anweisungen von DDR-Sportchef Manfred Ewald notierte:

Genosse Ewald forderte die Generalsekretäre der Verbände auf, alles zu unternehmen, damit Spitzenleistungen noch vor und unmittelbar nach den Spielen gebracht werden. In diesem Zusammenhang erklärte Genosse Ewald, dass hinsichtlich der Anwendung unterstützender Mittel alles erlaubt sei, entscheidend ist die gebrachte Leistung.

Unter diesem Zeichen standen auch die DDR-Meisterschaften in Erfurt in der Leichtathletik. Das von Genosse Ewald gegebene so genannte „grüne Licht“ wurde auch bei Athleten der 2. und 3. Reihe angewandt.

Weiterhin wurde festgelegt, dass bei allen Ersatz-Wettkämpfen der sozialistischen Länder, soweit diese nicht mit NSW-Beteiligung erfolgen, keine Dopingkontrollen durchgeführt werden. (…)

Der Olympische Tag in der Leichtathletik, heute vor 25 Jahren, bei dem Uwe Hohn seinen Weltrekord warf, galt für die DDR-Sportler übrigens als Olympia-Äquivalent. Das heißt, es gab Prämien und Auszeichnungen, als hätte es in Los Angeles einen Olympiasieg gegeben. So war es bereits im Mai mit Erich Honecker abgesprochen.

Und so legte die Leistungssportkommission (LSK) am 17. August schließlich die Prämien und die Teilnahme an der Schiffsreise nach Kuba fest. An der Sitzung der LSK nahm auch Thomas Köhler teil, der DTSB-Vizepräsident, der bei anderer Gelegenheit gern eine Wunderpille forderte, weil ihm die gängigen Dopingmittel irgendwie nicht wirkungsvoll genug waren. Jener Thomas Köhler, der kürzlich zur 40-Jahr-Feier des Sportausschusses in den Reichstag geladen war und sich dort mit dem DOSB-Vizepräsident Eberhard Gienger austauschte. Von Vizepräsident zu Vizepräsident, von Anabolika-Befehlsgeber zu Anabolika-Nutzer. Aber das ist mal eine andere Geschichte. Ich möchte meine Leser auch nicht überfordern, heute wird gefeiert: 1-0-4-8-0-!-W-A-H-N-S-I-N-N-!

15 Gedanken zu „Vor 25 Jahren: Uwe Hohn & Co. & grünes Licht für Dopingmittel“

  1. Pingback: Vor 25 Jahren: Uwe Hohn & Co. & grünes Licht für Dopingmittel …

  2. Würde den schönen Links gern noch einen hinzufügen. Der WAHNSINNS-Wurf hat es mehrfach zur „Frage der Woche“ im DOSB-Pressedienst gebracht, und zwar am 25.6.2007 mit allen sachdienlichen Hinweisen:

    Wer stellte mit einem „alten“ Speer einen Fabelweltrekord auf?
    Für seinen besten Wurf war sogar das Berliner Jahnstadion fast zu klein! Am 21. Juli 1984 schleuderte Uwe Hohn, der in der Deutschen Demokratischen Republik schon als Schüler mit dem Sport begann, den Speer unglaubliche 104,80 m weit. Er durchbrach damit als erster Werfer die magische 100-Meter-Grenze. Dies war neuer Weltrekord und Anlass für die IAAF, aus Sicherheitsgründen den Schwerpunkt der Wettkampfspeere verändern zu lassen. Die Folge: Seit 1986 haben die neuen Speere eine steilere Flugbahn, kommen Würfe mit derart großen Weiten nicht mehr vor. Deshalb kann Hohns Bestmarke getrost als „Weltrekord für die Ewigkeit“ bezeichnet werden.

    Und in diesem Jahr erneut:

    http://www.dosb.de/de/service/frage-der-woche/detail/news/die_frage_vom_1152009/7624/nb/1/cHash/4c6c116d66/

    Ob sich an diesen WAHNSINNS-Rätseln eigentlich wer beteiligt?

  3. Für die Leser, die wie ich erst nachschlagen müssten: NSW = Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet.

  4. Der Olympische Tag in der Leichtathletik, heute vor 25 Jahren, bei dem Uwe Hohn seinen Weltrekord warf, galt für die DDR-Sportler übrigens als Olympia-Äquivalent. Das heißt, es gab Prämien und Auszeichnungen, als hätte es in Los Angeles einen Olympiasieg gegeben.

    Sicher, Jens? Gab es dafür nicht diese als „Spiele der Freundschaft“ bezeichnete Ersatzolympiade der Boykott-Länder, die eigentlich komplett in der Sowjetunion stattfinden sollten, letztendlich aber nach Sportarten auf die verschiedenen Länder verteilt wurden? Leichtathletik allerdings hätte ich tatsächlich mit Moskau in Hinterkopf.

    Beim beschriebenen Olympischen Tag 1984 gab es übrigens noch einen zweiten Weltrekord. Die Bulgarin Ludmilla Andonowa sprang über 2,07m. Dieser Rekord wurde ihr ein paar Jahre später von ihrer Landsfrau Stefka Kostadinowa abgenommen, die ihn dann bei der WM 87 in Rom auf 2,09 verbesserte, wo er heute noch steht.

    Für mich mit meinen 13 Jahren war das übrigens – wen wundert’s – ein ganz phantastisch schöner Sporttag damals.

  5. Arnesen, hab Vertrauen! Habe heute die Nominierungsdokumente der Leistungssportkommission nochmal durchgeforstet. Es war der Olympische Tage. Habe aber eben vergeblich ein Dokument gesucht, in dem für alle Sportarten die Olympia-Ersatzwettkämpfe festgelegt wurden. Vielleicht reiche ich das mal nach.

    In der LA war es der Olympische Tag, im Rudern Rotsee, im Handball die Wettkämpfe der Freundschaft (weil in der DDR), im Schwimmen ebenfalls die WdF (obwohl in Moskau). Im Schwimmen kann man weniger manipulieren mit Kampfrichtern, wie in der LA 1980 in Moskau geschehen. U.a. diese Erfahrung hat die DDR-Sportführung gewarnt, weshalb nicht die WdF als Olympia-Äquivalent galten.

    Übrigens hat Manfred Ewald gemäß Akten gern gesagt: Auch Wettkämpfe gegen die Sowjetunion sind Klassenkampf!

  6. Bin zwar spät dran, aber damals umso früher aufgestanden.
    Es war der sogenannte „Olympische Tag“, unvergessen das Warten auf die Weite von Hohn und dessen verhältnismäßig entspannter Jubel. Es gab „Eis am Stiel“, für 45 Pfennige? Jedenfalls ist dieses Stück Gefrorenes vom strammen Holz auf meine weniger strammen Westjeans gefallen.
    Der Wurf fand vor vielen anderen Entscheidungen statt, ich erinnere mich an erstaunliche Sprints und an den Hochsprung der Frauen.
    Ich lief anschliessend eine Stunde durch die Stadt und als ich meinen Wohnungsschlüssel aus der Tasche nehmen wollte hatte ich noch immer den Stiel in der Hand.

  7. FAZ: Schults windige Erklärung

    Im Zusammenhang mit den Recherchen der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität zum DDR-Staatsdoping hatte Schult im Jahr 2000 behauptet, das Anabolikum „Oral-Turinabol“ vor dem Mauerfall überhaupt nicht gekannt zu haben.
    […]
    Als Schult auch bei einer richterlichen Vernehmung bei seiner Version blieb, leitete die Staatsanwaltschaft Schwerin wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ein Ermittlungsverfahren ein. Daraufhin räumte Schult ein, bei der richterlichen Vernehmung gelogen zu haben.
    […]
    Gegen die Zahlung einer Geldauflage von 12 000 Mark stellte die Staatsanwaltschaft Schwerin 2001 das Verfahren gegen Schult ein. […] Im gleichen Jahr machte ihn der Deutsche Leichtathletik-Verband zum Bundestrainer.

  8. Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (39): Whistleblower diesseits und jenseits des Teiches • Sport and Politics

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