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Das Olympische Bildungsmagazin

DDR-Dopinggeschädigte zur „Entschuldungspauschale für Sportkriminelle“

Ich veröffentliche eine weitere Erklärung von DDR-Dopingopfern nach: „Kein fauler Frieden in der Dopingaufarbeitung“.

Erklärung von DDR-Dopinggeschädigten zur anstehenden Entschuldungspauschale für Sportkriminelle

Die Entschuldungspauschale von dopingbelasteten Trainern wird einer konsequenten Dopingbekämpfung in Deutschland, einer sachgerechten Aufarbeitung der Dopingvergangenheit in Ost und West sowie dem massiven Schadensvolumen der zahlreichen Dopingopfer nicht gerecht. Wir akzeptieren keine pauschalen Entschuldungsschreiben von Trainern, die zwanzig Jahre lang ihre Geschichte weggelogen und sich damit Einstellungsverhältnisse erschlichen haben. Ein universaler Entschuldungstext meint niemanden und respektiert niemanden. Wir lehnen es ab, dass durch eine solche Erklärung zahlreiche Verant­wort­liche einen rückwirkenden Freifahrschein für angetanes Unrecht, Zugriffe und Verfehlungen im Sport erhalten sollen. Das viel gebrauchte Argument, diese Trainer seien in den vergangenen zwanzig Jahren in Sachen Doping unauffällig geblieben, ist gemessen am Zustand des deutschen Antidopingsystems nicht nur gezielt scheinheilig, sondern unstatthaft. Jeder, der in diesem Land dopen will, kann das unbehelligt tun.

Wir fordern das BMI auf, die jahrelangen Verstöße gegen die Anti­doping-Klauseln in den Zuwendungsbescheiden zu prüfen und entsprechende Fehlmittel zurückzufordern. Wie ist es möglich, dass die Steiner-Kommission zu Empfehlungen kommt, ohne dass dabei Geschädigte des DDR-Dopingsystems in transparenter Weise einbe­zogen wurden? Warum gab es zu der anstehenden Trainer­erklärung keine öffentliche Anhörung im Sportausschuss? BMI und DOSB fordern wir auf, ihre selbstgesetzten Dopingrichtlinien, Vielfacherklärungen und Statute einzuhalten und endlich auch umzusetzen. Somit liegt es in der Natur der Sache, dass wir es ablehnen, dass DOSB, DLV und BMI der anstehenden Erklärung dopingbelasteter Trainer zustimmen.

Wenn Innenminister Wolfgang Schäuble meint: „Wir haben ganze Rekordlisten getilgt“, wenn Peter Danckert als Sport­ausschuss­vor­sitzender nicht klar kriegt, ob Opfer tatsächlich Opfer sind, wenn DOSB-Chef Thomas Bach den Nivellierungscode schon abnickt, noch bevor die beschuldeten Trainer ihre Unterschrift überhaupt gegeben haben, ist das nicht vereinter Klärungswille, sondern Betrug am Sport und feiste Desinformationspolitik, mit der im Jahr 20 nach dem Mauerfall alles weggedrückt werden muss, was nach Missbrauch, Schuld, Schaden aussieht. War da was? Gibt`s da immer noch ein Aua, immer noch was zu klären? Haben Politiker und Sportfunktionäre gar Anteil daran?

Ja! Seitdem es DDR-Dopinggeschädigte in der Öffentlichkeit gibt, d.h. seit nunmehr zehn Jahren, besteht ihr klarer Einspruch gegen die Logik des Machbaren im Sport. Wozu braucht es jede Menge multipel Traumatisierte mit Krebs, schweren Organschäden, Hormon­stoff­wechsel­störungen, behinderten Kindern? Erteilt irgendwo jemand eine Unterschrift, mit der die Opfer des Dopingmissbrauchs ihre zerstörten Körper und Seelen gesund zurück erhalten?

Sind nicht mehr als tausend Tote pro Jahr im globalen Effizienzsport Zeichen genug? Spricht der Imageschaden, den der vergiftete Business-Sport in Deutschland mittlerweile zu verzeichnen hat, nicht mehr als eine deutliche Sprache? Ist die illustre Polittroika Schäuble/Bach/Danckert in Fragen Sportethik der gebührende Garant, wo doch der eine schon in den Siebzigerjahren Doping für die Bundesrepublik frei geben wollte, der andere sich als Anwalt von Schalck-Golodkowski auszeichnete und der dritte als Supernova des globalen Wirtschaftslobbyismus notorisch in die Schlagzeilen kommt? War es das, was man unter deutscher Einheit verstanden wissen wollte?

Es geht nicht darum, erlittene Sportschäden künstlich in die Zukunft zu verlängern, sondern weiterhin um Klärung, konkrete Beteiligungen und Verantwortung, also darum, die Zukunft des Sports zu sichern.

Unterzeichnende:

  • Ute Krieger-Krause
  • Andreas Krieger
  • Uwe Trömer
  • Yvonne Gebhardt
  • Bernd Richter
  • Karen König
  • Brigitte Michel
  • Bernd Michel
  • Dagmar Kersten
  • Marie-Katrin Kanitz
  • Ines Geipel

Ansprechpartner: Andreas Krieger (Tel 0391.2525332) und Ines Geipel (Tel 030.21021639)

31 Gedanken zu „DDR-Dopinggeschädigte zur „Entschuldungspauschale für Sportkriminelle““

  1. Die Doping-Geschädigten haben Recht: So etwas nennt man kollusives Zusammenwirken, hier von BMI, Sortausschuss (hoffentlich nur des Vorsitzenden), DOSB, DLV. Solange kein Beitrag zur Aufklärung geleistet wird, handelt es sich um durchsichtige Täterschutzpolitik. Eine Pauschalerklärung fällt weit hinter das zurück, was ohnehin bekannt ist.

  2. Die Erklärung gefällt mir an vielen Stellen nicht, besonders aber dort nicht, wo eine anwaltliche Vertretung mindestens polemisch, wenn nicht gar diskreditierend verwendet wird.

  3. Das ist eine gute Erklärung der Dopingopfer! Endlich werden die Worthülsen und Fehleinschätzungen der letzten Tage mal in ein richtiges Licht gerückt. Die Schwamm-Drüber-Mentalität von Sportpolitikern und von Verantwortlichen des organisierten Sports konnte so einfach nicht stehen bleiben.

  4. Warum nicht, Arnesen?
    Da es hier offensichtlich eine Linie gibt – Peter Danckert findet ja schon diese nichtssagende Pauschalerklärung zu viel verlangt -, ist es doch berechtigt, darauf hinzuweisen? Er war der erste, der im Zusammenhang mit der Goldmann-Debatte eine Generalamnestie gefordert hat. Statt sich um das zu kümmern, was womöglich die Aufgabe des Sportausschusses wäre, Kontrolle der Exekutive, nämlich, wie oben gesagt: Verstöße gegen die Zuwendungsbescheide und auch gegen das Stasi-Unterlagengesetz (Bock ist der m.W. erste Führungs-IM im Sport) durch Verbände / OSPs zu thematisieren oder gar das BMI zur Prüfung aufzufordern.
    Da er so agiert, finde ich den Hinweis nur berechtigt.

  5. @ha, genau! Hier werden doch offensichtlich durch Schäuble und Danckert die Zuwendungsbescheide des BMI an die Sportfachverbände und Olympiastützpunkte uminterpretiert. Eine missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern wollte Schäuble doch immer ausschließen, oder? Das Gegenteil ist hier der Fall.
    Denn der DOSB hat die Entsendungskosten für Peking doch überwiegend durch den Deutschen Bundestag bezahlt bekommen. Eigentlich müsste der DOSB doch das Geld für diejenigen zurückzahlen, die gemäß falscher Ehrenerklärung als Trainer zu unrecht nach Peking gefahren sind. Das hätte ich nicht für möglich gehalten: Schäuble, Danckert und Bach in einem Boot.

  6. Schäuble hat im FAZ-Interview kürzlich auf den Einwurf von Michael Reinsch zur Sportausschusssitzung vom Oktober 1977 …

    … in der Sie sagten, man solle Doping nicht grundsätzlich verbieten, sondern von verantwortungsbewussten Medizinern vornehmen lassen, wenn man doch wisse, dass dies nicht zu kontrollieren und so auch gar nicht gemeint sei.

    … gesagt:

    Gut, dass alles aufgeschrieben wird. Ich würde das nie mehr so sagen. Aber man darf nach dreißig Jahren auch ein bisschen klüger sein. Man sollte niemanden an Sprüchen messen, die er vor dreißig Jahren getan hat; das fällt auf den zurück, der es tut.

  7. Exakt begründete Schäuble das, was Walter kürzlich hier reingestellt hat, 1977 so:

    … weil ansonsten «der leistungssportliche Wettbewerb in der Weltkonkurrenz nicht mehr mitgehalten werden kann.

    In der Haushaltsdebatte im September 2008 war das seine Begründung für die Spitzensportförderung

    Wir müssen wettbewerbsfähig und leistungsorientiert sein. Wir dürfen nicht kommandieren. Wir wollen keine Staatsorganisation. Aber wir müssen zeigen, dass wir im Wettbewerb mit staatlichen Systemen wettbewerbsfähig sind. Deswegen werbe ich dafür, die Sportförderung auf einem hohen Niveau fortzuschreiben. Es gibt großen Handlungsbedarf, wenn es um die Sportorganisationen geht. Wir werden mit den zuständigen Kollegen darüber reden. Wir sollten uns von der Medaillenstatistik der Olympischen Sommerspiele nicht täuschen lassen. Nicht in allen Bereichen ist die Entwicklung gut. Ich erwarte im Sinne der Subsidiarität schon, dass die Verantwortlichen im autonomen Sportbereich das Optimale tun, sodass wir die Sportförderung der Spitzensportler mit öffentlichen Mitteln weiterhin rechtfertigen können.

    Die Konstante heißt „Wettbewerbsfähigkeit“. Ist es eine Frage, was ein AMG, das sich Antidoping-Gesetz nennt, damit zu tun hat? Und was die Integration dieser Trainer?

  8. Irgendetwas läuft hier schief und ich verstehe es nicht. Um was geht es bei der „Ehrenerklärung“?
    Um ein Schuldeingeständnis ohne Konsequenzen?
    Um ein Schuldeingeständnis mit Entschuldigung?

    Wenn es sich um ersteres handelt-keine Fragen.
    (Ein Feigenblatt für den DLV)
    Sollte es sich aber um eine Entschuldigung handeln, dann läuft wirklich einiges schief. Zuerst müssten doch die Opfer/Geschädigten um ein solches gebeten werden. Und dann gibt es immer noch die Möglichkeit dieses anzunehmen oder eben nicht, das ist doch der Sinn einer Entschuldigung.
    „Schuld“ kann nur von der anderen Seite vergeben werden, oder?

  9. ha,
    anders haben sie es damals im Politbüro der DDR auch nicht betrachtet.Die Situation war wahrscheinlich zu allen Zeiten so,das Doping nötig war, um Medaillen zu bekommen.Auch hier werden Ausnahmen die Regel bestätigen.
    Mir liegt fern,die DDR zu verteidigen,ich will nur sagen,dass es Doping auch ohne die DDR gegeben hätte.Also muß man die Ursache für Doping außerhalb der DDR suchen?

  10. @ TobiasL.: Ich stelle mir diese Frage auch. Aber die Herrschaften von BMI, DOSB und DLV offenbar ganz und gar nicht. Es geht vielleicht sogar mehr darum, um das BMI und andere Verantwortungstrainer aus der Schusslinie zu nehmen. Denn Verantwortung ist etwas, was besser irgendwo im Universum herumschwirren soll, was aber besser nicht Personen zugerodnet wird bzw. was bestimmte Personen lieber nicht übernehmen. Ich habe versucht, das im Gespräch mit Bach zu thematisieren. Ein Beispiel: Persönliche Verantwortung, Versäumnisse als Entscheidungsträger? Nein, nein, nein – das war alles der böse DSB, da saß ich nicht im Präsidium!!
    Aber er war seit 1991 im IOC und damit automatisch im NOK-Präsidium, und in tausend anderen Gremien, und ist ja – angeblich – ohnehin The Brain des deutschen Sports.
    Nur ein Beispiel von vielen.
    Es waren immer die anderen, wir sind es nicht gewesen.

    Viel wichtiger aber in der Tat, und erschütternd, einmal mehr: Sie interessieren sich nicht für Opfer, nur für Täter. Opfer schwärzen an, Opfern kann man nicht glauben. Wenn Täter aber etwas sagen, dann stimmt das, sie müssen das ja wissen.

  11. @jw
    Klar ist das auch ein Entschuldungsprogramm für BMI, DLV, DSB/NOK/DOSB – schätze mal, das ist genauso wichtig. Und sollte verschwinden.
    Denn mindestens so lange:

    http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/38/51/dokument.html?titel=Schlimme+Finger&id=13681583&top=SPIEGEL&suchbegriff=schlimme+finger&quellen=&sm=e&qcrubrik=artikel

    … wissen sie, wen sie da beschäftigen, wenn sie nicht Berendonk gelesen haben sollten (1991?), das wussten sie schon, bevor sie gegen Zuwendungsbescheide verstoßen haben, bevor sie die Antidoping-Klauseln darin überhaupt geschaffen haben. Außerdem haben sie Kommissionen tagen lassen und ignoriert und Ermittlungen der ZERV ignoriert und Prozesse ignoriert und das BMI die Feststellungen seiner eigenen „Task Force“ (2007/08) und Hunderte andere Artikel usw. usf.

    Deshalb ist es ein Treppenwitz der Sportgeschichte und -berichterstattung, wie gestern in ZAPP Manfred von Richthofen als eine Art guten Mahner zu Wort kommen zu lassen. Der Mann war bis 2006 DSB-Präsident. Nur verantwortlich soll er nicht gewesen sein.

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  14. Besonders unappetitlich ist dann der Umgang mit den Aussagen der Opfer. Sie werden plötzlich mit Dingen konfrontiert, welche gar nichts mit dem eigentlichen Sachverhalt zu tun haben.
    Das ist als wenn einem Bestohlenen vorgeworfen wird auch schon mal Rot über die Strasse gegangen zu sein.
    Es bleibt dabei: immer häufiger wird öffentlich bereut und somit Entschuldigung eingefordert. vergessen wird, es handelt sich um eine Bitte, eine Bitte bei den Opfern.

  15. Ja, das ist schon ein starkes Stück, erst den Sportlern alles aufdrängeln und dann sagen das machen die doch alles ohne das wir es mitbekommen,
    liebe Funktionäre für wie blöd haltet Ihr das Volk eigentlich???????

  16. Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble begrüßt Geständnisse von Trainern des Deut-schen Leichtathletik Verbandes!!!

    hier zwei auszüge aus der trainer-erklärung:

    Wir waren im Einzelfall am Einsatz unterstützender pharmazeutischer Substanzen (Dopingmittel) beteiligt. Uns war bekannt, dass dies den Regeln des Sports widersprach, doch fühlten wir uns durch die Vorgaben des Staates legitimiert. Bei einer Weigerung, diese Mittel weiterzugeben, hätten uns der Ausschluss aus dem Leistungssport und damit erhebliche berufliche Nachteile gedroht.

    Trotz des systembedingten Drucks betrachten wir den Einsatz von Dopingmitteln aus heutiger Sicht als Fehler. Soweit die Sportler durch den Einsatz von Dopingmitteln gesundheitliche Schäden davon getragen haben sollten, sind wir tief betroffen und bedauern dies sehr. Die daran beteiligten Trainer

    liebe dopingtrainer und dopingärzte,

    ich nehme die entschuldigung nicht an!

    begründung:

    1. nach 20 jahren ist es zu spät!
    2. ihr wusstet genau was ihr uns verabreicht und habt bewusst mit unserem leben gespielt.
    3. ihr wurdet/werdet auch- und wegen eurer dopingkenntnisse im ddr-sport prämiert und im gesamtdeutschen sport hofiert.
    4. ihr konntet zu ddr-zeiten keinen aufrechten gang…und jetzt stellt ihr euch auch noch als opfer des systemzwangs dar…wie erbärmlich!

    uwe trömer

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  18. 17.04.09
    Hallo, da sich Andreas Heß und Jürgen Grundler an unseren Protest gegen diese Entschuldigungspauschale ehemaliger DDR-Trainer beteiligen wollen, aber keinen Internetzugang besitzen, haben sie mich gebeten, stellvertretend für sie diese Zeilen in Jens Weinreichs Blog zu stellen.

    Vom 9.4.2009

    „Als ehemalige Mitglieder der DDR-Biathlon-Nationalmannschaft und staatlich anerkannte Dopingopfer sprechen wir uns vehement gegen eine „Entschuldigungspauschale“ für Dopingbelastete DDR-Trainer aus.“

    Andreas Heß und Jürgen Grundler

    Ich finde es gut, dass sich immer mehr ehemalige Sportler am Protest beteiligen.

    Jetzt warte ich nur noch auf Mithilfe von noch aktiven Sportlern, denn sie sollten schon eine eigene Meinung zu diesem Thema haben, da sie letztendlich diejenigen sind, die unter diesem Dauerthema zu leiden haben.
    „Nur Mut, ihr seit ja schließlich nicht für die Vergangenheit verantwortlich!
    Aber die Zukunft haltet Ihr in Euren Händen!!!“

    Andreas Krieger

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