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Das Olympische Bildungsmagazin

Copy and paste im Bundestag: die Olympiabewerbungen von Leipzig und München

Komme gerade aus dem Reichstag, wo der Sportausschuss des Bundestages in einer eher kleinen Runde seinen 40. Geburtstag gefeiert hat, den er offiziell zwar erst im November begeht, aber man kann ja nie wissen. Im September sind Wahlen, und danach kann alles anders sein. Zur Feierstunde vielleicht später noch einige Details, zumindest einige interessante Zitate. Vorweg dies, Peter Danckert (SPD/Pferdesportverband Berlin-Brandenburg/Nada-Kuratorium):

„Wir sind eine große Familie. Aber in dieser Familie kann nicht immer mit einer Stimme gesprochen werden.“

Immerhin, das unterscheidet sich schon mal von anderen Familienpatriarchen.

In einer kurzen Sitzung haben die Abgeordneten um 13 Uhr noch ihre bedingungslose Unterstützung für die Olympiabewerbung von München bekräftigt (bei Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen und den Linken), obgleich keine Finanzierungskonzepte und transparente Kalkulationen im Umgang mit Steuermitteln vorliegen. Es gab, nicht zum ersten Mal, eine durchaus muntere engagierte Diskussion über eine gewisse Berichterstattung, wie mir berichtet wurde. Dagmar Freitag (SPD/DLV-Vizepräsidentin) wedelte mit der Kopie eines Zeitungsartikels „Politiker im Olympiarausch“, der ihr nicht gefallen hat.

Als Nachtrag zum gestrigen Beitrag „Bundestag zu München 2018: ‚demokratiewidriger Striptease?“ habe ich mal flink die Resolutionen des Bundestages aus dem Dezember 2003 (Olympiabewerbung 2012 Leipzig) und die morgen im Parlament zu verabschiedende Resolution (Olympiabewerbung 2018 München) verglichen. Es geht um die vermeintlichen Segnungen Olympias (Fairplay?! Arbeitsplätze ?! etc. pp?!) und solche Sachen. Und um Steuermittel in beträchtlicher Höhe. Für Leipzig 2012 waren in den Arbeitsgruppen des BMI und der Sächsischen Staatskanzlei intern 9 bis 14 Milliarden Europ kalkuliert – eine Zahl, die von Politik und Sport nie öffentlich gemacht werden sollte. Da waren sich die Herrschaften einig.

Hier die acht Punkte der Bundestags-Resolutionen zu Leipzig (2003) und München (2009). Mehr als ein copy-paste-Verfahren? Wer Unterschiede feststellt: Bitte melden und in der Kommentarspalte festhalten.

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Erstens

2003: Der Deutsche Bundestag begrüßt und unterstützt nachhaltig die Bewerbung der Stadt Leipzig mit dem Segelstandort Rostock um die Ausrichtung der XXX. Olympischen Sommerspiele und der XIV. Paralympics 2012. Er sieht die Bewerbung und die angestrebte Ausrichtung der Spiele als nationale Aufgabe an.

2009: Der Deutsche Bundestag begrüßt und unterstützt nachdrücklich die beabsichtigte Bewerbung der Landeshauptstadt München zusammen mit der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen und dem Landkreis Berchtesgadener Land zur Ausrichtung der XXIII. Olympischen und XII. Paralympischen Winterspiele 2018. Er sieht die Bewerbung und die angestrebte Ausrichtung der Spiele als nationale Aufgabe an.

Zweitens

2003: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Olympiabewerbung weiterhin tatkräftig zu fördern. Die Mitwirkung der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Bewerbungskomitee Leipzig 2012 GmbH wird begrüßt.

2009: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Olympiabewerbung weiterhin zu fördern und zu unterstützen.

Drittens

2003: Der Deutsche Bundestag begrüßt das zwischen Bundesregierung, Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig einvernehmlich verabschiedete Programm für Sofortmaßnahmen, um die deutsche Bewerbung international wettbewerbsfähig aufzustellen. Er appelliert an alle Beteiligten, in diesem Geiste die Bewerbung weiter erfolgreich voranzubringen.

2009: Der Deutsche Bundestag begrüßt die Mitwirkung der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH sowie die Tatsache, dass auch ein Vertreter des Deutschen Bundestages Sitz und Stimme hat.

Viertens

2003: Der Deutsche Bundestag erkennt an, dass das Internationale Olympische Komitee voraussichtlich einen erheblichen Finanzbeitrag zur Durchführung der Sommerspiele 2012 leisten wird. Gleichzeitig begrüßt er die durch die olympische Bewegung und von den Spielen ausgehenden Impulse für die Sportentwicklung, die Ausstattung mit modernen Sportstätten sowie Infrastruktureinrichtungen in der Gastgeberstadt Leipzig und dem Segelstandort Rostock, den Regionen und im gesamten Land. Die sich daraus ergebenden vielfältigen positiven Wirkungen auf Tourismus, auf Arbeitsplätze und Steuereinnahmen lassen eine staatliche Förderung verantwortbar erscheinen, ohne die trotz des Finanzbeitrags des IOC die Spiele nicht durchführbar sind. Der Deutsche Bundestag setzt dabei auf ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen der Bewerberstadt Leipzig und dem Segelstandort Rostock, den Ländern sowie dem Bund.

2009: Der Deutsche Bundestag begrüßt die durch die olympische Bewegung und von den Spielen ausgehenden Impulse für die Sportentwicklung und Infrastruktur im eigenen Land. Er sieht zudem die Chance, mit einer Durchführung der Spiele einen positiven Beitrag für die Fortentwicklung der olympischen Idee, mit ihren Kernelementen der Völkerverständigung, Respekt und Toleranz sowie des Fair Play, zu leisten.

Fünftens

2003: Der Unterstützungsbeschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 26. Juni 2003 wird als wichtiges Signal gesehen, dass die Olympiabewerbung als gesamtstaatliche Aufgabe begriffen wird. Der Deutsche Bundestag appelliert an alle Beteiligten, der daraus resultierenden Verantwortung im Laufe des Bewerbungsverfahrens und bei einem Zuschlag Rechnung zu tragen.

2009: Der Deutsche Bundestag geht davon aus, dass das Internationale Olympische Komitee sich seiner Verantwortung stellen und daher einen erheblichen Finanzbeitrag zur Durchführung der Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018 leisten wird. Die sich daraus ergebenden vielfältigen positiven Wirkungen auf Tourismus, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen lassen eine staatliche Förderung verantwortbar erscheinen, ohne die Olympische und Paralympische Winterspiele in Deutschland, trotz des Finanzbeitrages des IOC und anderer freier Träger aus der Wirtschaft, nicht durchführbar sind. Der Deutsche Bundestag setzt dabei auf ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen der Landeshauptstadt München, der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen und dem Landkreis Berchtesgadener Land sowie den Ländern und dem Bund.

Sechstens

2003: Der Deutsche Bundestag macht nachdrücklich darauf aufmerksam, dass bei der Erarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen besonders die Barrierefreiheit, kurze Wege und Umweltfreundlichkeit der Spiele herausgearbeitet werden sollen.

2009: Der Unterstützungsbeschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern wird als wichtiges Signal gesehen, dass die Olympiabewerbung als gesamt- staatliche Aufgabe begriffen wird. Der Deutsche Bundestag appelliert an alle Beteiligten, der daraus resultierenden Verantwortung im Laufe des Bewerbungsverfahrens und bei einem Zuschlag zur Ausrichtung der Spiele Rechnung zu tragen.

Siebentens

2003: Der Deutsche Bundestag setzt sich ein für Olympische Spiele und Paralympics der Nachhaltigkeit als wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähige Sportentwicklung in Deutschland.

2009: Der Deutsche Bundestag macht alle Beteiligten darauf aufmerksam, dass bei der Bewerbung neben den sportlichen und infrastrukturellen insbesondere auch die ökologischen und kulturellen Belange sowie die nachhaltige Nutzung der Sportstätten und der Liegenschaften zur Unterbringung der Sportlerinnen und Sportler sowie Trainer und Betreuer einen besonderen Stellenwert einnehmen sollen.

Achtens

2003: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die kulturelle Darstellung Deutschlands sowie der Region Leipzig und der Region Rostock bei den Olympischen Spielen zu unterstützen.

2009: Der Deutsche Bundestag setzt sich für Olympische und Paralympische Spiele der Nachhaltigkeit als wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähige Sportentwicklung in Deutschland ein.

Berlin, den 10. Dezember 2003: Franz Müntefering und Fraktion, Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und Fraktion, Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Berlin, den 18. Juni 2009: Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion, Dr. Peter Struck und Fraktion, Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

13 Gedanken zu „Copy and paste im Bundestag: die Olympiabewerbungen von Leipzig und München“

  1. München wird nicht „nachhaltig“ unterstützt. München wird nicht „tatkräftig“ unterstützt. Dabei scheint der „positive Beitrag für die Fortentwicklung der olympischen Idee“ notwendiger als vor sechs Jahren und Deutschland bereit, den olympischen Geist an sich genesen zu lassen.

    Als Unterzeichner stehen da vollkommen andere Menschen!!!

  2. Pingback: Florian

  3. München wird nicht “nachhaltig� unterstützt.

    Immerhin haben die Politiker erkannt, dass eine Ausrichtung der olympischen Spiele für die

    durch die olympische Bewegung und von den Spielen ausgehenden Impulse für die Sportentwicklung und Infrastruktur im eigenen Land

    sich nicht nachhaltig (positiv) auf die Ausrichterstädte auswirken.

  4. Von den milliardenschweren Olympia-Budgets profitiert ja am meisten die Bau-/Immobilienwirtschaft. Da müssten doch locker 30 Mio zusammenkommen, oder? Und die einen oder anderen Bestechungsgelder sicherlich auch, in dieser Branche soll es ja durchaus schwarze Kassen und Beziehungen zum „Milieu“ geben.
    Wer sich übrigens damals ebenso wie ich gewundert hat, dass Leipzig als Bewerberstadt gegenüber der Weltstadt Hamburg den Vorzug erhalten hat, dem sei u.a. diese Lektüre empfohlen. Von einigen anderen Ränkespielen (z.B. von Berlin, die im Sinne zukünftiger eigener Bewerbungen ein großes Interesse an einem möglichst aussichtslosen Bewerber hatten) einmal ganz abgesehen.

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